Auslöser der CDU-Spenden- und Finanzaffäre, die sich bis hin zu einer Krise der Parteiführung ausgeweitet hat, war ein Ermittlungsverfahren gegen den EX-Schatzmeister Walther Leisler Kiep. Dieses wurde im Zusammenhang mit Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft eröffnet.
Es geht um den Verkauf von 36 Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien sowie einem Airbus-Geschäft mit Kanada. Dem Waffenhändler Karheinz Schreiber wird dabei Bestechung und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Bei den Nachforschungen kam das System der Schwarzen Kassen von EX-CDU-Chef Helmut Kohl ans Licht. Paralell zum Finanzgebaren der Bundespartei wurden die Millionen-Transfere der Hessen-CDU bekannt. Die Skandal-Chronologie:
5. November 1999
Der wegen Verdachts der Steuerhinterziehung von der Augsburger Staatsanwaltschaft mit Haftbefehl gesuchte Kiep stellt sich der Justiz. Er erklärt, 1991 hätte der Waffenhändler Karlheinz Schreiber in seinem Beisein an den langjährigen CDU-Steuerberater Horst Weyrauch bar eine Million Mark übergebene – in einem Koffer in der Schweiz. Das Geld sei als Parteispende an die CDU gegangen.
8. November 1999
CDU-Generalsekretärin Angela Merkel spricht sich für eine schnelle und lückenlose Aufklärung aus.
12. November 1999
Schreiber sagt, die übergebene Million Mark seien von seinen Auftraggebern in politischer Absicht gespendet worden.
22. November 1999
Der CDU-Vorstand beschließt, sich zum Jahresende von der Wirtschaftsprüfungsfirma Weyrauch und Kapp GmbH zu trennen.
28. November 1999
CDU-Parteivorsitzender Wolfgang Schäuble sichert rückhaltlose Aufklärung zu. Er räumt Anderkonten der CDU bei der Kanzlei Weyrauch ein. Dies habe aber nichts mit Schwarzen Kassen zu tun.
30. November 1999
Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl übernimmt in einer Pressekonferenz die politische Verantwortung für die Führung verdeckter Parteikonten.
2. Dezember 1999
Der Bundestag setzt einen Untersuchungsausschuss zur CDU-Finanzaffäre ein.
16. Dezember 1999
Kohl gesteht ein, von 1993 bis 1998 Spenden bis zu zwei Millionen Mark in bar illegal angenommen zu haben. Namen der Spenden will er nicht nennen. Dafür stehe er mit seinem Ehrenwort.
21. Dezember 1999
Merkel fordert die Partei auf, sich von Kohl zu trennen.
31. Dezember 1999
Die CDU legt einen korrigierten Rechenschaftsbericht für 1998 vor, der sich später wiederum als falsch erweist.
3. Januar 2000
Die Bonner Staatsanwaltschaft eröffnet ein Ermittlungsverfahren gegen Kohl wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil seiner Partei.
10. Januar 2000
Schäuble räumt ein, 1994 von Schreiber eine Barspende von 100 000 Mark entgegengenommen zu haben. Die Schatzmeisterei habe den Betrag gesetzeswidrig als "sonstige Einnahmen" verbucht.
11. Januar 2000
Schäuble lehnt persönliche Konsequenzen ab.
12. Januar 2000
Schäuble kündigt an, beim Parteitag im April erneut für den CDU-Vorsitz zu kandidieren.
13. Januar 2000
CDU-Politiker distanzieren sich offen von Schäuble.
14. Januar 2000
Hessens Ex-CDU-Chef Manfred Kanther räumt ein, dass die hessische CDU 1983 geheime Auslandskonten eingerichtet und seitdem geführt hat. Von diesen Konten seien fälschlich als Vermächtnisse deklarierte Summen in Millionenhöhe an die Partei geflossen.
16.Januar 2000
Schäuble lehnt erneut einen Rücktritt ab.
17. Januar 2000
Kanther will auf sein Bundestagsmandat verzichten.
18. Januar 2000
Auf einer Krisensitzung sprechen Präsidium und Vorstand der CDU Schäuble das Vertrauen aus und lehnen sein Rücktrittsangebot ab. Kohl wird aufgefordert, den Ehrenvorsitz solange ruhen zu lassen, bis er die Namen der Spender nennt. Kohl gibt den Ehrenvorsitz ab.
20. Januar 2000
Schäuble entschuldigt sich im Bundestag für seine Partei sowie sein eigenes Fehlverhalten und räumt Gesetzesverstöße ein. Der Finanzchef der Unionsfraktion, Wolfgang Hüllen, begeht in seiner Berliner Wohnung Selbstmord.
26. Januar 2000
Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt gegen Kanther wegen des Verdachts der Untreue.
27. Januar 2000
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) teilt mit, dass die Hessen-CDU 1983 knapp 18 Millionen Mark in die Schweiz transferiert hat. Weyrauch tritt aus der CDU aus.
30. Januar 2000
Weyrauch bestätigt das illegale Finanzgebaren des Landesverbandes und berichtet von einem Transfer von 20,8 Millionen Mark 1983 wegen der bevorstehenden Verschärfung des Parteiengesetzes.
31. Januar 2000
Schäuble räumt ein, Schreiber ein weiteres Mal getroffen zu haben.
4. Februar 2000
Nach Gesprächen von CDU-Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann mit Weyrauch sowie dem Ex-Generalbevollmächtigten der CDU-Schatzmeisterei, Uwe Lüthje, wird klar, dass auch die Bundespartei bis 1992 über Schwarze Konten im Ausland verfügte. Die Parteispitze stellt sich erneut hinter Schäuble. Kohl bestreitet, von diesen Konten in den 70er Jahren gewusst zu haben. Spekulationen um einen Machtkampf mit Schäuble nennt er "Quatsch".
8. Februar 2000
Koch räumt ein, die Öffentlichkeit belogen und den Rechenschaftsbericht der CDU 1998 durch einen fingierten Kredit manipuliert zu haben. Die SPD fordert Kochs Rücktritt und Neuwahlen in Hessen.
9. Februar 2000
Die Grünen stellen Strafanzeige gegen Koch wegen versuchten Betruges. Koch lehnt einen Rücktritt ab.
12. Februar 2000
Der FDP-Landesvorstand hält gegen den Willen der Bundes-FDP an der Koalition mit der CDU fest. Die ehemalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister sorgt mit einer Eidesstaatlichen Erklärung für neue Verwirrung um die Übergabe der 100 000 Mark-Spende von Schreiber an Schäuble. Sie widerspricht erneut Schäuble in Bezug auf die Geld-Übergabe.
15. Februar 2000
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse verhängt eine Strafzahlung von 41 Millionen Mark an die CDU. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion beschließt überraschend eine vorzeitige Neuwahl ihrer Spitze. Die Fraktionsspitze berät in einer Krisensitzung über die politische Zukunft von Schäuble.
16. Februar 2000
Schäuble gibt seinen Rückzug vom Vorsitz der Unionsfraktion und vom CDU-Parteivorsitz bekannt.
22. Februar 2000
Die Bonner Staatsanwaltschaft läßt die Räume des CDU-Landesverbands Rheinland-Pfalz durchsuchen. Verdacht: Kohl könnte 1998 Dokumente aus dem Kanzleramt beiseite geschafft und bei seinem CDU-Heimatverband eingelagert haben. Konkret geht es um verschwundene Akten zum Leuna-Minol-Verkauf.
27. Februar 2000
Im Untersuchungsausschuss des Bundestags werden nach dem Bekanntwerden von Akten-Lücken im Fall Leuna neue Vorwürfe gegen die alte Bundesregierung laut. Ein Ermittler der Augsburger Staatsanwaltschaft berichtet, dass die Regierung 1997 trotz eines Amtshilfeersuchens der Behörde die Beschlüsse zu dem umstrittenen Panzerkauf an Saudi-Arabien nicht übersandt habe.
Mehrere Abgeordnete der FDP, der Grünen, von SPD und PDS fordern freies Geleit für Waffenhändler Schreiber, sollte der vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.
4. März 2000
Die Hessen-FDP spricht sich für Roland Koch als Ministerpräsidenten Hessens und damit für die alte Regierungskoalition CDU/FDP aus. FDP-Chef Wolfgang Gerhardt hatte zuvor die Liberalen in Hessen aufgefordert, dem in der CDU-Finanzaffäre verstrickten Koch das Vertrauen zu entziehen.
9. März 2000
Kohl tritt in Berlin überraschend vor die Presse und berichtet von seiner "neuen" Spendenaktion. In den vergangenen Wochen hat er bei Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Medien und Kunst rund 5,9 Millionen Mark gesammelt, um den durch ihn verursachten finanziellen Schaden für die CDU wiedergutzumachen. Kohl schweigt weiter über die Namen der früheren Spender.
10. März 2000
Die hessische CDU entlässt überraschend Generalsekretär Herbert Müller, einen engen Vertrauten von Ministerpräsident Koch. Müller muss wegen falscher Verbuchung von 50 000 Mark aus schwarzen Konten für die CDU seinen Hut nehmen. Müller hatte eingeräumt, im Dezember 1999 50 000 Mark Schwarzgeld falsch deklariert und als Einnahmen für die CDU verbucht zu haben. Anfang Januar 2000 habe er diese falsche Buchung jedoch rückgängig gemacht.
15. März 2000
Die Bayerische Staatsbürgerliche Vereinigung teilt in München mit, dass die CSU 1990 offenbar 45 000 Mark aus den schwarzen Kassen der hessischen CDU erhalten hat. CSU-Sprecher Hermann Hofmann bestätigt den Eingang der Summe auf das CSU-Konto. Der Gesamtbetrag von 45 000 Mark sei von der Bayerischen Staatsbürgerlichen Vereinigung weitergegeben worden. Von einem Zusammenhang mit der Hessen-CDU habe die CSU nichts gewusst. "Handle es sich dabei um Schwarzgeld, wären wir getäuscht worden", erklärt Hofmann.
Die hessische CDU teilt mit, nicht davon in Kenntnis gesetzt worden zu sein, dass das Geld an die CSU weitergereicht wurde. Lediglich von der 45 000 Mark-Überweisung an die Staatsbürgerliche Vereinigung in Bayern habe man seit dem 8. Februar 2000 Anhaltspunkte. Dieser Finanztransfer sei an diesem Tag von Ministerpräsident Koch als eine der "Eigentümlichkeiten" in der Finanzaffäre bezeichnet worden.
Nach Ansicht der bayerischen Landtags-Grünen besteht der Verdacht, dass in Bayern Schwarzgelder der CDU gewaschen worden sind.
16. März 2000
Der frühere CDU-Wirtschaftsprüfer Weyrauch verweigert im Bundestagsuntersuchungsausschuss zum CDU-Finanzskandal die Aussage. Er beruft sich dabei auf das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren. Ihm stehe deshalb ein "umfassendes Verweigerungsrecht" zu. Nach knapp einstündiger Sitzung mit Weyrauch bricht der Ausschuss die Befragung ab.
Der Ausschuss will klären, ob unter Umständen gegen Weyrauch Beugehaft oder ein Ordnungsgeld verhängt werden kann.
17. März 2000
Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt im Zusammenhang mit den millionenschweren Schmiergeldgeschäften im Kontext des CDU-Finanzskandals Anklage gegen den Waffenhändler Schreiber und den früheren CDU-Schatzmeister Kiep. Das bestätigt der Vorsitzende Richter der 10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg, Maximilian Hofmeister. Neben Schreiber und Kiep seien auch zwei Thyssen-Manager angeklagt.
Eine dreiköpfige Experten-Kommission (Alt-Bundespräsident Roman Herzog, ex-Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof und ex-Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer) legt in Berlin ein Konzept zur Reform des CDU-Finanzsystems vor. Die Kommission wurde vom CDU-Vorstand eingesetzt. Die Experten fordern die Einsetzung eines weisungsunabhängigen Finanzbeauftragten. Dieser solle Spenden entgegennehmen und bescheinigen sowie für die begleitende Haushaltskontrolle verantwortlich sein. Zudem sollten Spenden grundsätzlich nur noch über inländische Dauerkonten abgewickelt werden. Weitere Vorschläge (u.a.): Spenden von öffentlichen Unternehmen müssten grundsätzlich verboten werden, Barspenden dürften zukünftig nicht mehr als 3000 Mark betragen.
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