Dienstag, früher Abend: Der Vortragssaal des Völkerkundemuseums in der Maximiliansstraße ist überfüllt. Das typische Publikum der Gesellschaft für Auslandskunde ist anwesend - alles eher etwas ältere Semester. Aus Beifallskundgebungen an den entsprechenden Stellen lässt sich auch gleich die politische Ausrichtung erkennen: konservativ, schwarz und weiß-blau eingefärbt.
Der alte Schlachtruf - Freiheitliche verhalten sich nicht politisch korrekt
Smart ist Riess-Passer auf alle Fälle. Sie wirkt dynamisch, tritt im roten Kostüm auf und wird geradezu anbiedernd von einem Staatssekretär der bayerischen Regierung begrüßt.
Die österreichische Vizekanzlerin redet auch nicht lange um den heißen Brei herum: Die Keule des Politisch-Korrekten bezüglich der Europapolitik sei nicht zulässig.
In Europa dürfe es nur gleichberechtigte Staaten geben, das Konzept einer europäischen Avantgarde lehnt Riess-Passer ab.
Schlechte Aussichten für den Konvent
Die Debatten um den Vorsitzenden des Konvents, seine Bezahlung und seine Dienstwohnung, dies alles seien schlechte Vorzeichen für Europas potentielle Verfassungsväter. Auch der Verlauf der ersten beiden Sitzungen, in denen lediglich die Geschäftsordnung und Prozessuales abgehandelt wurde, lasse befürchten, dass der Konvent zu einer Wiederholung der Regierungskonferenz in Nizza im Dezember 2000, also zu einer Enttäuschung, führe.
Zudem habe Giscard d'Estaing bei einem Besuch in Wien mitgeteilt, dass sich der Zeitplan, Abschluss der Beratungen im März 2003, nicht einhalten lasse. Skepsis sei also angebracht und Österreichs Vizekanzlerin hat nur geringe Erwartungen an den Konvent. Daran lässt sie auch in ihrer Sprache keine Zweifel: "Ein Sammelsurium von über 100 Leuten" arbeite in einem "babylonischen Sprachengewirr."
Aus der Traum! Österreich will ein Europa der Nationen
Die EU dürfe nur ein Europa der Nationen sein, ein Bundesstaat oder ein Superstaat kommt nicht in Frage. Auch dürfe die Europäische Union kein Souverän werden, der Sanktionen verhängen könne. Nicht nur hier zeigten sich Übereinstimmungen mit der Europakonzeption der bayerischen Staatsregierung. Weitestgehend übernahm Österreich auch die genuin bayerische Forderung nach Respektierung der Subsidiarität. Wien scheint also tatsächlich in seiner Europapolitik auch die bayerischen Interessen wahrzunehmen, nicht Berlin.
Die Klientel wird bedient
Zum Schluss brennt Riess-Passer ihr rhetorisches Finale ab. Kritik an der fehlgeschlagenen Strukturpolitik der EU, der obligatorische Seitenhieb gegen Frankreich: "Verglichen mit der französischen Politik ist die italienische recht sauber."
Darüber hinaus müsse ein "Subsidiaritätsgerichtshof" der EU gebildet werden, da der Europäische Gerichtshof durch seine Rechtssprechung immer mehr Kompetenzen bei der EU ansiedle. Auch Kommissare sollten einem Eignungstest oder einem Concours unterzogen werden.
Dann kommt der unvermeidliche Exkurs zu den Benesz-Dekreten als menschenrechtswidrige Bestimmung. Ein Thema, das in Bayern und Österreich für Quote sorgt. Die FPÖ habe ihren Regierungspartner in dieser Sache auf den rechten Weg zurückgebracht. So lange Tschechien nicht die Dekrete offiziell abschaffe, sei auch kein EU-Beitritt möglich, sagt Riess-Passer.
Abrechnung mit der sozialistischen Hegemonie
Susanne Riess-Passer spürt Morgenluft: Die sozialistische Hegemonie in Europa sei im Abnehmen. Ihr jüngster Besuch in Italien habe ihr die Notwendigkeit gezeigt, dass auch die Konservativen ihre Kräfte bündeln müssten - die Linken hätten das auch immer geschafft.
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