Geraucht hat’s am Münchner Nockherberg dieses Jahr öfter. Zuerst ging der Salvatorkeller in Flammen auf und dann hat Hannes Burger den Text der obligatorischen Fastenpredigt so lieblos mit metaphorischen Rauchbildern versehen, dass man die satirische Hand – geschweige denn den Zeigefinger - vor Augen nicht mehr sehen konnte. Aber der Reihe nach:
Die umdekorierte Lagerhalle am Nockherberg, machte schnell den (vorläufigen) Verlust des Salvatorkellers vergessen. Die üblichen Verdächtigen aus Bayern und "Umgebung" hatten sich an den Tischen hinter ihren Maßkrügen verschanzt, um sich nach Herzenslust "derbleck’n" zu lassen.
Der Münchner Schauspieler und Kabarettist Gerd Fischer durfte nach seinem Debüt im letzten Jahr auch heuer wieder den Mönch Barnabas verkörpern. Sein Vorgänger war wegen "Inkompatibilität" zu Hannes Burger - dem Schreiber der "Derbleckerpredigt" - von seinem Amt enthoben worden. Gerd Fischer zeigte sich da einsichtiger. Ob das für einen Kabarettist als Kompliment zu gelten hat, sei dahingestellt.
Ein satirischer Rohrkrepierer
Eigentlich wäre genug Stoff dagewesen für eine höchstgradig pointierte und satirische Rede. Was Hannes Burger allerdings daraus gemacht hat, ist peinlich. Belanglos wurden schlechte Pointen aneinandergereiht ("Beim Schröder raucht nicht der Kopf, sondern die Havanna.", "Wird die NATO jetzt Kärnten bombardieren?", "Ein Koch verdirbt den Brei...")
Und dann erwischte man Hannes Burger auch noch bei Sachfehlern. Er führte das Schweigen Helmut Kohls auf Art. 47 des Grundgesetzes zurück. Doch dort heißt es: "Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in der Eigenschaft als Abgeordnete [...] Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern." Kohl ist bei der "Spenden-Affäre" jedoch nicht als Abgeordneter, sondern in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender der CDU verantwortlich. Insofern war die Beobachtung von Herrn Burger nett gemeint, aber letztlich falsch.
Doch schon beim nächsten Satz wurde wieder klar, dass der "Schweigeparagraph" nur als Pointe, nicht als satirische Spitze gedacht war. Burger ließ Barnabas vorschlagen, Guido Westerwelle solle doch auch öfter von diesem Schweigerecht Gebrauch machen. Im Kern mag das vielleicht richtig sein, satirisch gesehen war der Vorschlag, einem Politiker den Mund zu verbieten, jedoch genauso sinnvoll wie einem Hirntoten zum Geburtstag zu gratulieren.
Und so hangelte sich Gerd Fischer von einer leeren Pointe zur nächsten, stolperte über die vielen Feuermetaphern ebenso, wie über die vielen Belanglosigkeiten. Das Angela Merkel ihr Büßerhemd unter ihrer Kleidung vielleicht als Reizwäsche für Edmund Stoiber trage, oder dass dieser zwar für alles zuständig aber für nichts verantwortlich sei, waren noch die schärfsten Beobachtungen, die Bruder Barnabas von der Kanzel herunterbetete.
Er schloss mit einem ebenso "faden" Zurück-zur-Sachpolitik-Schlußwort, bei dem er daran erinnerte, dass Politiker auch nur Menschen seien und Fehler machen: "Der Asche ist genug gestreut."
Was ein satirisches Feuerwerk hätte werden können, entpuppte sich als apologetisches und CSU/CDU-naher Rohrkrepierer. Die Affären und Skandale wurden nur gestriffen, die Verantwortlichen milde behandelt. Den Mund hat sich hier niemand verbrannt. Eine Rede mit niedrigem Unterhaltungswert aber dafür ohne politische Aussagekraft. Doch ehrlich gesagt, wer hätte etwas anderes erwartet?
Kasperltheater
Die Reaktionen waren gemischt: Während sich FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber begeistert zeigten ob der "wunderbar pointierten" und "schlagfertigen Rede", titulierten SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt und Bundesinnenminister Otto Schilly die Veranstaltung als "säuselnder Wind" und "Kasperletheater".
... doch noch ein kleines Highlight
Die folgende obligatorische Politikerparodie – diesmal mit dem Titel: "OASE NOCKERBERG" (geschrieben und komponiert von Münchener Kabarettisten wie Ulli Bauer, Holger Paetz und Christian Springer) war dagegen wesentlich unterhaltsamer. In dieser bittersüßen Parodie auf die Oase Bayern inmitten einer großen Politikwüste überzeugten die herrlich überdrehten Texte genauso wie die parodierenden Schauspieler oder die musikalischen Einfälle.
Ulli Bauer als Effendi Udelin (Christian Ude - Oberbürgermeister aus München) oder Michael Lerchenberger als Sultan Stoiber rührten zu Lachtränen. Genauso gelungen war die Premiere von Angela Merkel, die als die "bezaubernde Angie" (dargestellt von Corinna Duhr) erstmals das Licht des Nockherbergs erblickte: "Ich bin die Ossibiene mit der Pokermine". Komödiantische Highlights waren zum einen der ewig unterwürfig kriechende "GrüßGottOnkel" Staatsminister Erwin "Hadschi" Huber (gespielt von Norbert Eckner) und das Kartenspiel zwischen dem Jäger der verlorenen Opposition Schröder und Sultan Stoiber.
Die Lieder der einzelnen "Politgrößen" wurden zum wahren Pointengewitter. Ob Renate Schmidt (Veronika von Quast) zur Melodie von "Great Balls Of Fire" "Ich geh in Rente" sang, oder ob Fakir Joscha Fischka versuchte mit einem Schlaflied aus dem "Dschungelbuch" die böse grüne Schlange zu hypnotisieren – jedesmal waren Witz und Timing auf demselben Niveau wie die politische Aussage dahinter. Die Schlußbeobachtung der Kabarettisten fiel dann im Gegensatz zum Fazit der Rede von Hannes Burger auch entsprechend ehrlich aus. Im großen Finale sangen die Politiker im rückhaltlosem "Aufklärungs-Gospel-Song": "Wir sind alle kleine Sünderlein! War immer so! Warum sollen wir uns ändern, wir zeigen uns in Bußgewändern, stecken ein paar Prügel ein, doch morgen werden wir wie immer sein. War immer so!"
Der Starkbieranstich 2000: Insgesamt ein netter unterhaltsamer Vormittag. Mehr nicht.
Aber mehr wäre bei diesem zum Selbstzweck erhobenen "politischen Event" auch verwunderlich gewesen.