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Die Prag-Tagebücher, Folge 7

Autor :  e-politik.de Gastautor
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 18.04.2002

Wenn einer eine Reise tut... Studentin Joyce Mariel berichtet für e-politik.de von ihrem Erasmus-Studium in Prag. Ein kleines elektronisches Tagebuch.


Liebe Fangemeinde,
Neuigkeiten von der Sprachfront: langsam sollte der größte Unsinn prämiert werden, der hier in einer Fremdsprache verzapft worden ist. Deutsche Studenten können sich nicht an den Unterschied zwischen "guilty" und "valid" gewöhnen, deshalb rollt jetzt eine Prozesswelle über das Land. Angeklagt und für schuldig befunden worden sind Busfahrkarten, Metrotickets, Zugtickets, Visa und ähnliches. Allerliebst war auch ein Franzose. Der Gute spricht ein wirklich passables Deutsch mit einem charmantem Akzent. Letztens war er der einzige Nicht-Deutsche in einem Café. Wir hatten uns gerade darüber unterhalten, was wir bestellen (Espresso, Cappucino) und haben ihn gefragt, was er haben möchte. Antwort Antoine: "Isch? Oh, isch ´abe eine Latte."

Führend in der Kategorie Tschechisch für Ausländer bin ich. Ich frage Schaffner, wohin der Zug nach Kutna Hora fährt. (Ja, und wie lange dauerte der dreißigjährige Krieg?), ich spreche Frauen mit "Jungfrau" und nicht mit "Frau" an (Latein ist schuld: pan Havel heißt Herr Havel, für meine Sprachreflexe heißt es pana und nicht pani Havlova), ich kaufe Herren statt Brot (selbes Problem: pan heißt Brot auf Spanisch, ich habe es mit chleb verwechselt) und ich frage meinen Konversationspartner ohne mit der Wimper zu zucken, ob er heute Nachmittag lieber draußen sterben will. In unserem Wohnheim muss man bei der Pförtnerin den Schlüssel für die Waschküche abholen, wenn man Wäsche waschen will. In Unkenntnis des Wortes "Waschküche" wollte ich ihr einfach klar machen "Ich muss waschen, kann ich bitte den Schlüssel haben ?" Dumm nur, dass ich die falsche Vokabel für "waschen" benutzt habe. So stand ich vor unserer Pförtnerin und meinte "ich muss mich waschen (was lacht die denn so blöd?), bitte, ich muss mich waschen". Wenigstens weiß ich jetzt erstens, was Waschküche heißt (pradelna) und habe zweitens eine neue Freundin, die mich immer mit selbst gebackenen Weihnachtsplätzchen verwöhnt.

Deutsch, Schwedisch und Gaelic

Auffallend sind meine plötzlichen Anfälle, Deutsch zu sprechen. Ok, ihr macht das auch öfter. Aber nicht mit Leuten, von denen ihr wisst, dass sie definitiv kein Deutsch sprechen. Ich teile mit einer Schwedin mein Zimmer und mit zwei Irinnen die Wohnung. Weil wir vier uns gut verstehen, gibt es natürlich viel zu bereden - auf Englisch. Für kurze Augenblicke sind mir die drei dann so vertraut, dass ich Sätze auf Deutsch beginne. Wenigstens geht das "meiner Schwedin" so ähnlich. Die Irinnen hingegen schweben nur in linguistischen Paralleluniversen, wenn sie getrunken haben. Auf der grünen Insel wachsen kleine Paddys und Marys nämlich quasi zweisprachig auf; ab der primary school lernen sie neben Englisch auch Gaelic. Essentielle Dinge wie "Ran an den Mann!" haben sie der Schwedin und mir schon beigebracht. Eines Abends hatte also meine schwedische Mitbewohnerin Karolina eine nicht mehr ganz nüchterne (ok, schwer angeschlagene) Irin namens Frances im Arm, die fröhlich Gaelic plapperte. Karolina hat versucht, sie heil nach Hause zu bringen. Was hier nicht so einfach ist. Der Weg in unser Wohnheim ist lang und es ist eisig, rutschig und kalt - sehr kalt.

Was Tschechen nicht zu stören scheint, jedenfalls werden die Röcke bei diesem Wetter auch nicht länger. Irgendwelche Anmerkungen zum Thema Kälte werden mit einem verständnislosen "schließlich ist es Winter" beantwortet. Da sollte man sich etwas zum Kuscheln suchen. So wie meine neue Bekannte Elli. Sie pflegt hier intensiv nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien, will heißen sie ist mit einem Tschechen namens Radek zusammen. Dumm ist nur, dass sie zwar wahrlich passables Tschechisch spricht (wenn man bedenkt, welche Fallstricke diese Sprache bietet, siehe oben), er aber kein gutes Englisch und ganz wenig Deutsch. Aber die beiden bemühen sich um verbale Kommunikation und irgendwie scheint es zu klappen. Und ihr Freund hat sich außerdem schon gut an die Tradition unserer allgemeinen babylonischen Sprachverwirrung angepasst. Letztens meinte er nämlich fröstelnd zu ihr "Elli, ich bin Winter!"



Zur Folge 6 der Prag-Tagebücher

Foto: Copyright bei Joyce Mariel / e-politik.de


   


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