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e-politik.de - Home  Brennpunkt  Internationales   Israel und der Mittlere/Nahe Osten   Eskalation im Nahen Osten


Grafik von T. Chafik

´Wir leben von Anschlag zu Anschlag`

Autor :  Timour Chafik
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 01.04.2002

Am Osterwochenende ist die Gewalt im Nahen Osten weiter eskaliert. Timour Chafik sprach mit Jonathan Fighel, Direktor des Institute for Counter Terrorism (ICT) im israelischen Herzliya über Anti-Terrormaßnahmen und die Gewaltspirale in Nahost.


e-politik.de: Herr Fighel, was bewegt einen 20jährigen dazu, sich in die Luft zu sprengen?

Jonathan Fighel: In erster Linie das Märtyrertum, gewachsen aus dem Zusammenspiel dreier Säulen: Dem ideologischen Willen, Israel und die USA zerstören zu wollen. Darauf trifft ein gesellschaftliches und ökonomisches Umfeld, das dieser Ideologie einen fruchtbaren Nährboden bereitet. Dann fügen Sie eine radikalisierte Auffassung von Religion hinzu, deren oberstes Ziel es ist, als Märtyrer in das Paradies einzuziehen.

Das Profil eines dem ICT bekannten Terroristen hilft, dies zu verdeutlichen: zerrüttete Familienverhältnisse, aufgewachsen ohne Vater und damit der einzige Ernährer der Familie. Zudem in einem sozioökonomischen Umfeld groß geworden, das alles andere als radikalen Ideen abträglich ist...

e-politik.de: ... was klischeehafter kaum sein könnte. Dem Werdegang dieses Klassikers gegenüber steht die Person des Mohammed Atta: gebildet, studiert, smart und unauffällig

Fighel: Und genau das ist unser momentanes Problem: Vor dem Anschlag auf die Twin-Towers wurde das Profiling nach den von Ihnen als „Klischee“ benannten Persönlichkeitsmerkmalen erstellt. Danach kamen weitere Variablen dazu. In erster Linie ist dies die Nutzung der gutbürgerlichen, friedfertigen Fassade zur Schaffung eines Ruhe- und Organisationsraumes. Wie sich die Gewichtung zwischen den drei Säulen verschoben hat ist noch nicht erkennbar. Das herauszufinden, ist unsere Hauptaufgabe.

e-politik.de: Wie soll ich dabei als Individuum auf Terror angemessen reagieren?

Fighel: Seien Sie rational und ziehen Sie Ihre eigene, private Konsequenz! Niemand schreibt Ihnen vor, wie Sie zu handeln haben. Aber beginnen Sie, die Landkarte des Terrors rational zu lesen: Nach einem Anschlag in Düsseldorf können Sie auch in München weiterleben. Leben Sie weiter, aber seien Sie sich immer der Gefahren bewusst, auch wenn Polizei und Nachrichtendienste Ihnen den Großteil der Arbeit abnehmen werden. Es gibt keine Bunker, keine Hamsterkäufe, keine Katastrophenübungen; wir befinden uns nicht im Zweiten Weltkrieg und nicht im Kalten Krieg. Sie müssen Ihre Psyche in den Griff bekommen, sich so gut wie möglich vorbereiten und erklären. Erklären Sie Gründe und Konsequenzen des Terrorismus.

e-politik.de: Gleichzeitig werden, um Normalität wieder herzustellen, die Mittel und Rechte des Einzelnen grundlegend verändert, auch beschnitten.

Fighel: Keine Frage: antiterroristische Maßnahmen offenbaren ihr freiheitsberaubendes Charakteristikum. Polizei und Staat schränken unsere Bewegungsfreiheit ein ...

e-politik.de: ... mit dem Effekt, eine permanente Alarmbereitschaft herbeizuführen ...

Fighel:... nicht 24 Stunden am Tag, man muss die Phantasie nicht überstrapazieren, aber ansonsten: ja, die Bevölkerung ist in Alarmbereitschaft. Schauen Sie: Die derzeitige Situation in Israel ist nicht nur unlogisch, sie ist geradezu unmenschlich, im Moment leben wir von Anschlag zu Anschlag. Aber selbst in diesem Paradoxon zerbricht die israelische Gesellschaft nicht. Vor zwei Jahren hätte ich auf ihre Frage, wie wir unter diesen Umständen weiter existieren könnten, geantwortet: „Gar nicht, Israel wird dem nicht standhalten“. Ebenso wenig hätte ich vor dem 11. September geahnt, dass die US-amerikanische Gesellschaft derart qualifiziert und sachlich reagieren würde. Denn trotz ihrer Ängste und trotz der Terrorwarnungen zeigt sich in den Amerikanern eine Gemeinschaft mit einem unbändigen Lebenswillen. Oder Sie richten Ihren Blick im Vergleich dazu wieder nach Deutschland: Wie hat die deutsche Gesellschaft unter der Roten-Armee-Fraktion und den Angriffen der Baader-Meinhof-Gruppe gelebt?

e-politik.de: Der Vergleich hinkt: Hier terroristische Angriffe auf Zivilisten in einem Einkaufszentrum, dort Attentate auf Politik und Wirtschaft.

Fighel: Durchaus, dennoch: Erinnern Sie sich an die immense gesellschaftliche Bedrohung. Und letztendlich ist nicht Deutschland, sondern die andere Seite siegreich aus dem Kampf hervorgegangen.

e-politik.de: Besteht nicht auch in Israel die Gefahr, sich mit dem Phänomen des Terrorismus zu arrangieren?

Fighel: Sie müssen mit dem Terrorismus leben, ihn nicht akzeptieren, sondern ihn bekämpfen. Und sich gewissermaßen mit ihm auch arrangieren. Bis zu dem Punkt, an dem eine Form der politischen Übereinkunft getroffen werden kann. Was bleibt Ihnen bis dahin übrig? Nicht mit Terrorismus leben hieße automatisch, ihm den Weg zu ebnen. Soll ich als Israeli etwa sagen: „Glückwunsch, der Sieg ist Euer, ich packe meine Sachen und gehe zurück nach Europa“? Im Gegenteil, unser Wille ist ungebrochen. Eine Nation, die sechs Millionen Tote durch systematische Vernichtung zu beklagen hat, wird sich durch den Terrorismus nicht auseinanderdividieren lassen.

Grafik: Copyright liegt bei www.cia.gov und Institute for Counter Terrorism. Montage: T. Chafik


   

Weiterführende Links:
   Das ganze Interview im Wortlaut (PDF-Format)
   Institute for Counter Terrorism



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