Natürlich strahlt auch das iranische Staatsfernsehen die furchtbaren Bilder von New York sofort aus und die Attacken sind Thema Nummer Eins, jedoch beschränkt sich die permanente Darbietung der Sensation auf die auch im Iran via Satellit zu sehenden Westprogramme. Ein paar Iraner folgen im liberalen Norden Teherans dem was sie in diesen Programmen sehen, und entzünden Kerzen auf der Straße.
Der Ausbruch anti-amerikanischer Kundgebungen bleibt aus, obwohl das leerstehende Gebäude der ehemaligen amerikanischen Botschaft von Aufschriften wie etwa „USA is great evil" geziert wird (Das Regime hatte nach 444 Tagen Belagerung und Geiselhaft der
Botschaftsangehörigen durch Sympathisanten der iranischen Revolution das Botschaftspersonal 1981 vertrieben). Wenig verwunderlich, denn man trifft kaum einen Iraner, der nicht Verwandte in Nordamerika oder in Europa hat, beziehungsweise eine Greencard ablehnen würde.Neben dieser reformwilligen und offenen Linken, gibt es jedoch nach wie vor eine systembedingt mächtige Rechte. Von dieser wird dann auch schließlich die Lichterkette in Teheran abrupt und mit Schlagstöcken beendet.
Nicht nur der auf Reform bedachte Präsident Khatami schloss sich der weltweiten Entrüstung und Betroffenheit an, sondern auch die Mullahs verurteilten die Anschläge beziehungsweise den Terrorismus allgemein und „sympathisierten" sogar „mit der amerikanischen Nation". Soviel überraschende Töne aus dem – nach Madeleine Albright – „state of concern" veranlassten dann auch die USA die Haltung des Irans explizit lobend zur Kenntnis zu nehmen.
Selbst um die Entwicklung in naher Zukunft scheint sich keiner ernsthafte Sorgen zu machen, obwohl sich der Iran eine knapp eintausend Kilometer lange Grenzlinie mit Afghanistan teilt. An militärische Kooperation mit den USA ist trotz Reformwillen nicht zu denken, und Pakistan hat ja diese Rolle als weiterer Anrainer Afghanistans bereits übernommen. Auch an afghanische Flüchtlinge ist der Iran bereits gewöhnt: Gute drei Millionen afghanische Einwanderer leben bereits im Iran. Zur Tagesordnung braucht jedenfalls nicht zurückgekehrt werden, denn die wurde nie verlassen.
Dominik Scheible ist Diplomphysiker, er arbeitet als
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München.
Zum Dossier über die Terroranschläge in den USA