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e-politik.de - Home  Brennpunkt  e-politik.de-Gespräch   Voyeurismus oder Kunst? - Gespräch mit Dominik Wichmann


Dominik Wichmann, Chefredakteur SZ-Magazin

Teil 2 - Ich finde im Schrecken auch das Faszinierende

Autor :  Andreas Bock
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 14.11.2000

Der zweite Teil unseres Gesprächs mit Dominik Wichmann dreht sich um die Wirkung der Bilder auf den Betrachter.


e-politik.de: Worum es mir ging: Ich hatte mich gefragt, wie sich Eltern mit solchen Fotos und so einem Text fühlen. Wissenschaftlich mag es völlig richtig sein, eine Missgeburt als "Laune der Natur" zu bezeichnen. Aber wenn jemand gerade Vater wird, eine Frau schwanger ist oder von ihrem Arzt die Diagnose erhält: ihr Kind leide an einem irreparablen Schaden und sei nicht lebensfähig - wie empfindet so jemand diese Geschichte? Ich denke, der Text macht es sich da zu leicht, von einer "Laune der Natur" zu sprechen - um sich dann wenig später auch über die "ätherische Schönheit" dieser Wesen auszulassen. Man kann es sicherlich so sehen. Aber in diesem Zusammenhang? Es sind tote Föten, Leichen, die ihren Eltern einmal Schmerz und Leid bereitet haben. In diesem Zusammenhang von "Laune der Natur" und "ätherischer Schönheit" zu sprechen finde ich zynisch oder zumindest unsensibel. Und da frage ich mich: Wie kommt ein Autor wie Roger Willemsen dazu, so etwas zu schreiben? Wobei ich mir sicher bin, dass er es sich sehr gut überlegt hat, warum er was schreibt. Der Text ist bestimmt nicht in zwei Stunden entstanden.

Wichmann: Die Länge der Arbeitszeit hat nicht notwendigerweise etwas mit der Qualität des Endergebnisses zu tun. Nur soviel: Willemsen hat daran eine Woche gearbeitet.

e-politik.de: Die Frage an den Chefredakteur, der den Text gegen liest und für gut befindet: Hat es Sie nicht gestört, dass Willemsen in diesem Zusammenhang von "Laune der Natur" und "ätherischer Schönheit" spricht?

Wichmann: Nein, das hat mich nicht gestört. Ich kann mir keinen besseren Text zu diesen Bildern vorstellen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde diese Bilder schrecklich. Gleichzeitig aber finde ich im Schrecken auch das Faszinierende. Ich empfinde sie zum Teil auch ekelhaft, aber sehe im Ekel auch das Faszinierende und das Schöne. Die Bilder erzeugen eine unheimliche Polarität in mir: so sehr ich sie ablehne, so sehr will ich sie auch sehen. Ich verstehe jeden Betrachter, der das empfindet, was Sie gerade beschrieben haben. Mich interessiert die Frage: Warum ist das so? Und Willemsen hat es geschafft, dieses Warum zu erklären.

e-politik.de. Sie haben recht. Die Bilder der toten Föten berühren einen viel mehr, als es der alltägliche Schrecken, der alltägliche Tod tut. Aber diese Föten sind doch gerade nicht alltäglich, sie sind das Besondere. Darum bleibt zumindest der Verdacht, dass es genau darum geht: In einer Welt, die immer mehr abstumpft, das besondere, noch nie dagewesene Grauen zu zeigen.

Wichmann: Nein, darum geht es nicht. Es geht nicht darum, zu sagen, jetzt sind wir alle Voyeure, jetzt zeigen wir Bilder, die es noch nie gegeben hat. Es ist uns nicht um die Sensation, es ist uns um die Diskussion gegangen. Und die wird geführt.

e-politik.de: Willemsen geht in seinem Text auch auf die Geschichte ein, wie mit Missbildungen umgegangen wurde, dass sie in "Abnormitätenschauen" auf Jahrmärkten ausgestellt wurden. Ich denke, grundsätzlich hat sich das nicht geändert: Menschen mit Missbildungen sind auch heute noch "Hingucker" - man schaut sie an. Eine Haltung, die Willemsen kritisiert. Ich weiß nicht, ob die acht Fotos nicht den gleichen Effekt haben wie die "Abnormitätenschau" auf einem Jahrmarkt. Ich weiß nicht, wo der Unterschied sein soll.

Wichmann: Es kann sein, dass dieser Effekt da ist. Der große Unterschied aber ist, dass ein Jahrmarkt von der Sensation lebt. Diese Bilder haben gewiss etwas Sensationelles. Sie erheben aber auch einen künstlerischen Anspruch ­ und lösen diesen ein.

e-politik.de: Geht es nur darum Kunst zu zeigen, oder geht es nicht auch darum, die Gendebatte um die Machbarkeit des Lebens zu problematisieren...

Wichmann: Klar, aber das sagte ich bereits.

e-politik.de: Dass es Missgeburten gibt, und dass sie zum Alltag der Menschen gehören?

Wichmann: Die perfekte Kreation, die durch die Entschlüsselung des genetischen Codes herbei gesehnt wird, gibt es für mich nicht. Das Leben ist launenhaft. Das Werden von Leben ist auch launenhaft. Diesen Bildern gelingt es, Debatten anzustoßen und das mit einer Kraft und Intensität, die ich so selten erlebt habe.


Teil 1 - Wir hatten eine lange Debatte in der Redaktion

Teil 3 - Wir sind alle Voyeure - nur in unterschiedlichem Maß


Foto: Copyright liegt bei der Süddeutschen Zeitung


   

Weiterführende Links:
   Roger Willemsen: Wir alle sind Launen der Natur



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