Hat Big Brother die Politik eingeholt oder wie das Internet unsere politische Kultur verändert!
Autor : Ute Petritzki E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 24.01.2001
Immer mehr Parteien und Politiker setzen eine Website ein, um ihre politische Botschaft an den Wähler zu bringen. 1to1, direkt, hautnah sind die Attribute, die dabei fallen.
Vor knapp einem Jahr lief die Sendung
"Big Brother" Gefahr abgesetzt zu werden. Otto Schily boykottierte.
Die zuständige Medienaufsichtsbehörde meldete
Bedenken an. Der Generalsekretär des ZdK, (Zentralkomitee der deutschen
Katholiken) sprach von einem "gnadenlosen Versuch, Kasse zu machen".
Angela Merkel zweifelte,
ob man sich über die Auswirkungen dieser Sendung ausreichend Gedanken mache.
Heute ist die Sendung populärer
als "Das Wort zum Sonntag". "à la Big Brother",
"ins Big-Brother-Mäßige
" haben in
der deutschen Sprache Fuß gefasst. Virtuos
jongliert auch die CDU den Begriff in ihrer Presseerklärung
vom 23.11. letzten Jahres. Und bietet Liebhabern der Kultsendung auf ihrer Homepage
ein Highlight an: Unter dem Stichwort "Container
Cabinett" kann man in Big-Brother-Manier bestimmen, wer aus
der amtierenden SPD-Regierung als nächster
ausscheiden soll. Spielen Sie mit! Denn
spielen fördert die Kreativität. Auch
die CSU weiss und unterstützt das mit ihrem Webauftritt. Sie bietet den
Klassiker "Die
Bundeskabinettskrise - der nächste bitte!" an.
Doch nicht nur die Opposition ruft
ihre Wähler auf, Partei zu ergreifen. Im
letzten April setzten Bündnis90/Die
Grüne mit der Aktion "E-mail
statt Postkarte" (s. u. Pressemitteilung 04/00) Jürgen Rüttgers
Büro offline. Protestiert
wurde gegen die ausländerfeindliche CDU-Kampagne "Mehr Ausbildung
statt mehr Einwanderung". Aktuelle
Aktion: Per E-Mail
darf der Rücktritt von Josef Miller gefordert werden. Fehlen jemandem die
Argumente - kein Problem! Textvorschlag inklusive.
Spätestens
seit Jesse Ventura
mit Hilfe des Internets Gouverneur von Minnesota wurde, haben auch deutsche
Parteien und Politiker begriffen, welches Instrument sie mit dem Internet in
ihren Händen halten. Und sie geben es nicht mehr her! Die Grünen dürfen
sich rühmen, im Dezember letzten Jahres den weltweit ersten virtuellen
Parteitag veranstaltet zu haben. Täglich über 3000 Besucher lebten
Demokratie online. Natürlich mag die CDU nicht zurückstehen. Sie führte
ihren eigenen Online-Kongress
durch. Neuen Medien sind Programm!
"Vote
for Ute Vogt!" heisst es bei der
ersten deutschen Online-Wählerinitiative! Wie? Einfach ein Foto mit
Namen, Alter, Adresse, Beruf, Begründung "Ich unterstütze Ute Vogt,
weil..." losmailen.
Die ZDF Hitparade ist out. Die Politikerhitparade
in. Aus 16 deutschen Politikerseiten kann man die Tops und Flops wählen.
Oder seinen persönlichen Favoriten auf die Liste setzen. "Hot, hotter,
hottest!" Darunter fallen diese Webseiten:
Im Fanshop
von Gerd Bauer kann man die "Gerd Bauer Team"-Kappe bestellen. Gerade
rechtzeitig zu seiner Kandidatur zum Saarbrücker Oberbürgermeister
am 18. Februar. Cem Özdemirs Website glänzt
mit einer auf schwäbisch
gehaltenen Rede (s. u. ausländisch/schwäbisch). Auf
die Spitze trieb es Heiko Genzel, SPD. Er sicherte sich die Domain des CDU
Kollegen Dieter Althaus und verlinkte direkt auf seine eigene Homepage. Besucher
mussten Fragen wie "Wollen Sie wirklich zu Dieter Althaus?" beantworten. Erst
die Einschaltung eines Anwalts beendete das Ganze.
Es
geht heiss her im Netz. Chats, Foren, interaktive
Umfragen, Fanshops. Alles ist recht, um Wähler auf die Webseiten zu locken.
Polarisierung ist in: Wem die Benzinpreise "stinken", kann auf der Seite der
CDU einen Gutschein gewinnen.
Oder seine Meinung
äussern. Bei Greenpeace
mailen. Gegen alles und jeden. "E-mail statt Postkarte"... Das
haben wir ja gelernt...
Das Internet ist eine feste Größe
in der Wahlkampfkommunikation
geworden. Und die nächste Runde ist eingeläutet. Die Uni Osnabrück
untersucht die Möglichkeiten von "Wahlen
im Internet". Wie
war das noch? 1to1, direkt, hautnah.
Bleiben Sei drin, die Politker zählen auf Sie!
ergänzende LINKS
Big Brother:
Schlingensief
goes Big Brother
Big Brother - die
offizielle Homepage
Politiker im Internet:
www.netzwelt.com
www.vectrum.de
Homepage
Axel Fischer, (MdB CDU) Er verlinkt als einer der wenigen auf die Konkurrenz.
Cyberdemokratie
Bundesweiter Volksentscheid 2001:
Mehr Demokratie
GLOBAL
INTERNET LIBERTY CAMPAIGN
Cluetrain Manifest - Besser bringt niemand die
neue Cyberdemokratie auf den Punkt.
allgemeine Politik-Links
Buchtipp:
Die
virtuelle Demokratie
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