Im Norden der Republik verbinden die Menschen Bayern oft mit der autokratischen Alleinherrschaft einer Partei. Das mag für den Landtag gelten; die politische Landschaft in Gemeinden und Städten ist dagegen vielfältig und die Bürger haben hier im Vergleich zu anderen Bundesländern eine Menge Entscheidungsfreiheit.
Wähler wie zum Beispiel unser Mustermann wählen bei den Kommunalwahlen am Sonntag mit vier verschiedenen Stimmzetteln. Zum einen wird Mustermann über die Zusammensetzung des Gemeinderates entscheiden und einen der Bürgermeisterkandidaten von Exempeldorf ankreuzen dürfen. Außerdem darf er seine Wunsch-Kandidaten für den Kreistag und einen Landrat bestimmen. In großen, kreisfreien Städten gibt es teilweise andere Regelungen. So werden in der Landeshauptstadt München zum Beispiel noch Bezirksausschüsse für die verschiedene Stadtteile gewählt.
Mustermanns wichtigste Stimme
Mustermanns wichtigste Stimme ist sicher die für die Wahl des Bürgermeisters. Dieses Amt ist in der bayerischen Kommunalverfassung mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Der Bürgermeister leitet die gesamte Rathausverwaltung und steht zugleich dem demokratisch gewählten Gemeinderat vor. Er hat also erheblichen Einfluss auf Tagesordnung und Geschäftsgang des Gremiums, das alle wichtigen kommunalpolitischen Entscheidungen beschließen muss.
Ähnlich machtvoll ist der Landrat, der dem Kreistag vorsitzt und gleichzeitig das Landratsamt leitet. Das Landratsamt hat eine Doppelfunktion. Es ist nämlich nicht nur für Kreisangelegenheiten zuständig, sondern gleichzeitig unterste Behörde der Verwaltung des Freistaates. Die Bürger können also direkt den Leiter des Amtes bestimmen, das viele Verordnungen und Gesetze des Landes Bayern letztendlich ausführen muss.
Panaschieren und Kumulieren
Nicht in allen Kreisen und Gemeinden wählen die Bürger am Sonntag Landrat und Bürgermeister. Diese Wahl kann auch unabhängig von den Wahlen für Kreistag und Gemeinderat stattfinden, zum Beispiel wenn ein Bürgermeister während der Amtszeit stirbt, oder eine Affäre seine Karriere beendet.
Wahlfreiheit herrscht auch bei Gemeinde- und Kreisräten. Mustermann muss sich nicht für die Liste einer Partei entscheiden - er darf kumulieren und panaschieren. Er darf also einem Kandidaten bis zu drei Stimmen geben (kumulieren) und diesen "vorhäufeln". Auch Kandidaten auf hinteren Listenplätzen haben so eine Chance auf einen Platz im Gemeinderat oder Kreistag.
Und Mustermann darf seine Stimmen auf die Listen verschiedener Parteien verteilen (panaschieren), sich also aus den Kandidaten aller Listen seinen "Wunschgemeinderat" für Exempeldorf zusammenstellen. Mustermann kann so viele Stimmen verteilen, wie es Plätze im Gemeinderat, beziehungsweise Kreistag gibt.
Schwarz, aber nicht tiefschwarz
Dem Landesamt für Statistik zufolge ist Bayern auch auf kommunaler Ebene schwarz, allerdings nicht so tiefschwarz wie auf Landesebene. Die CSU ergatterte 1996 nur 43,1 Prozent der Stimmen, im Jahr 1990 sogar nur 41,9 Prozent. Bei allen anderen Wahlen in diesem Zeitraum lag sie dagegen über oder nur knapp unter 50 Prozent. Auch die SPD ist schwächer als bei Landtags- oder Bundestagswahlen, die Grünen dagegen sind bei Kommunalwahlen stärker (1996: 6,9 Prozent). Viele Stimmen fallen auf die Parteien unter der Rubrik "Sonstige", im Jahr 1996 ganze 22,7 Prozent.
Hiervon profitieren vor allem die Freien Wähler, die in Bayern sehr stark sind und in vielen Gemeinden sogar den Bürgermeister stellen. Zwar haben die Freien Wähler auch einen Landesverband, über die Teilnahme an den Landtagswahlen gibt es aber innerhalb dieser Gruppierung regelmäßig Streit. Viele Ortsverbände sehen ihren Aufgabenbereich nämlich ausschließlich in der Kommunalpolitik, nicht auf Landesebene. Die Ausrichtung auf die spezifischen Probleme der Gemeinden und Kreise machen es praktisch unmöglich, die Ziele der Freien Wähler in irgendeiner Form zusammenzufassen.
Wählerrüffel während der Amtsperiode
Die Wahlbeteiligung bei den bayerischen Kommunalwahlen sank 1996 mit 67,3 Prozent auf einen historischen Tiefstand. Dazu ist allerdings anzumerken, dass Alois Mustermanns kommunalpolitische Macht mit dem Urnengang am 3. März nicht endet. Auch während der sechs Jahre dauernden Amtsperiode der Bürgermeister und Gemeinderäte, kann er deren Entscheidungen beeinflussen. Seit 1995 können die Bayern ihren Kommunalpolitikern nämlich per Bürgerentscheid direkt ihren Willen aufzwingen. Davon haben sie bis zum Jahr 2000 bereits 508 Mal Gebrauch gemacht und dabei oft die Gemeinderatsmehrheit überstimmt.
Wer am 3. März in Bayern in ein Amt gewählt wird, kann also auch während der sechsjährigen Amtsperiode jederzeit vom Wähler gerüffelt werden.
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