Das Bild haut ins Auge: der bärtige Multimillionär mit den sanften Gesichtszügen und der Kalaschnikow in der Hand. Er lächelt, umschließt mit seiner langen Hand den Abzug, zielt auf den linken Bildschirmrand und drückt ab. Der Rückstoß seiner AK-47 lässt ihn nur kurz erzittern. Drei, vier Schüsse, dann legt der Bärtige seine Waffe nieder. Er lächelt wieder, scheint zufrieden, bis zum nächsten Anschlag. Darunter leuchtet der CNN-Bildstreifen: ?Americas New War".
Hollywood und Heiliger Krieg
?Fortsetzung folgt" könnte auch dort stehen, denn die Berichterstattung zu den Terroranschlägen gleicht einer SAT1-Film-Film-Reihe: Von Anfang an dabei und fast keine Folge verpasst. In den ersten Tagen sogar ohne Werbung. Gespannt wartet der Krisenfaszinierte vor der Mattscheibe auf den Gegenschlag im Reality-TV: Wo steckt es nur, das turbantragende Monster?, fragt er sich und zappt durch die Kanäle. Zudem flimmert überall das gleiche Storyboard in die heimischen vier Wände: Gut gegen Böse, texanischer Cowboy jagt saudi-arabischen Outlaw, Demokrat hetzt Tyrann. Vermutlich hätte Hollywood das Drehbuch nie genommen: Zu deutlich die Klischees, zu simpel die Geschichte, zu offen das Ende.
Für die selbsternannten Experten in Film und Fernsehen, in Rundfunk, Internet und Tageszeitung, für die Konzelmanns, Tibis und Scholl-Latours sind solche Bilder ein Geschenk. ?Natürlich ist der Islam eine kämpferische Religion", tönt dann auch Peter Scholl-Latour in der ARD-Talkshow dem geschickt fragenden Michel Friedmann entgegen. Und weiß nicht einmal, was er damit anrichtet. Während der Rest der Welt versucht, einem drohenden militärischen Konflikt auszuweichen, zündet der im Kameralicht glänzende Scholl-Latour die nächste Bombe: Das Bild des feindseligen Moslems, des allseits bereiten Fundamentlisten, des im Namen seiner Religion zu allem, selbst zum Tode, bereiten Glaubenskämpfers.
Suggestion statt Journalismus
Er vermischt die im ARD-Archiv beinah verstaubten, in der Dramatik der Ereignisse hastig aneinander geschnittene Bilder mit Suggestion, mit Angst, mit Aktualität. Ob absichtlich oder nicht, er nährt eine nicht erst in den vergangenen Tagen entstandene Islamphobie. ?Nicht nur faschistisch oder rassistisch angehauchte Franzosen blicken mit schlimmen Ahnungen auf die Masse, die wegen ihres religiösen, kompromisslosen Engagements im Sinne des Koran weder integrierbar noch assimilierbar ist", plaudert er kenntnisreich in seiner TV-Reihe ?Das Schwert des Islam" aus dem Off. Das war vor zehn Jahren, erster Sendetermin: 6. Januar 1991. Aber selbst wenn es für einen Scholl-Latour kaum zu glauben ist, auch der Islam hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weiter entwickelt.
Trotzdem: Ein Jahrzehnt später werden sie wieder angeworben, die Spezialisten. Schützenhilfe bekommen Sie heute von denen, die sich selbst bei renommierten Blättern für eine Schlagzeile à la ?Terror-Krieg gegen Amerika" nicht zu schade sind. Und von denen die lieber einen bunten Titel layouten, als das Bild zurecht zu rücken. Da ist er wieder, der bärtige Schurke mit buschigen Brauen. In die Quelle der Demokratie hat er geschissen, der Lump. Mitten rein ins sichere Nest der freien Welt. Das haben sie nun davon, die heiligen Krieger, dass sie jetzt die Drohnen jagen.
Zum Dossier über die Terroranschläge in den USA