Geradezu herzlich wirkte der Empfang, den Kim Jong Il seinem südkoreanischen Gast
bereitet hatte, als er Kim Dae Jung am 13. Juni persönlich am Flughafen der
nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang begrüßte. Ein historischer Moment, schließlich
galt die Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrades seit Ende des Koreakrieges
bislang selbst für die Ranghöchsten beider Seiten als nahezu unüberwindbar. Denn
das Kriegsende 1953 bedeutete keinen Frieden, sondern lediglich einen
Waffenstillstand. Doch selbst dieser steht immer noch auf wackeligem Untergrund,
denkt man etwa an das militärische Intermezzo im Juni letzten Jahres, als
nordkoreanische Militärschiffe das nördliche Territorium auf See verlassen hatten und
ein Zusammentreffen mit dem südkoreanischen Militär mehrere Tote und Verwundete forderte.
Etappen der Annäherung
Durch und durch von Misstrauen ist das Verhältnis beider Staaten geprägt, woran auch
der 1991 unterzeichnete "Grundlagenvertrag" nichts geändert hat, ein Abkommen über
Versöhnung, gegenseitigen Nichtangriff, Zusammenarbeit und Austausch zwischen
Nord und Süd. Dieser dennoch wichtige Schritt der Annäherung nach der gemeinsamen
Erklärung der beiden Teilstaaten 1972 ist nun die Basis für die auf dem Gipfel in
Pjöngjang unterzeichnete 5-Punkte-Erklärung. Als langfristiges Ziel gilt die
Wiedervereinigung beider Staaten aus dem Volk heraus. Der für das koreanische Volk
aber momentan wohl dringlichste Punkt ist die Frage der Familienzusammenführung.
Im Gegenzug zu wirtschaftlicher Unterstützung will sich Nordkorea dazu bereit
erklären, gegenseitige Besuche von Familienangehörigen über die Grenze hinweg
zuzulassen. Dies wäre ein erster Durchbruch, denn laut Statistik des Ministeriums für
Wiedervereinigung im südkoreanischen Seoul besitzen etwa 7,6 Millionen Einwohner
Südkoreas Verwandte im Norden, von denen sie seit über fünfzig Jahren kein
Lebenszeichen erhalten konnten. Aber auch der Verzicht auf Langstreckenraketen und
ein Versprechen zum Stopp des Atomprogramms wird im Gegenzug zu weitreichender
Unterstützung des von Hungerskatastrophen stark mitgenommenen Landes erwartet.
Den formellen müssen nun praktische Schritte folgen
Noch ist das Abkommen allerdings bloß eine formale Hülse, die es nun inhaltlich zu
füllen gilt.
Nachdem das 1994 geplante Gipfeltreffen zwischen den damaligen Präsidenten,
Südkoreas Kim Young Sam und dem nordkoreanischen Diktator Kim Il-sung aufgrund
dessen plötzlichen Todes geplatzt war, liegt die Weiterführung der Annährung nun an
dessen Sohn Kim Jong Il, der die erste vollzogene dynastische Erbbfolge in der
Geschichte des Kommunismus angetreten hat. Ebenso wie an seinem Amtsbruder im
Süden, der bereits im Frühjahr 1999 - in Anlehnung an die Ostpolitik Brandts in den
70er Jahren - mit seiner so genannten "Sonnenschein-Politik" einen Wandel durch
Annäherung noch einmal untermauert hatte.
Inzwischen sind bereits Ende Juni Delegierte des Roten Kreuzes in Nord- und Südkorea
zusammengetroffen, um einen Kompromiss in der Familenzusammenführung in
nächster Zeit auszuhandeln. Und auch die USA als wichtigster Verbündeter Südkoreas
haben mit einer Lockerung ihrer Sanktionen gegenüber dem kommunistischen Staat im
Norden auf dem Gipfel der beiden Kims erste Reaktionen gezeigt. Und bereits zwei
Tage später passierte eine Lieferung des Getränkeherstellers Coca-Cola als erste
amerikanische Handelsware die Grenze Nordkoreas.
Man darf also vorsichtig optimistisch sein. Allerdings sind sich die Regierungen beider
Staaten einig, dass es wohl noch Jahrzehnte und nicht etwa Jahre dauern könnte, bis
ein geeintes Korea die beiden jetzigen Systeme, die kommunistische Diktatur im Norden
und die kapitalistische Präsidialdemokratie im Süden ersetzt. Finanziell gesehen wären für
eine erste Sanierung der nordkoreanischen Infrastrukutur nach Schätzung des
Forschungsinstituts für wirtschaftlichen Aufbau in Seoul etwa 65 Millionen US-Dollar nötig.
Die Vorbildrolle, die der deutschen Wiedervereinigungspolitik von verschiedenen
Seiten nachgesagt wurde, dürfte damit relativiert werden. Was letztlich nicht
verwundert, befanden sich Nord- und Südkorea nicht nur im 'Kalten Krieg', sondern
mussten auch zwischen 1950 und 1953 eine 'heisse Phase' des Krieges durchleiden,
die weitaus tiefere Spuren im koreanischen Volk hinterlassen hat.
Foto: Copyright liegt bei der Regierung von Südkorea