Wahlen in Belgien
Autor : e-politik.de Gastautor E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 16.05.2003
Am 18. Mai 2003 wird in Belgien ein neues Parlament gewählt.
Jüngste Umfragen lassen einen spannenden Wahlausgang erwarten: Wird die amtierende
Regenbogen-Koalition aus Liberalen, Sozialisten und Grünen im Amt bestätigt? Von Wolfgang Fischer
Der 18. Mai 2003 ist Stichtag in Belgien. Nach ihrer ersten Amtszeit stehen
Premierminister Guy Verhofstadt und die von ihm geführte
Regenbogen-Koalition aus sechs Parteien - flämischen und
wallonischen Liberalen, Sozialisten und Grünen- auf dem Prüfstand der belgischen Wähler. Die Bilanz der Regierung ist gemischt,
nicht alle Erwartungen konnten erfüllt werden: Mit der Reform
des Senats und des Wahlrechts, vor allem der Einführung einer
Fünf-Prozent-Klausel, führte die Regierung den bereits seit 1970 laufenden Umbau
des belgischen Staates fort. Auf dem Feld der Haushaltspolitik
konnten die Einnahmen des Staates zwar erhöht und infolgedessen
die Staatsschulden verringert werden. Das Prestigeprojekt aber, die
Durchführung umfangreicher Steuersenkungen konnte die Regierung nur zum Teil verwirklichen. Weitere Entlastungen mussten in die kommende Legislaturperiode verschoben werden.
Themen im Wahlkampf
Steuersenkungen und Arbeitsmarktpolitik, aber auch
Spekulationen um mögliche Koalitionsmodelle waren und sind somit
die bestimmenden Themen des Wahlkampfes, die aber in den
vergangenen Monaten immer wieder in den Hintergrund aktueller
Ereignisse traten, die dann auch die politische
Auseinandersetzung in Belgien bestimmten: Zunächst fokussierte
eine anhaltende kommunale Regierungskrise in Antwerpen die
Aufmerksamkeit, es folgten die Diskussionen um Irakkrieg und
Geflügelpest, schließlich führte der Streit um Nachtflüge in
Brüssel zum Rücktritt von Verkehrsministerin Isabelle Durant
und ihrem Staatssekretär Olivier Deleuze und damit zum Austritt
der wallonischen Grünen-Partei Ecolo aus der Regierungskoalition.
Umfragen: Alles noch offen?
Umfragen wenige Tage vor der Wahl deuten auf einen äußerst
knappen Ausgang hin: In einer Umfrage des Radiosenders VRT
und der Zeitung De Standaard, die allerdings nur Zahlen für die
flämischen Parteien zeigt, liegen Liberale und Christdemokraten
beinahe gleichauf, dicht gefolgt von den flämischen Sozialisten
im Wahlbündnis mit der Bewegung Spirit und dem rechtsradikalen Vlaams Blok. Die flämische Grünen-Partei Agalev kommen nur knapp
über die Fünf-Prozent-Hürde, ebenso wie die flämischen Nationalisten
N-VA.
Die Brüsseler Zeitung Le Soir prognostiziert in einer
Umfrage, die nach dem Koalitionsstreit um die Nachtflüge über
Brüssel durchgeführt wurde, den Grünen sowohl in Wallonien als
auch in Flandern deutliche Verluste. Mit Stimmgewinnen können
hingegen die Liberalen und vor allem die flämischen Sozialisten
rechnen, woraus sich Le Soir zufolge durchaus eine Koalition aus
Sozialisten und Liberalen ergeben könnte, d. h. die gleiche
Koalition wie bisher, allerdings ohne Beteiligung der Grünen.
Kluft zwischen Nord und Süd
Politischer Dauerbrenner in der politischen Auseinandersetzung
Belgiens, und damit auch im Wahlkampf, ist zudem der ewige
Gegensatz zwischen Flandern, dem niederländischsprachigen
Nordteil des Landes, der mit ungefähr 57 Prozent die Bevölkerungsmehrheit
in Belgien stellt. Wallonien, der frankophone Südteil des
Landes, ist mit knapp 32 Prozent der Bevölkerung in der Minderheit.
Dieser Konflikt manifestiert sich seit Jahren nicht nur in kulturellen und
sprachlichen Belangen, sondern auch in Form wirtschaftlicher
Verteilungskonflikte. Gerade die Frage der Finanzierung der
Sozialversicherung liefert immer wieder Stoff für hochbrisante
Auseinandersetzungen zwischen dem wirtschaftlich prosperierenden
Norden und dem von strukturellen Krisen gebeutelten Süden. Dieser
tiefgreifende Gegensatz zwischen Flamen und Wallonen wird auch
diesmal wieder starken Einfluss auf den Wahlausgang haben. Dies
zeigt sich zum einen an den durchaus günstigen Prognosen für
nationalistische und rechtsextreme Parteien: Der offen
separatistisch agitierende, rechtsextreme Vlaams Blok wird seinen
Stimmanteil in Flandern vermutlich weiter ausbauen und auch der
rechtsextremen wallonischen Front National werden bei den
frankophonen Wählern Stimmgewinne vorausgesagt.
Zum anderen
liefert eine Umfrage der Zeitung La Libre Belgique bezüglich der
Akzeptanz eines eventuellen französischsprachigen
Premierministers in Flandern ein weiteres deutliches Indiz für
die tiefe Kluft zwischen den beiden Landesteilen: Für 72 Prozent der
Flamen ist ein frankophoner Regierungschef unvorstellbar. So
können sich nur 34 Prozent der Flamen vorstellen, dass Guy Verhofstadt
auch an der Spitze der neuen Regierung stehen wird. Doch nur ein
einziges Prozent würde den bisherigen Außenminister Louis
Michel als Premierminister akzeptieren. Unabhängig vom Ausgang
der Wahl scheint daher nur eins sicher zu sein: In Belgien stehen
in den Wochen nach dem 18. Mai wieder einmal schwierige
Koalitionsverhandlungen bevor.
Hintergründe zum belgischen Parteiensystem
Weiterführende Links:
Informationen zur belgischen Wahl (niederl.)
Kandidatenlisten, allg. Informationen, Ergebnisse
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