Die „Zukunftstechnologie“ Transrapid ist eigentlich ein
alter Hut, das grundlegende Patent 68 Jahre alt. Das Rad-Schiene-System ist
freilich noch älter. Die Modernität einer Technologie ist jedoch kaum daran
zu messen, wann deren Grundlagen gelegt wurden. Eher schon daran, inwiefern sie
den Bedürfnissen und Voraussetzungen der Zeit entspricht.
Strategische Entscheidung für die Schiene
Der entscheidende Todesstoß für den Transrapid kam wohl
schon, bevor ein Prototyp erstmals auf der Hamburger Verkehrsmesse im Jahre
1979 immerhin 50.000 Personen beförderte. Die Weichen waren damals schon für
einen schienengebundenen Hochgeschwindigkeitsverkehr gestellt.
Erst recht in Frankreich, wo der TGV erstmals 1981 fahrplanmäßig verkehrte. Und auch bei der
Konzeption der Transeuropäischen Netze (TEN) setzte man auf die Schiene.
Von vorne herein war die Magnetschwebebahn zumindest in Europa zum Nischendasein
verdammt, obwohl Qualitäten wie große Steigfähigkeit und enge Kurvenradien bei
hohen Geschwindigkeiten und wahrscheinlich hoher Sicherheit unbestritten sind.
Als Vorteile werden auch Geräuscharmut und eine günstige Energiebilanz ins Feld
geführt. Beides gilt aber nur mit Einschränkungen.
Bei Reisegeschwindigkeiten jenseits der 300 km/h verursacht allein der Luftwiderstand mehr Geräusche als ein ICE bei Tempo 200. Letzterer verbraucht auch weniger Energie pro Sitzplatz und Kilometer, wenn man
die jeweils für die Verkehrsmittel typische Reisegeschwindigkeit annimmt. Erst
recht, wenn man den Transrapid so großzügig wie den ICE bestuhlen würde.
Moderne Schienentrassen tragen außerdem der Neigetechnik und modernem Leichtbau
Rechnung und ermöglichen inzwischen engere Kurven und größere Steigungen auch
bei ICE und Konsorten, relativieren also die Nachteile etwas.
Industriepolitik versus Ökonomie
Exemplarisch scheiterte die ursprünglich geplante Strecke
von Hamburg nach Berlin. Nicht, weil die Deutschen technikfeindlich und
rückwärtsgewandt sind, sondern weil sich kein privater Betreiber fand, der die
Strecke auf eigenes wirtschaftliches Risiko betreiben wollte.
Die Bahn war vom Magnetzug abgesprungen, ein Parallelverkehr zum bestehenden Intercity schien
wenig sinnvoll. Unverdrossen suchte man nach Alternativstrecken und wurde in
München und im Ruhrgebiet fündig. Hier wie dort soll der Zug nun ergänzend zum
S-Bahn- und Regionalverkehr fahren. Das jüngst veröffentlichte Gutachten hält
beide Strecken ökonomisch für vertretbar.
Abgesehen davon, dass renommierte Experten das zugrundeliegende Datenmaterial anzweifeln, behauptet das Gutachten
aber auch nicht, dass die Magnetbahn das jeweils sinnvollste Verkehrsmittel
ist. Weder kann sie hier ihre spezifischen Vorteile ins Feld führen, noch taugt
eine isolierte Strecke, um künftige Verkehre zu bewältigen. Wenn es stimmt,
dass die Verkehrsströme massiv zunehmen, müsste eine moderne Verkehrspolitik in
einem dicht besiedelten Land dafür sorgen, dass bestehende Trassen optimal
genutzt werden und Lücken im Bestandsnetz geschlossen werden.
Das gilt nicht zuletzt für den Münchner Ballungsraum. Vorsorglich nannte Minister Bodewig die
Realisierung der Strecken ein industriepolitisches Desiderat. Will heißen: wenn
es vielleicht hier ökonomisch keinen Sinn macht, brauchen wir das Ding, um
damit im Ausland Geschäfte zu machen. Ein fragwürdiges Argument.
China als Vorreiter?
Behauptete man ursprünglich, ohne deutsche Referenzstrecke
sei der Zug unverkäuflich, wurde man vom chinesischen Auftrag freudig
überrascht. In zwei Jahren werden dort unter den für Großprojekte günstigen
Bedingungen eines autoritären Regimes die ersten Züge im Regelbetrieb zum
Flughafen in Shanghai verkehren. Hindernisse aller Art werden wegdekretiert.
Zum Glück fürs Transrapid-Konsortium - macht man sich doch Hoffnungen, dass die
Strecke ins 1200 km entfernte Peking verlängert wird. Weil aber die Rendite für
die deutschen Techniklieferanten dürftig sein wird - Trasse und Fahrzeuge
hauptsächlich vor Ort montiert werden - beharrt man auf einer deutschen
Referenzstrecke.
Man möchte nicht nur „Blaupausen“ wie im Falle Chinas liefern,
sagt Bodewig und hofft auf das große Geschäft andernorts, bloß wo? Selbst
eingeführte Technik wie der ICE 3 lässt sich nicht besonders gewinnträchtig im
Ausland unterbringen. Die Spanier haben sich beispielsweise die Produktion des
Zuges in ihrem Land ausbedungen. Spanien bekommt die Arbeitsplätze, Deutschland
das Prestige.
Hoffen auf Amerika
Dem viel bewunderten Transrapid scheint kein günstigeres
Schicksal beschieden. Zwar interessieren sich die USA für das Projekt: Die
scheidende Clinton-Administration hatte knapp eine Milliarde Dollar an
Subventionen zugesagt, woran auch die Bush-Regierung nichts ändern will.
Aus ursprünglich elf Kandidaten hat man letztlich zwei Flughafenverbindungen in
Pittsburg und zwischen Baltimore und Washington ausgewählt, die um die
Fördergelder konkurrieren. Positive Gutachten aber lassen immer noch auf sich
warten. Die übrigen Projekte sind mangels Bezuschussung in weite Ferne gerückt.
Bangen in Amerika
Das schleichende Ende auch hier? Zumal, wenn man bedenkt,
dass ausgerechnet die 70 Kilometer lange Strecke von Baltimore über den Flughafen nach
Washington auch vom bislang einzigen Hochgeschwindigkeitszug im
Bahn-Entwicklungsland USA befahren wird - wenn auch zwangsgebremst durch die
alten Schienen. Die nationale staatliche Eisenbahngesellschaft Amtrak – selbst
in extremer finanzieller Bredouille, weil der Kongress die Subventionen kappte
- rechnet zumindest, altes Geläuf für 240 km/h fit zu machen - zu Preisen, die
erheblich unter denen für eine Magnetbahn liegen.
Was den Transrapid betrifft, hätte es folglich nicht des
deutschen Zauderns bedurft, um Zweifel in den USA zu säen. Ein Professor für Public Policy an der University of Southern California wird in der Zeitung USA Today folgendermaßen zitiert: “Die hohen Systemkosten verhindern den Einsatz dort, wo privates Geld
investiert werden muss oder wo sich öffentliche Behörden vor dem Wahlvolk
verantworten müssen.“
Da bleibt freilich wenig übrig. Und was Chinas Vorbildfunktion anbelangt antwortete er kühl, China könne dem Westen weder ökonomisch noch sonst wie als besonderes Vorbild dienen.
Foto: Copyright liegt bei Transrapid International - 2001