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Norman Finkelstein: Die Holocaust-Industrie

Norman Finkelstein zur Diskussion

Autor :  Stefanie Scharf
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 10.02.2001

Norman Finkelstein vertrat bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der deutschen Veröffentlichung des Buches "Die Holocaust-Industrie" seinen umstrittenen Standpunkt. Stefanie Scharf hat zugehört.


7. Februar 2001, Berlin, in der Urania:
Die Stimmung ist gereizt am Kassenschalter. Verzweifelt wiederholt die Dame hinter der Scheibe, dass ganz bestimmt keine Karten mehr für die Podiumsdiskussion mit Norman Finkelstein zu haben seien. Innerhalb kürzester Zeit wurden über 1000 Karten verkauft, ein Interesse, das für eine Buchvorstellung mitnichten üblich ist. Die Atmosphäre ist sehr angespannt, schon beim Einlass entbrennen die ersten Wortgefechte zwischen Befürwortern und Gegnern Finkelsteins.

Robin Hood der Holocaust-Überlebenden

Zu Beginn der Podiumsdiskussion stellt Norman Finkelstein kurz seine Thesen vor: Die Jewish Claims Conference deklariert sich als Vertreterin der Opfer des Holocaust, um sich systematisch an den Entschädigungszahlungen an Überlebende zu bereichern. Dies diskreditiert die Opfer und erzeugt geradezu zwangsläufig einen neuen Antisemitismus. Darum muss die Holocaust-Industrie stillgelegt werden.
Finkelstein fühlt sich als Märtyrer. Er will den Juden ihre Würde zurückgeben und den Deutschen ihr Geld: "Der gute Wille der Deutschen wird manipuliert und ausgebeutet". Auf die Frage, ob er denn nicht die Gefahr sehe, dass sein Buch antisemitische Tendenzen verstärken könnte, bleibt Finkelsteins Antwort sehr dünn. Er verweist hier auf das Recht eines jeden, die Wahrheit zu erfahren, auch wenn es eine unbequeme Wahrheit ist. Man dürfe Tatsachen nicht vertuschen, denn gerade diese Geheimniskrämerei forciere Antisemitismus.

Der Historiker Peter Steinbach, Teilnehmer des Podiums, erinnert sehr richtig daran, dass dieser Ruf nach der Wahrheit fatal an die Proklamation von Tabubrüchen aus rechten Kreisen erinnert. Sein Eintreten für die Täter führt Finkelstein fort, indem er die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage stellt: "Was die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit angeht, ist Deutschland den USA um Lichtjahre voraus. [...] Es gab noch andere Verbrechen in der Geschichte. Das Diktum von der Einzigartigkeit des Holocaust ist geistiger Terrorismus."
An solchen Stellen wird Finkelstein immer durch bestätigenden Applaus des Publikums unterstützt, nur vereinzelt hört man Buhrufe.

Niveau der Debatte niedrig

Insgesamt bleibt die Diskussion oberflächlich. Finkelstein wiederholt monoton seine Behauptungen und antwortet auf kritische Nachfragen nur mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten oder dem Hinweis, er erhielte volle Unterstützung durch die Überlebenden des Holocaust.
Fast vollkommen ausgeklammert wird der erste Teil der "Holocaust-Industrie", in dem vor allem der politische Einfluss jüdischer Eliten in den USA beschrieben wird. Finkelstein fasst dies in einem Aufsatz zusammen: "Nach dem Junikrieg 1967 wurde Israel zu einem wichtigen Verbündeten der USA. [...] Als natürlicher Vermittler zwischen der US-Regierung und ihrem ´strategischen Trumpf` im Nahen Osten konnten jüdische Eliten nun auch in die innersten Machtzirkel der USA eindringen. Um Kritik abzuwehren, ´erinnerten` sich die amerikanisch-jüdischen Eliten an den Holocaust der Nazis; er wurde, ideologisch neu besetzt, zu einer machtvollen Waffe."
Hier wird deutlich, dass Finkelstein weniger eine Analyse der politischen und kulturellen Prozesse als vielmehr ausschließlich eine Entlarvung der "Holocaust-Industriellen" betreiben will. So kommentierte der Historiker Michael Brenner schon das Erscheinen der amerikanischen Ausgabe mit den Worten:
"Die Holocaust-Industrie ist eine grandiose pathologische Studie - über ihren Autor."

Eklat am Ende

Kurz vor dem Ende der Veranstaltung stehen einige Menschen auf und entrollen Transparente mit der Aufschrift "Deutsche Täter sind keine Opfer".
Ein Raunen geht durch das Publikum. Besonders laut ist das Raunen oben links im Publikum: zwei Männer stehen auf, einer von ihnen zeigt den Hitlergruss und sie skandieren die NPD-Parole "frei, sozial und national". Das Publikum reagiert schnell. Unter schallenden "Nazis-raus" - Rufen werden die Rechtsextremen von der Polizei abgeführt. In seinem Schlusswort äussert sich Norman Finkelstein nicht zu diesem Vorfall.

Nach der Veranstaltung unterhalten sich zwei Männer, während sie ihre Jacken von der Garderobe holen. "Mensch, diese NPD-Trottel. Jetzt wo wir so viele Leute hinter uns hatten, müssen die mit ihrem Haudrauf-Faschismus wieder alles kaputt machen."
Finkelsteins Thesen werden von der Rechten instrumentalisiert, sei es durch Vorfälle wie diese oder die Veröffentlichung von Teilen seines Buches in der "Jungen Freiheit". Von seiner Seite fand in dieser Diskussion keine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Beifall von falscher Seite statt. Und das ist ihm vorzuwerfen.


   

Weiterführende Links:
   Norman Finkelstein im Internet



Leserkommentar von Gerald Hensel
am 18.02.2001
Freisprechen?

Es ist die typische schwarz-weiß Weltsicht, die hier propagiert wird. Kein Mensch will, dass mit Finkelsteins Buch, die Nazi-Schrecken verharmlost werden. Nur wenn Falsches zum Nachteil der Opfer geschieht, dann muss darüber berichtet werden.

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