Das Leben ist eine Baustelle. Jemand hat den Titel von Django Asüls Debütprogramm Hämokratie auf den Plakaten überklebt. "Autark, das neue Programm", heißt es da jetzt lapidar. Auch auf der Bühne herrscht Rohbau. Das alte Bühnenbild: Ein Tisch, ein Stuhl und Django Asül. Man ist gespannt. Django wohl auch: Er hätte kein Programm, gesteht er zerknirscht. Viele lachen, aber keine zwei Stunden später wird einem die doppelte Ironie schmerzlich bewusst. Er hatte wirklich kein Programm. Der "Testlauf mit ungewissem Ausgang", wie es in der Ankündigung hieß, wurde zum Spießrutenlauf.
Senkrechtstart mit Hämokratie
Dabei hatte alles so schön begonnen. Im Herbst 1996. Zu dieser Zeit machte in München plötzlich ein Geheimtipp die Runde: Da gebe es einen Türken, der niederbayerisch spreche und lustig sei, raunte man sich hinter vorgehaltener Hand zu. Auf Bühnen wie dem Fraunhofer und auf Nachwuchswettbewerben wie dem Kabarett Kaktus sorgte der ausgebildete Bankkaufmann Django Asül mit seinen autobiographischen Kabarettnummern für Lacherfolge. Er nahm sich und seine türkische Herkunft nicht so ernst, die Probleme beider Länder miteinander aber umso mehr. Sein Programm Hämokratie traf den Nerv der Zeit, Zufall traf auf Zufall und Asül traf auf das Fernsehen. Fast über Nacht wurde der Osmane aus Niederbayern bundesweit bekannt. Vier Jahre später (!) bekam Django Asül den Bayerischen Kabarettpreis - als Senkrechtstarter des Jahres.
Ein schneller Erfolg also für einen Autodidakten. Und eben das könnte ihm jetzt zum Verhängnis werden. Die Erwartungen sind hoch. Und Django wird sie enttäuschen: Autark wollte er werden, von niemandem mehr abhängig sein. Eine Kampfansage? Aber an wen? Oder: gegen was? Das neue Programm gibt darauf keine Antwort und auch der Inhalt des Abends lässt keine Interpretationen zu. Ein roter Faden ist weit und breit nicht zu sehen. Alle Versuche einer Rahmengeschichte laufen ins Leere. Ein Mann sitzt in Apulien am Meer - dass ist alles. Sinniert über das Leben und ab und zu kommen ein paar Pointen vorbeigeschwommen. Einzeln, isoliert, freudlos.
Erstarren in Klischees
Da helfen auch die obligatorischen Rollenwechsel nichts. Ob prolliger Golflehrer oder stammelnder Bankdirektor, die Figuren erstarren im Klischee. Am originellsten: Der - ebenfalls altbewährte - türkische Zeitungsleser. Der betrachtet augenzwinkernd deutsche Politik und tritt unkonventionell für die Vereinigung von Deutschland und Türkei ein ("Dann kann der Türke im eigenen Land arbeiten gehen und der Deutsche im eigenen Land Urlaub machen"). Aber auch er kann dem Figurenkabinett kein satirisches Leben einhauchen.
Also, zurück zu den Wurzeln mit Autobiographischem aus Djangos Kindheit: Ein bayerischer Türke in Amerika, eine interessante Konstellation, doch schnell versandet die Geschichte in einer mittelschwachen Pointe. Django hätte von den Staaten nichts zu erzählen, er sei ja nur in einem türkischen Restaurant rumgehangen.
Auch die politischen Seitenhiebe kommen über Oberflächlichkeiten nicht hinaus: Pflichtwatschen für Stoiber, Beckstein, und die ehemalige "Schweineministerin". Am ärgerlichsten aber: Die unscharfe Analyse des jugendlichen Lebensgefühls in Deutschland. An Betrachtungen über weite Hosen und eigentümlichen Wortschatz ("fett") sind schon gestandene Soziologen gescheitert. Aber deren Abhandlungen waren wenigstens unfreiwillig komisch.
Satirischer Sprengstoff verpufft als Tischfeuerwerk
Neben den inhaltlichen Schwächen leidet dieser zusammengezimmerte Kabarettabend noch unter der gequält wirkenden Konstruktion: Gefürchtete "Apropos... - Überleitungen" unterbrechen Gedankengänge und vielversprechende Themen abrupt. Der Streit mit einem Navigationscomputer etwa - potentiell lachmuskelgefährdend - wird bei Django Asül als kurze Überleitung verschenkt. Symptomatisch auch sein Ausflug ins türkische Konsulat. Hier wird er von einem türkischen Beamten gefragt, warum er keinen deutschen Pass wolle und belehrt, dass er seinen türkischen nur unter Nachweis entsprechender sprachlicher und kultureller Kenntnisse behalten dürfe. Wieder eine tolle Situation - satirischer Sprengstoff - aber auch der verpufft als Tischfeuerwerk. Dann, ebenso abrupt: Das Ende. Ein Zug nach Nirgendwo, ein türkischer Schaffner, ein dusseliger Zugführer und die Erkenntnis: "Autark zu sein bedeutet, genau zu wissen, wann man aussteigen muss." So, so. Das Publikum ist amüsiert. Höflicher Schlussapplaus.
Fazit: Autark ist unausgegoren. Kabarett im Rohzustand. Der Grund? Auf seiner Homepage schreibt Django Asül, noch im Januar kein Programm gehabt zu haben. Einen Premierentermin (1. Februar) dagegen schon.
Die Folgen sind unübersehbar. Ohne Konzept, ohne erkennbare Linie hält sich Asül nur mühsam strampelnd über Wasser. Die kurze Vorbereitungszeit belastet auch seine sonst so souveräne Vortragsweise. Spürbare Textunsicherheit und der Griff zum Manuskript nehmen den Pointen noch das letzte Quäntchen Lebendigkeit. Gut gemeint, ist nicht genug. Solange Django Asül noch von seinem Bekanntheitsbonus zehren kann, sollte er in die Hände spucken und das Haus zu Ende bauen, dass er beziehen will: Der Mörtel ist noch nicht trocken, da bröckelt schon der Putz. Die Scharniere quietschen und das Fundament ist nicht sehr stabil. Das Leben ist eine Baustelle, ja. Aber Kabarett sollte mehr sein, als ein Richtfest.
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