Übereinstimmende Ziele, ähnliche Mittel und doch total verschieden?
Bei der Problemdefinition stimmen alle Parteien überein: Lehrerstellenmangel, Unterrichtsausfall, Oberstufenreform, Hochschulreform und Studiengebühren. Einig ist
man sich, dass "Bildung, Bildung, Bildung" (FDP) die Devise der nächsten Legislaturperiode sein muss. Dass das nur über eine weitergehende Verringerung der
Unterrichtsausfälle, der Einführung einer "verlässlichen Halbtagsschule" (SPD), der Einführung von Fremdsprachenunterricht in Grundschulen, dem Start einer
"Multimedia-Offensive" (SPD) und dem Absolvieren eines "Internet-Führerscheins" (CDU) zu erreichen ist, darin ist man sich ebenfalls lückenlos einig. Auch die
genannten Zahlen ähneln sich. So fordert die SPD 5.000 neue Lehrerstellen in der kommenden Legislaturperiode, die CDU verspricht 5.500. Natürlich wird um diesen
Kern von Forderungen das übliche Zahlenspiel betrieben, in dem die CDU zu beweisen versucht, dass die Landesregierung alle Forderungen der Opposition schon
angegangen hat und auf dem richtigen Weg sei, während Vogt das Zahlenmaterial bemüht, um die katastrophale Bildungspolitik von Schavan bloßzustellen.
Doch der Wähler fragt sich zurecht nach den politischen Unterschieden, wenn doch die Probleme gemeinsam erkannt und auf verblüffend ähnliche Weise gelöst werden
sollen Die Antwort darauf bleiben die Parteien ihren potenziellen WählerInnen schuldig.
Allenfalls in der Hochschulpolitik findet sich ein Zankapfel
Die Regierungsprogramme der beiden großen Parteien lassen nur in der Hochschulpolitik und bei der Oberstufenreform wirkliche Differenzen erkennen. So setzt Vogt
auf eine Aussetzung der schon verabschiedeten und umgesetzten Oberstufenreform und will den Schülern mehr Wahlmöglichkeiten, die Leistungskurse betreffend,
anbieten. Die CDU dagegen plant möglichst schnell sogenannte "Schnellläuferklassen" einzuführen, in denen man nach 12 Jahren sein Abitur in der Tasche hat.
Ein weiteres Terrain, das zumindest erhebliche Differenzen erkennen lässt, ist die Hochschulpolitik. Zwar verfolgen SPD und CDU wieder dieselben Ziele, diesmal
jedoch mit anderen Mitteln. So verspricht die SPD zunächst die eingeführten Langzeitstudiengebühren wieder abzuschaffen und die Hochschulen aus den Fesseln des
Wissenschaftsministeriums zu befreien ("echte Autonomie"). Die CDU dagegen setzt auf Wettbewerb und möchte eine Evaluierungsagentur aufbauen, die die
Leistungsfähigkeit der Hochschulen offen legt. Wer von beiden das zukunftsfähigere Konzept hat, sei angesichts der z.T. schwammigen Ziel- und
Umsetzungsdefinitionen dahingestellt.
Jedenfalls ist zu resümieren, dass erschreckend wenige Differenzen in der geplanten Bildungspolitik zwischen Erwin Teufel und Ute Vogt erkennbar sind - und das bei
dem bestimmenden Wahlkampfthema.
Da drängt sich der Verdacht auf, dass die Meinungsforschungsinstitute ein weiteres Rechenexempel mit in ihre Koalitionsspekulationen mit aufnehmen sollten: Die
ungeliebte große Koalition. Die Bildungspolitik stellt sich nur dar als inhaltlicher Schaukampfplatz, auf dem die Innovations- und Politikfähigkeit von Vogt und Teufel
samt ihrer Glaubwürdigkeit gegeneinander ausgespielt werden soll.