Tagebuch einer Magisterkandidatin - Folge 16
Autor : e-politik.de Gastautor E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 27.11.2002
Der Mensch lässt sich leicht beeinflussen. Von der Werbung manchmal leichter als von den Eltern, wie Joyce Mariel erleben muss.
Kauf mich!
Manchmal werde ich zum regelrechten Konsumzombie und das trotz bevorstehenden akademischen Weihen. Nicht, dass ich nicht wüsste, wie Werbung funktioniert, und dass hoch bezahlte Experten das Kaufverhalten der Zielgruppe bis ins kleinste Detail analysiert haben. Klar weiß ich das!
Supermodels und Duschreiniger
Und trotzdem renne ich nach einem Werbeblock los und kaufe wie ferngesteuert ein. Dabei bin ich immer in dem Glauben, dass ich genau den nicht klebenden Lipgloss in diesem Farbton unbedingt brauche. Letztes Mal war es sogar noch perfider, denn da hab ich meinen Einkauf gar nicht mehr vor mir selbst gerechtfertigt, was ich wegen meines schwindsüchtigen Girokontos sonst gerne praktiziere.
Nein, vielmehr war in meiner Einkaufstüte plötzlich dieses Putzmittel, um Kalkflecken in der Dusche Herr zu werden. Erst mein Freund Thomas machte mich auf die Existenz dieses Putzmittels in meinem Haushalt aufmerksam. Wie er mich so in meiner Dusche putzen sieht, nimmt er das geheimnisvolle Mittelchen in die Hand und meint: "Hey, ist das nicht das mit dem halbnackten Typen aus der Werbung?" Richtig, ertappt, schuldig im Sinne der Anklage: Ich habe mich von einem duschenden männlichen Supermodel unterbewusst in meiner Konsumentscheidung beeinflussen lassen!
Zu meiner Verteidigung sei gesagt: Mein Unterbewusstsein hat wenigstens Geschmack.
Perfide Beeinflussung
Andere Leute, die mich zur Zeit beeinflussen wollen, gehen etwas weniger perfide vor.
Da ist zum Beispiel mein Kumpel Alex, der Politikstudent aus Erlangen. Er beherrscht es meisterlich, selbstbewusst aufzutreten. So wie bei unserem letzten Telefongespräch, als er mir von seinen Praktika erzählt hat, die er nach seinem Diplom noch machen will. Aus purer Lust an der Bosheit wollte er mir ein schlechtes Gewissen einreden, weil ich für mich selbst noch gar nichts gefunden habe, wo ich zumindest mal befristet unterkommen könnte. Allerdings habe ich seine Pläne geschickt vereitelt, als ich ihn nur gedehnt fragte: " Sag mal, wie lange willst Du eigentlich noch Praktikant sein?" Eins zu Null für mich.
Zukunftsplanung?
Etwas weniger Glück hatte ich bei einem Gespräch mit meiner Mutter, wobei Mütter und die Zukunftsplanung ihrer Kinder ohnehin ein Kapitel für sich sind. Nach einem halbstündigen Gespräch bestanden meine Antworten nur noch aus: "Ja, ich werde promovieren.", "Ja, ich lerne noch Französisch.", "Ja, Russisch lerne ich auch noch.", "Jaja, den Friedensnobelpreis krieg ich auch noch irgendwie hin.", "Ja klar, Du wirst zudem noch siebzehnfache Oma." Da ich Einzelkind bin, wird vor allem letzteres etwas schwierig.
Aber es zeigt sehr schön, wie sinnvoll es ist, wenn Eltern ihre Kinder zu etwas überreden wollen. Entnervt griff ich nach dem Gespräch mit meiner Mum zum Telefon, um Alex anzurufen. Der Anruf kam gerade im richtigen Moment, wie er mir versicherte, weil er nämlich auch richtig gestresst war. Seine Eltern hatten gerade ein ernstes Wörtchen mit ihm geredet und ihm vorgeschlagen, er solle doch promovieren, Französisch lernen usw.
Auf die Motivation kommt es an
Und welchen Schluss ziehen wir daraus? Es ist alles eine Frage der richtigen Motivation. Hält man einem Esel eine Karotte vor die Schnauze, zieht er eine Karre meilenweit. Präsentiert man mir ein duschendes Supermodel, kaufe ich freiwillig Putzmittel, anstatt meine Dusche mit Ignoranz zu strafen.
Jeder kann sich jetzt selbst ausmalen, was man braucht, um mich zu einem Doktortitel, Französisch- und Russischkenntnissen zu bewegen.
Tagebuch einer Magisterkandidatin Folge 15
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