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e-politik.de - Home  Brennpunkt  Internationales   Israel und der Mittlere/Nahe Osten   Syrien


Vater Hafez al-Assad und Sohn Baschar al-Assad

Perestroika in Damaskus? - Teil 1

Autor :  André Wernecke
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 18.08.2001

Der letztjährige Machtwechsel in Syrien gab Anlass zu Hoffnungen auf demokratische Reformen und ein Mitwirken am Friedensprozess mit Israel. Knapp ein Jahr nach Amtsantritt Dr. Baschar al-Assads stellt André Wernecke eine Diagnose über das ´neue` Syrien.


Vorbetrachtungen

Dem Tod Hafez al-Assads´ im Juni letzten Jahres standen viele Syrer mit gemischten Fühlen gegenüber. Einerseits sah man die Chance ökonomischer und demokratischer Fortschritte in einem sich seit 30 Jahren im Stillstand befinden Land , andererseits war der Löwe (arab. Assad) von Damaskus trotz oder gerade wegen seiner diktatorisch geführten Regentschaft ein Garant von Stabilität und Kontinuität.
Zwei Werte, die die Syrer nach einer Zeit zahlreicher Putsche und Machtkämpfe zu schätzen gelernt haben. Und so befand sich der Staat seit 1970 unter Führung des linken Flügels der sozialistischen Partei Baath (arab. Wiedergeburt), sah sich einem massiven Netz von um die Gunst des Potentaten buhlenden Geheimdiensten ausgesetzt, und litt schließlich an einer maroden zentralistischen Rentierstaatswirtschaft.

Besonders provokant ist dann auch noch die Tatsache, dass die gesamte Führung, also Partei, Regierung, Polizei, Militär etc. faktisch der konfessionellen Minderheit der Alawiten obliegt. Diese Gruppierung stellt ca. 15% der syrischen Bevölkerung, deren Großteil, ca. 70 %, sunnitischen Glaubens ist.
Diese Diskrepanz führte oft zu dem Versuch, den Alawiten in groß angelegten Spektakeln islamische Rechtgläubigkeit bescheinigen zu lassen. Die eigentliche Legitimation erkauft sich das Regime jedoch mit Rentenallokationen, soll heißen massiven Staatssubventionen aus Erdöleinnahmen, einer zentral gelenkten Wirtschaft, in der ca. 1½ Millionen Syrer den Staat ihren Arbeitgeber nennen können, und ähnlichen Maßnahmen. Dies erklärt den Stillstand auf allen ökonomischen Ebenen.

Machtkämpfe

Dieser Situation Abhilfe zu verschaffen hat sich nun der Doktor, wie Baschar al-Assad in Anspielung auf seinen eigentlichen Beruf genannt wird, verschrieben.
Dabei schien für den Augenarzt zunächst doch alles klar. Die Erbfolge war geregelt und ganz Syrien hatte keinen Zweifel, dass sein älterer Bruder Basil die Nachfolge antreten werde. Seinem Vater Hafez an Profil durchaus ebenbürtig, war Basil ein "Draufgänger", liebte das Militär, Frauen und schnelle Autos. Ein solches wurde ihm dann auch zum tödlichen Verhängnis.

1994 schien die Zukunft Syriens schien ungeklärt, Baschar wurde kurzerhand vom Medizienstudium aus London abberufen und einem Crashkurs in Staatsführung unterzogen.
Hafez, der die Nachfolge gefährdet sah, unterzog den gesamten Staatsapparat einer umfassenden Säuberung, entfernte mögliche Konkurrenten und unterstellte Baschar dem Schutz einiger Vertrauter wie z.B. Baschar´s Schwager General Assef Shawkat oder Bahjat Suleiman - beide führende Figuren in Geheimdiensten.
Teil dieser Säuberungsaktion war die von Baschar initiierte Anti-Korruptionskampagne, in der auch vor großen Namen nicht haltgemacht wurde. So verlor Premierminister Mahmoud el Zoubi Amt und Parteiposten nachdem er der Unterschlagung bezichtigt worden war.
Dies veranlasste den Politiker (zumindest offiziell), sich zu erschießen.
Ein milderes Ende fand die Karriere des Militärchefs Hikmat Shikabi, der vom Libanon aus nach Los Angeles exilierte.

Die frei gewordenen Posten wurden nun mit Technokraten aus Baschars Umfeld besetzt. Trotz der "Säuberung" gelang es dennoch nicht, alle Schlüsselfiguren der "alten Garde" auszuschalten. Dabei sei besonders Mustafa Tlass, der derzeitige Verteidigungsminister, genannt. Doch stellen Männer wie er weniger eine Gefahr für das Amt Baschars als vielmehr für dessen angestrebte Reformen dar. Nur so lassen sich Äußerungen wie zuletzt beim Papstbesuch erklären. Wirkte es nach außen hin plump, das Leiden der Palästinenser mit der Kreuzigung Jesu zu vergleichen und das Judentum als Schlächter der beiden anderen abrahamitischen Religionen darzustellen, so war es innenpolitisch sicherlich ein stabilisierender Schachzug.
Denn leider sind solch antiisraelische Äußerungen populär in den arabischen Nationen.
Ein so medienwirksamer Auftritt ist selten und sollte Verbundenheit demonstrieren.

Der gefährlichste Gegner Baschars ist jedoch im eigenen Familienkreis anzutreffen. Die Rede ist von Rifaat al-Assad, dem jüngeren Bruder Hafezs, der schon einmal (1983) versuchte, die Macht an sich zu reißen. Er lebt im spanischen Exil und finanziert von dort "Loyalisten", provoziert mit Appellen das Regime und erklärte sich unmittelbar nach dem Tod seines Bruders zum "legitimen Erben". Gefährlich scheint dabei die Popularität, die Rifaat bei großen Teilen der Alawiten genießt. Denn er ist kein Unbekannter und stellt nicht wirklich eine Gefahr für das Fortbestehen der alawitischen Führungsrolle dar. Anders Baschar, ein junger Intellektueller, gewillt, den Staat zu demokratisieren und reformieren.
Auf kurz oder lang sicher ein Prozess, der dem elitären System ein Ende bereiten wird.

Dennoch gelang es Baschar, sich im Präsidentensessel zu halten, ja zu bewähren. Beachtung verdient dabei die schnelle und reibungslose Inthronisierung. Schon wenige Stunden nach dem Tode Hafez al-Assads wurde das in der Verfassung festgelegte Mindestalter von 40 auf 34 Jahre "korrigiert". Ein schnell anberaumter Parteikongress, der erste seit 15 Jahren, nominierte den Kandidaten konkurrenzlos. Ein Plebiszit schließlich kürte Baschar mit 97,7% zum Präsidenten. Die nächste Runde konnte beginnen.

Reformen

Schon in seiner Antrittsrede versprach Assad, sich der maroden Wirtschaft, der Korruption sowie der Einführung neuer Technologien anzunehmen. In der Tat, vor allem der ökonomische Sektor erfuhr beachtliche Veränderungen.
Bereits im August 2000 wurden erste private Banken in der Freihandelszone um Damaskus zugelassen. Ein Gesetz vom März diesen Jahres erweiterte die Regelung und permittierte Privatbanken mit bis zu 49% ausländischem Anteil in ganz Syrien. Der Wert des syrische Pfund wurde am freien Markt orientiert. Es gab Ankündigungen, eine Börse einzurichten. Import- und Devisengeschäfte wurden allgemein liberalisiert. Man bemühte sich, rechtliche Sicherheit für ausländische Investoren einzurichten. Allerdings sei hier erwähnt, dass Kritiker anführen, all das würde nicht wirklich den Filz, die engen Verflechtungen und die Vetternwirtschaft berühren.

Anders die politischen Veränderungen. Jüngst von Kanzler Schröder dafür gelobt, amnestierte Baschar im November letzten Jahres rund 600 politische Gefangene, größtenteils gewaltfreie Dissidenten aus der Bewegung der muslimischen Bruderschaft, die sich gegen die laizistische Führung eines nominell sozialistischen Syriens auflehnt.
Nun gab es Amnestien bereits unter der harten Hand Hafezs, und sie allein wären noch keine Besonderheit. Beachtlich ist hingegen die schleichende Liberalisierung. So wurden wieder erste Denkerclubs und Tischgesellschaften zugelassen.
In dieser Situation wagten die Intellektuellen sogar eine Petition, in der sie politischen Pluralismus und eine Aufhebung des immer noch geltenden Kriegsrechts forderten.
Dies ging den "Altgardisten" dann doch zu weit. Baschar musste die Gesellschaften für gesetzwidrig erklären lassen. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, Internetcafés einzurichten und der Presse größere Freiheiten zu gewähren. Eine Damaszener Satirezeitung wurde zugelassen, die Ausreisekontrolle inländischer wie ausländischer Journalisten durch das Innenministerium fiel im Juli dieses Jahres.

Doch auch hier gibt es Kritiker, die anführen, Baschar würde zwar zivile und politische Liberalisierung unterstützen, jedoch nur soweit sie nicht den Herrschaftsanspruch der Baath-Partei in Frage stellen.
Tatsache ist, dass sich einiges seit dem Machtwechsel getan hat. Ob die Reformen nun tatsächlich der Überlebenssicherung dienen, oder auf eine wirkliche Demokratisierung (momentan nur durch die Altgardisten gebremst) hinauslaufen, ist schwer zu sagen.

Foto: Copyright liegt bei The Syrian Arab Republic/Ministry of Information


Lesen Sie "Perestroika in Damaskus? - Teil 2"


   

Weiterführende Links:
   CNN-Special zum Mittleren Osten



Leserkommentar von AZE
am 19.08.2001
bin begeistert

sehr lehrreich ... ich danke ihnen herr wernecke, dass ich an ihren sehr detailierten und ausführlichen nachforschungen und bertrachtungen teilnehmen und somit mein wissen gravierend erweitern durfte ...

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