Elvis has left the building ...
Sein Auftritt endete mit Konfettibomben und in einem Hauch von Nostalgie. In seiner einstündigen Rede vor dem Demokraten-Konvent in Los Angeles malte Bill Clinton das Bild vom zufriedenen Amerika mit seinem beispiellosem Wirtschaftswachstum. Clinton berauschte sich noch einmal am Bild der Realität. Dann verließ der Präsident die Bühne.
"Elvis has left the building", schrieb die Orlando Times über diesen Augenblick des Abschieds Clintons von den demokratischen Delegierten.
Das Dilemma Lewinsky
Zweifellos. Al Gore tritt ein schweres Erbe an. Er muss Eigenständigkeit beweisen, ohne sich übermäßig zu distanzieren, sein Mitwirken an Clintons Erfolgen klar machen, aber sich zugleich von dessen Fehltritten wie der Lewinsky-Affäre distanzieren. Die Republikaner verstehen es geschickt, das Saubermann-Image Gores zu traktieren. Ehre, Sittlichkeit und Redlichkeit sind ihre Schlagworte. Eigentlich kein wunder Punkt, an dem man Gore treffen könnte. Doch, meint zum Beispiel Bushs Mitstreiter Dick Cheney regelmäßig vor den Kameras der Fernsehstationen:
"Gore bemüht sich zwar, aus dem Schatten seines Chefs zu kommen. Aber irgendwie werden wir doch immer, wenn wir einen von beiden sehen, an den anderen denken." Was harmlos klingt, ist tatsächlich eine schallende Ohrfeige für Gore. Es fällt schwer zu glauben, aber im derzeitigen US-Wahlkampf sind solche Aussagen für Gore verheerend. Nur eine kleine Metapher genügt, um Gore in den Augen vieler Wähler als personifizierten Zigarre rauchenden Clinton im ´Oral Office` wiederkehren zu lassen.
Gore punktet dagegen. Mit seinem "running mate" Joe Lieberman berief er einen der prominentesten innerparteilichen Kritiker von Clintons Verhalten zu seinem Vize-Kandidaten. Konsequenz: Innerhalb eines Tages verringerte sich der Abstand in den Meinungsumfragen zwischen dem führenden Bush und Gore um stattliche 15 Prozent. Was aber, wenn der Überschwang über die Moralinstanz Lieberman der nüchternen Analyse weicht? Lieberman hilft Gore zwar, seine moralische Integrität zu stärken, stürzt ihn aber gleichzeitig in die nächsten Probleme.
Das Dilemma Lieberman
Vor allem in afroamerikanischen Kreisen haben die früheren konservativen Positionen Liebermans etwa in den Fragen der Minderheitenförderung oder Bezuschussung von Privatschulen Skepsis ausgelöst. Die schwarze Bevölkerung ist seit jeher ein wichtiges Wählerpotential für die Demokraten. Wenig Freude auch bei vielen Entertainment-Bossen, die traditionell mehrheitlich die Demokraten unterstützen. Senator Lieberman führt einen unerbittlichen Feldzug gegen Gewalt und Sex in den Medien.
Schwierigkeiten bekommt Gore mit Lieberman nebenbei noch von anderer Seite. Die Ernennung eines jüdischen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten ist ein Novum in der Geschichte der USA. Während das liberale Amerika den Schritt begrüßt, ereifern sich islamische und ultrakonservative Gruppen in antisemitischen Parolen.
Das Dilemma Sachpolitik
Auch wenn man es nicht für möglich hält. Aber im amerikanischen Wahlkampf geht es neben Ehre, Tugenden und gekränkten Eitelkeiten auch um Sachthemen. "Der Parteitag der Demokraten wird im übrigen auch mehr Substanz - und weniger Show bieten, als der Konvent der Republikaner", hatte Al Gore versichert. Programm statt Angriff lautet die Devise. Tatsächlich ist Gore - im Gegensatz zu George W. Bush - ein versierter Berufspolitiker. Auf den Gebieten der Technologiepolitik und des Umweltschutzes hat er sich einen internationalen Ruf erworben. Unter Clinton war er für die Beziehungen zu Russland verantwortlich.
Die innenpolitischen Themen aber, für die sich die Mehrheit der amerikanischen Öffentlichkeit interessiert, werden kaum mit Gore in Verbindung gebracht.
Er stand und steht vor der Herausforderung, die Zufriedenheit der meisten Amerikaner mit dem Erreichten der letzten acht Jahre als zukunftsfähig zu verkaufen. Nur, dies wird bei den meisten Wählern bis heute als Leistung Bill Clintons angesehen:
Mehr Jobs, weniger Verbrechen und Haushaltsüberschüsse all überall.
Gore selbst hat es da schwer, Profil zu gewinnen und aus dem Schatten Clintons hervorzutreten. Politisch gibt es kaum etwas, dass er kritisieren könnte. Dort, wo er Nachholbedarf sieht, sitzen ihm die Republikaner plötzlich im Nacken. Die Konservativen und Bush haben mehrere Ziele wie eine Bildungsreform und Verbesserung der Gesundheitsfürsorge für die Älteren definiert und damit Felder besetzt, mit denen auch Gore punkten wollte.
A little bit of Monica ...
Immerhin, Gore hat es auf dem Demokraten-Konvent geschafft, sein Image als intelligenter hölzerner Langweiler ohne Ausstrahlung abzulegen. Der Kuß für seine Frau "Tipper" war definitiv einer der längsten und heftigsten, den je ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat auf einem Wahlkonvent (vor Publikum und Medien!) gab.
Und ... da war doch noch ein Indiz für den humorvollen Gore. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin sollte der Sommerhit "Mambo No. 5" für Stimmung auf dem Parteitag in Los Angeles sorgen. Selbstverständlich mit abgeändertem Text. Anstatt "a little bit of Monica" ("ein bisschen Monica") und anderer Damen wurden die Namen von US-Bundesstaaten in dem Song aufgezählt.
Foto: Copyright liegt bei ´Official Photographic Pool of the 2000 Democratic National Convention`