Karl-Rudolf Korte (Hrsg.): Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Autor : Bert Große E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 28.11.2002
Ein junges Autorenteam um den Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte legt eine Analyse der Großen Regierungserklärungen deutscher Bundeskanzler vor. Bert Große hat sie gelesen.
Große Regierungserklärungen zu Beginn einer Legislaturperiode gelten als wichtiges Führungsinstrument des Bundeskanzlers. Die Regierung erläutert in ihnen erstmals vor Öffentlichkeit und Opposition die Ziele der Amtsperiode. Sie dienen der Zielverständigung der Koalitionspartner, der inneren Disziplinierung von Kabinett und stützender Parlamentsmehrheit und natürlich der inhaltlichen Abgrenzung zum politischen Gegner. Erstaunlich, dass ein so bedeutendes politikwissenschaftliches Forschungsfeld bisher nahezu unerschlossen war. Das Autorenteam hat diese Lücke jetzt geschlossen.
Der Versuch, die Regierungserklärungen in ihrer Entstehung, Zusammenarbeit der Beteiligten und zeitgeschichtlichen Situation zu analysieren, kann als gelungen bewertet werden. In überschaubaren, gut lesbaren Aufsätzen entsteht ein geschlossenes Bild der Antrittsreden der Bundeskanzler.
Theorie und Empirie
Der Sammelband unterteilt sich in drei Abschnitte, im ersten, theoretischen Teil gehen die Autoren auf Stellenwert und Funktion von Regierungserklärungen ein.
Schwarze/Walther widmen sich dem Entstehungsprozess von Regierungserklärungen, sie untersuchen Aufgabenbereich, Arbeitsweise und Position der politischen Redenschreiber in Form von qualitativen Interviews.
Van den Berg/Vagt liefern abschließend einen quantitativen Vergleich der Regierungserklärungen seit 1949. Die Autoren arbeiten heraus, dass die Themen Wirtschafts- und Finanzpolitik, Inneres und Äußeres, sowie das Selbstverständnis der jeweiligen Regierung die häufigsten Politikfelder darstellen.
Der zweite Abschnitt bietet die Analyse der jeweiligen Regierungserklärungen von Adenauer bis Schröder (1998). Das konsequente Forschungsdesign ermöglicht dem Leser den Vergleich. Die Analyse fragt nach zeitgeschichtlicher Situation, untersucht den Entstehungsprozess der Rede, zeigt Selbstverständnis der Regierung, Schwerpunkte und Konfliktlinien ihres Handelns auf und nennt die Konfliktpotentiale in Kabinett, Fraktion und Partei. Der Blick auf die Medienresonanz zur Regierungserklärung rundet jede Untersuchung ab.
Im dritten Abschnitt werden die Reden der Bundestagsprotokolle dokumentiert, was dem Leser jederzeit den Vergleich zur Analyse ermöglicht.
Spannende Zeitgeschichte
Die Autoren schließen mit ihrer Untersuchung eine Lücke in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Seine spezielle Spannung bezieht der Band durch den Blick auf die Redenschreiber, die Autoren hinter den Kulissen. Da die Antrittsreden der Bundeskanzler jeweils den Beginn einer politischen Epoche der Bundesrepublik darstellen, ist das Buch auch als historisches Dokument interessant.
Negativ fällt die penetrant häufige Selbstzitierung des Herausgebers auf. Weniger wissenschaftliche Eitelkeit wäre hier mehr gewesen.
Fazit: Gelungene Spezialuntersuchung mit hohem Unterhaltungswert.
Korte, Karl-Rudolf, (Hrsg.), "Das Wort hat der Herr Bundeskanzler." Eine Analyse der Großen Regierungserklärungen von Adenauer bis Schröder
Westdeutscher Verlag, Wiesbaden, 2000, 479 S.
34,90 Euro
ISBN 3-531-13695-X
Copyright des Bildes liegt beim Westdeutschen Verlag
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