Das ist die Stärke von Clintons Initiative: Sie stellt nicht nur eine "echte" Lösung in Aussicht, sondern verlangt von Israelis und Palästinensers zudem auch gleich schwere Opfer. Sie steht darum nicht im Verdacht, die eine Seite auf Kosten der anderen zu bevorzugen. Das aber ist zugleich auch ihre fundamentale Schwäche: Die Zugeständnisse, die Clintons Friedensplan von Premier Barak und PLO-Chef Araft verlangt, berühren die Grundfesten des israelischen und palästinensischen Selbstverständnisses.
Das ungeteilte Jerusalem wie auch das "heilige Land" westlich des Jordans sind nicht nur für orthodoxe Juden Essentiale des Staates Israel. So einfach war es darum für Barak nicht, auf Clintons Vorschlag einzugehen.
Noch am ersten Januar-Wochenende erklärte Barak, dass Jerusalem als Ganzes Bestandteil des Staates Israel sei und bleibe.
Umso überraschender seine jetzige Bereitschaft, Clintons Initiative zuzustimmen. Schließlich demonstrierten noch im alten Jahr mehr als 200.000 Juden gegen eine mögliche palästinensische Souveräntität über Jerusalem.
Nicht besser die Situation Arafats: mit seinem Okay würde er 3,7 Millionen Palästinensern "ihr " Recht auf Rückkehr absprechen – neben der Staatsgründung, die zweite wichtige Grundfeste von Al Fatah und PLO. Eine dritte Intifada, nun allerdings gegen Arafat und seine Getreuen, wäre als Reaktion da durchaus denkbar.
Die Spur der Ablehnung
Bereits am 26. Dezember hatte Arafat in einem Schreiben an Clinton betont, dass die Rückkehr von 360.000 palästinensischen Flüchtlingen, die heute im Libanon ohne Bürgerrechte leben, Priorität habe. Die arabische Liga schloss sich dieser Auffassung beim Treffen der Außenminister am 4. Januar in Kairo nicht nur an, sondern erklärte das Rückkehrrecht zum "heiligen Recht" der Palästinenser.
Nach Auffassung der "Palastinian National Authority" verstößt Clintions Vorschlag durch die Anerkennung der verbleibenden israelischen Siedlungen im Westjordanland zudem gegen die Resolutionen 242 und 338 des UN-Sicherheitsrates.
Yasser Abed Rabbo, palästinsensicher Informationsminister und Leiter des palästinensischen Verhandlungsteams, betonte noch am 6. Januar, dass "the Palestinian side is not interested in signing any document only for the sake of rendering a service to Barak's re-election campaign".
Und daran hat sich bis dato nichts geändert.
Die Rückkehr zur alten Rhetorik
Die Palästinenser sind damit zur Rhetorik der Konfrontation zurückgekehrt: dass man die Zukunft nur zum Preis der Vergangenheit haben will. Steif und fest beharren die Palästinenser und auf den überkommenen Prinzipien eines palästinensischen Staates, den die legitimen Rechte des anderen nicht interessieren.
ABER: Sowenig Israel Frieden finden kann, ohne den Staat Palästina anzuerkennen, sowenig werden die Palästinenser jemals einen eigenen Staat erhalten, ohne auf die Befindlichkeiten Israels einzugehen.
In nuce: kein Nehmen ohne Geben!
Kein "Frieden jetzt", dafür bald Krieg?
Die Friedensinitiative ist gescheitert. Was umso ärgerlicher ist, da Arafat mit seinem Festhalten an der Konfrontation dem Frieden auf Dauer schadet – und dem Hardliner Ariel Scharon nutzt.
Die Spirale der Gewalt dreht sich auch im neuen Jahr weiter. Auf Steine folgen Kugeln folgen Bomben folgen Raketen... Je schneller und aggressiver sich diese Spirale dreht, umso größer werden die Chancen auf einen Wahlsieg von Scharon am 6. Februar. Seit er mit seinem Besuch der Esplanade des Tempelbergs – begleitet von einer Kuhorte schwer bewaffneter Soldaten – die zweite Intifada auslöste, läßt er keine Gelegenheit aus, die Unmöglichkeit eines Friedensabkommens zwischen Israelis und Palästinensern zu betonen. Und sollte es doch noch zu einem solchen kommen, hat Scharon bereits vorsorglich angekündigt, dass er es als Premier augenblicklich wieder außer Kraft setzen würde.
Liegt die Lösung des Nahost-Konflikt am Ende tatsächlich im Zynismus: dass erst ein neuer, blutiger Krieg die Bereitschaft für Frieden schafft? Ja, solange die Palästinenser in die Vergangenheit blicken um dort die Vorgaben für die Zukunft zu finden.
Dabei hat Jassir Araft selbst die Formel für den Frieden bereits im April 1983 vorgegeben. Als er sich mit König Hussein von Jordanien traf, obwohl dieser 12 Jahre zuvor für den Tod von mehr als 10.000 Palästinensern verantwortlich war, erklärte Arafat: "Im Interesse der Zukunft haben wir die Vergangenheit vergessen!"
Foto: Copyright liegt bei The Office of the President of Palestine
Teil 1: Krieg oder Frieden? – Die alte neue Frage im Nahen Osten
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