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e-politik.de - Home  Brennpunkt  Internationales   Israel und der Mittlere/Nahe Osten   Eskalation im Nahen Osten


Ein Junge bewirft einen Panzer mit Steinen

Der Nahostkonflikt: Göttliches Recht auf Land - und Blut

Autor :  Andreas Bock
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 22.11.2000

Der Krieg zwischen Israel und Palästina wird tagtäglich blutiger. Beide Seiten glauben sich im Recht - im "göttlichen" Recht. Andreas Bock betrachtet das eigentliche Problem beider Völker.


Zwischen Israel und Palästina bleibt alles beim Alten - Steine fliegen hin und Gummigeschosse zurück; manchmal sind es auch Brandsätze, Gewehrsalven oder Raketen. Täglich gibt es Meldungen von neuen Opfern und auch neuen Vermittlungsversuchen. Im Nahen Osten dreht sich ein endloser Reigen von Gewalt und Gesprächen. Wollte man zynisch sein: man müsste der Wiederkehr von Tod auf Gespräch, von Gespräch auf Blut, Enttäuschung und Hass längst ein Eigenleben unterstellen. Denn an der Situation verändert sich nichts.
Warum schicken palästinensische Eltern ihre Kinder tagtäglich in den Krieg der Steine, in dem sie auf schwer bewaffnete israelische Soldaten treffen, oder versuchen zumindest nicht sie zurückzuhalten? Und warum schießen diese Soldaten zurück, schießen scharf auf Gegner, die doch noch Kinder sind? Geht es hier tatsächlich um territoriale Fragen - um staatliche Souveränität, um einen eigenen palästinensischen Staat neben dem bestehenden Staat Israel, samt gemeinsamer oder geteilter Hauptstadt Jerusalem / Al Quds?

Kann man zwischen Israel und Palästina vermitteln?

Als Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor wenigen Wochen in die Konfliktregion "Naher Osten" reiste, wurden Befürchtungen aus israelischen Kreisen laut, es könnte mit der selben Begründung zu einer Intervention zugunsten Palästinas kommen, mit der die NATO im März 1999 ihren Krieg gegen Serbien legitimierte. So irrational und unbegründet diese Ängste sind, der Vergleich mit dem Kosovo macht unbeabsichtigt auf das eigentliche und tiefliegende Problem im Nahostkonflikt aufmerksam: Hier wie dort wird der Anspruch auf ein bestimmtes Territorium nicht allein mit juristischen Normen begründet, sondern darüber hinaus durch überpositve Geltungsansprüche legitimiert. Im Kosovo ist es das Amselfeld ("Kosovo polje"), im Nahen Osten sind es die heiligen Städte zweier Weltreligionen - fatalerweise die Religionen zweier verfeindeter Völker.
Kann man zwischen Israel und Palästina überhaupt vermitteln? Diese Frage berührt die Grundfesten des Friedensprozesses, von ihrer Antwort hängt die Zukunft der Region ab.

Kein Krieg um Land

Der Tempelberg, die Al Aksa Mosche, die Klagemauer, das Josephsgrab... Beliebige Beispiele, die eine Gemeinsamkeit haben: Sie symbolisieren die Eigenart des Nahostkonflikts als eines mythisch begründeten Krieges - aber nicht eigentlich eines Religionskrieges. Zwar wird der Konflikt von zwei verfeindeten Völkern um territoriale Fragen geführt, vom dem jedes für sich eine Religion mit absolutem Geltungsanspruch vertritt. Aber weder ist der Gewinn des Territoriums der eigentliche Zweck, noch geht es den beiden Seiten darum, der eigenen Religion zum Sieg und damit zur "Herrschaft" des einzig "wahren Glaubens" zu verhelfen. Wieso? Wird nicht genau darum gestritten, um das Territorium Israel/Palästina, die Autonomiegebiete und Siedlungen, und sollte nicht genau diese Frage das Friedensabkommen von Oslo im September 1993 regeln?
Als Iraks Diktator Saddam Hussein Kuwait besetzte ging es einzig und allein um das Territorium, genauer: die Ölquellen Kuwaits. Saddams Überfall auf Kuwait war in erster Linie von rational-ökonomischen Überlegungen motiviert, von der Erwartung wirtschaftlicher Macht und Unabhängigkeit. "Rational" besagt als sozialwissenschaftlicher Terminus dabei lediglich, dass eine Entscheidung auf Grund einer Kosten-Nutzen-Kalkulation erfolgt ist - ohne einer Wertung als eigentlich "vernünftig". Im Falle Kuwaits hieß das: Der mögliche Gewinn des Öls rechtfertigte das Risiko eines Krieges. Die Grenzen der Rationalität waren mit Beginn der amerikanisch-britischen Angriffe erreicht, denen zudem die Isolierung Saddams in der Region vorausgegangen war. Der wirtschaftliche, militärische und politische Schaden für das Regime eskalierte derart, dass die Ausbeutung der Ölquellen dazu in keiner Relation mehr stand. Für Saddam war es darum nur rational (und auch vernünftig), Kuwait möglichst schnell wieder zu verlassen, um den Schaden nicht noch weiter zu steigern.

Zwei "wahre" Religionen - zwei "wahre" Ansprüche?!

Und das bringt uns zurück zu den Parallelen zwischen dem Kosovo-Krieg (der Vertreibung der Kosovaren) und dem Nahostkonflikt (dem Kampf zwischen Israelis und Palästinensern), die beide eben nicht rational sind: Die Serben haben bis heute für ihre Vertreibungen eine "mythische" Begründung, ebenso wie sie auch Israelis und Palästinenser haben. Dort ist es das Amselfeld, das die Serben als Wiege des "Serbentums" verehren, hier sind es die heiligen Stätte, die die ganz besondere ("göttliche") Qualität von Israel/Palästina symbolisieren. Ein Mythos ist ein Ereignis (keine Tatsache!), dem über die Zeit eine besondere Geltung zukommt und die nicht hinterfragbar ist - sei es kraft Tradition oder Religion.
Nicht nur orthodoxe Juden erinnern immer wieder an den Bund Gottes mit dem Volk Israel, durch den Gott "seinem auserwählten Volk" dieses Land zugesprochen hat. Und welche Geltung können menschliche Regelungen gegenüber göttlichem Recht haben? Keine! Kaum ein gläubiger Muslime, der diese Aussage nicht auch unterschreiben würde. Nur dass auch sie durch ihren Propheten Mohammed selbst einen Bund mit Allah, dem einzigen und wahren Gott, geschlossen haben. Die heiligen Stätte stehen für diese "special relationship" mit Gott. Damit stehen sich aber zwei Religionen gegenüber, die nicht nur den Anspruch auf das (teilweise) gleiche Territorium begründen, sondern auch für sich beanspruchen, die einzig wahre Religion zu sein, und damit auch den einzig wahren Anspruch zu haben.

Wieviele Menschenleben ist göttliches Land wert?

Der Kosovo-Krieg wie auch der Nahostkonflikt sind irrational - was nichts anders besagt, als dass sie sich nicht mit meßbaren Kosten-Nutzen-Relationen beschreiben lassen: Wie hoch ist der Wert eines Stücks Erde einzuschätzen, von dem man glaubt es sei der Ursprung des eigenen Volkes? Und wie hoch ist dann erst der Wert eines Landes, das als göttliche Gabe angesehen wird, und das für die innige Verbindung zwischen Gott und den Menschen steht? Zumindest für Gläubige ist dieser Wert unermesslich - und darum wohl auch mehr wert als Menschenleben. Wie groß muß der Schmerz werden, damit es zu einem Ende der Gewalt und irgendwann auch Frieden kommt? Diese Frage ist so wenig zu beantworten wie die nach dem Wert heiliger Stätte oder heiligen Landes. Zu beantworten ist nur, warum Soldaten auf Kinder schießen und Eltern ihre Kinder in einen Kampf gegen Soldaten lassen: weil beide Seiten sich im Recht, im "göttlichen Recht" glauben.
Das ist es auch, worum es tagtäglich geht: nicht um das Land, sondern um das göttliche Recht darauf. Wie aber soll man zwischen zwei Seiten vermitteln, die für sich "göttliches Recht" in Anspruch nehmen?
"Das Josephsgrab ist genauso das Grab Josephs, wie das sagenhafte Pferd Mohammeds, der ausgerechnet nach Jerusalem kam, um darauf gen Himmel zu reiten, je existiert hat. Aber für wahre Gläubige machen Fakten keinen großen Unterschied", schrieb Yoram Kaniuk, israelischer Schriftsteller, in der Zeit (Nr. 43 vom 19. Oktober). Besser lässt sich das Dilemma eines Konflikts kaum beschreiben, der sich aus religiösen Mythen nährt: Was kehren sich Gläubige um Fakten, selbst wenn es Verletzte und mehr und mehr Tote sind?
Nichts!


   


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