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e-politik.de - Home  Kultur & Politik  Politischer Film   Archiv: Der Politische Film   Die Stille nach dem Schuss


Filmplakat - Die Stille nach dem Schuss

Die Stille nach dem Schuss - die RAF als Spaßguerilla?

Autor :  Tamir Sinai
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 01.10.2000

Volker Schlöndorffs "Die Stille nach dem Schuß" ist jung, frisch und aktionsgeladen. Die RAF darf man endlich als die heroischen Großstadtdesperados darstellen, die sie in den Augen von Schlöndorff wohl schon immer waren. Tamir Sinai widerspricht.


Robin Hood oder die Tragik der RAF

Der Film verfolgt das Leben der von Bibiana Beglau hervorragend gespielten Rita Vogt, die ihrem Geliebten Andi (Harald Schrott) aus Lust und Laune in den RAF Untergrund folgt. Dabei wird der Bankraub zum lustigen Großstadtspiel, das ‚enteignete‘ Kleingeld kurzerhand einem Penner in den Hut geworfen. Kurzum, die RAF als Spaßguerilla, Ideologie nur störendes Intermezzo.

Nach den Pflichtstationen Libanon und Ostberlin, wo der erste Kontakt zum Stasi-Oberst Erwin Hull (Martin Wuttke) zu Stande kommt, geht es in die konspirative Wohnung in Paris. Dort erschießt Rita dann einen Polizisten, der sie nur auf die, für einen Guerilla lästige, Helmpflicht hinweisen will. Das Pariser Pflaster wird zu heiß, also ab in den Schutzhafen DDR und in die Arme der Stasi. Rita ist aber inzwischen zu viel mit dem Untergrundleben beschäftigt, ihr Andi schläft längst mit einer Anderen, also bittet sie weinend um den Ausstieg.

Ein ‚neues‘ Leben mit einer ‚neuen‘ Identität beginnt im sozialistischen Arbeiterparadies. Dort genießt sie den praktizierten Kommunismus, ganz zur Befremdung ihrer neuen Arbeitskollegen, die bei so viel Idealismus nur ungläubig den Kopf schütteln. Doch der Bruch mit der Vergangenheit mag nicht gelingen. Das Westfernsehen, was ja scheinbar überall geschaut wurde, sendet Fahndungsfotos, die Rita als Terroristin zeigen und sie somit in die Realität ihres wirklichen Daseins zurückreißen. Abermals der gezwungene Bruch und eine neue Stasi-Deckidentität. Rita bleibt den Film über durchweg das Opfer, selbst als sie endlich die wahre Liebe in dem Studenten Jochen (Alexander Beyer) findet, wird dieser letzte Hoffnungsschimmer der Normalität jäh durch die Geschichte zerschmettert.

Die Mauer fällt, die RAF-Terroristen sind nun Freiwild für die ‚wiedervereinigte‘ Volkspolizei. "Die Stille nach dem Schuß" endet mit Ritas heroischen Motorradritt in den sprichwörtlichen Sonnenuntergang – von Kalaschnikovgarben niedergestreckt – ein tragisches Ende für ein tragisches Leben.

Die verpaßte Chance

Ein spannendes Thema, Deutsche Nachkriegsgeschichte vom Feinsten. Doch leider wird Schlöndorff seinem Anspruch auf gesellschaftliche Relevanz des Filmes nicht gerecht. Die RAF bleibt als Objekt in einer verklärten und romantischen Anschauung. Der Film bleibt durchweg oberflächlich und setzt sich nur ansatzweise mit den beiden Problematiken auseinander, die die BRD Nachkriegsgeschichte geprägt haben, der feindliche Bruderstaat und der Terrorismus.

Der Grundfrage ob man seine Ideale anderen mit der Waffe aufzwingen darf, erteilt er keine klare Absage. Für Schlöndorff sind die Terroristen "Helden", die "aus schierem Altruismus ihr Leben für eine Sache einsetzen" und werden somit für ihn, wie er im Interview mit e-politik.de sagte, zu "den wahren Motoren dieser Gesellschaft".

Angesichts wachsenden Terrors von rechts eine gewagte Aussage in einem demokratischen Rechtsstaat, möchte man meinen. Doch Schlöndorff winkt ab: Es bestehe ja keine Nachahmungsgefahr, Terrorismus ist keine "ansteckende Krankheit" und Rechts-Terrorismus wäre ja eh eine ganz andere Sache.

Und hier liegt das Problem. Schlöndorff verniedlicht die politische Gewalt und entzieht sich gleichfalls jeglicher moralischen Verpflichtung. Wenn er noch in der "Verlorenen Ehre der Katharina Blum" den Gegenterror des ‚Bild‘-Staates anprangerte, und damit einen kulturell relevanten Beitrag zur Lage in der BRD lieferte, ist heute auch für ihn der kommerzielle Erfolg entscheidend.

Doch Terrorismus kann nicht nur als Aufhänger für einen Schlöndorff-Aktionsfilm hergenommen werden. Er muss, vor allem nach dem schmerzlichen Kapitel ‚Deutscher Herbst‘, deutlich als Form der politischen Auseinandersetzung verurteilt werden. Die Unterstützung der Terroristen als Stellvertreterkämpfer durch die DDR ist ein Tatbestand des staatlich unterstützten Terrorismus von Deutschen gegen Deutsche, beides ernste Themen, die behandelt werden müssten, jedoch nicht in der lapidaren Art wie es in "Die Stille nach dem Schuß" erfolgt. Somit kommen bei Schlöndorff beide, die RAF und die DDR, zu gut weg. Die RAF ist eine, vom rechten Pfad abgekommene Spassguerilla, Baader dreht sich im Grab herum, die Viett ist sauer und der Geschichte wird in keinem Falle Recht getan.

Das Ergebnis ist folglich ein, in seiner Aussage, problematischer RAF-Film und ein skurriler Einblick in den DDR Alltag. Er verpasst die Chance sich mit diesen hoch interessanten Themen glaubwürdig und eventuell auch abschließend auseinanderzusetzen. Zugute muss man ihn halten, dass es nicht langweilig wird, gerade das große Leinwand-Debüt der Bibiana Beglau ist überzeugend. "Die Stille nach dem Schuß" ist ein abgerundeter Actionthriller, der aber die zugrundeliegende Thematik nicht in der ihr gebührenden Schärfe und Brisanz ausspielt. Da fehlt der Mut und das Kaliber.


   

Weiterführende Links:
   e-politik.de-Interview: Volker Schlöndorff
   Website zum Film



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