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e-politik.de - Home  Forschung & Lehre  Für Studenten   Tagebuch einer Magisterkandidatin


Tagebuch

Tagebuch eines Magisterkandidaten - Folge 3

Autor :  Redaktion e-politik.de
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 01.08.2002

Joyce Mariel erzählt in einer weiteren Episode welchen Tücken sie als Magisterarbeit-Schreibende begegnet - auch im Schwimmbad


Kühles Nass und heiße Flirts

Neulich unter der Dusche habe ich einen Blick auf meinen Bauch gewagt und wurde schneeblind. Zurück aus der Augenklinik beschloss ich, etwas für meine gesunde Hautfarbe zu tun. Das Wetter war traumhaft und so machte ich mich auf ins nächste Schwimmbad, um dort Texte für meine Magisterarbeit zu exzerpieren. "Irgendwo werde ich schon ein ruhiges Plätzchen finden", dachte ich mir - naiv wie ich war. Denn was jetzt begann, war eine Reise nach Jerusalem mit meinem Badehandtuch.
Vielleicht ist der Deutsche an sich heikel, wenn es darum geht, seine Sommerfestung mit Handtuch, Sonnenschirm und Kühltasche zu besetzen. Ob Strand, Hotelpool oder Liegewiese im Schwimmbad um die Ecke; sein Refugium zu finden und abzustecken besitzt für den gemeinen Germanen ungefähr so viel Tragweite wie seinerzeit die Kultivierung des Wilden Westens für amerikanische Siedler.

Ruhige Lektüre?

Also ließ ich mich nach sorgfältiger Überlegung neben einer Frau nieder, die dort alleine in einem Buch las. Ich meinerseits packte "Parteien in Osteuropa" aus und begann mit meiner Arbeit. Wenig später stellte sich heraus, dass die lesende Frau nur die Vorhut einer Armee von jungen Müttern war. Ungefähr 15 Minuten später stießen 4 weitere Frauen mit ihren Kleinen dazu und der Trubel begann: im nu war mein ruhiges Plätzchen voll von Kinderwagen, Sonnenschirmen, Keksen, Bananen, Ratgeberbüchern, Batiktüchern, Schwimmflügeln und unterschiedlichen Kinderklamotten. Die Kleinen begannen, fröhlich zu brabbeln und ebenso fröhlich mit ihrem mitgebrachten Spielzeug aufeinander einzuschlagen. Aber daraufhin schlug eine viel heftigere Macht zurück: das Klischee!

Doppelnamen

Seit einigen Jahren gilt das Viertel, in dem ich wohne als trendy. Normalerweise wirkt sich das äußerst positiv durch die hohe Kneipendichte aus. Aber so wie es scheint, haben auch junge Familien den Wert dieser Gegend entdeckt. Und so ließen sich einigermaßen vermögende Eltern vom Typ "Ich möchte meinem Leben einen Sinn geben und dabei meine natürliche Bestimmung nicht vergessen" in der Nachbarschaft meiner Wohnung und meines Handtuchs nieder. Woher ich das weiß? Ausnahmslos alle Kleinkinder um mich herum trugen komische Doppelnamen. Die circa zweijährige Marie-Sophie hatte dabei noch verdammtes Glück gehabt, obwohl sich der gleichaltrige Frederick-Valentin gerade én detail für ihre Anatomie zu interessieren begann. Als zuständiger Standesbeamter hätte ich bei der Ausstellung der Geburtsurkunde Karl-Valentin vorgeschlagen; schließlich sind wir hier in München!

Nach einer Weile machten sich die Kleinen unter der Aufsicht einer Mutter auf den Weg zum Baby-Becken und das Ticken der biologischen Uhren um mich herum wurde leiser. Drei Mütter blieben zurück und begannen, sich angeregt über das gesundheitliche Befinden ihrer Lieblinge zu unterhalten. Als das Gespräch bei den Farbschattierungen der Windelvermächtnisse angekommen war, beschloss ich angewidert zu gehen.

Das Phänomen Liebe

Außer Hörweite der Super-Glucken waren die Bedingungen für konzentrierte Fachliteratur-Lektüre wieder optimal - bis die Schulglocken in der Nähe läuteten und das Schwimmbad noch voller wurde. Pubertierende Mittelstufler zu beobachten gehört zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, seitdem Wachstumshormon-schwankungen mein Gesicht nicht mehr in eine Mondlandschaft verwandeln.
Und die nun folgenden Szenen ließen mich wieder meiner Leidenschaft frönen. Da erörterten zwei Dreizehnjährige das Phänomen Liebe mit einer Ernsthaftigkeit, die mich schon fast als Spätzünder dastehen ließen. Aufatmen konnte ich allerdings, als ich folgenden Satzfetzen aufschnappte: "Letztes Mal hat er mich so süß gegrüßt, ich glaube, er liebt mich." Und bald ließen auch gleichaltrige Adonisse mit erstem Bartflaum und Ghettoblaster nicht auf sich warten. Dumm nur, dass sie sich bald für meine Anatomie zu interessieren begannen, wie ich an ihren Äußerungen bemerkte. Das nächste Mal packe ich mir den praktischen Ratgeber "Kastration für Anfänger" in meine Badetasche.
Vielleicht kann ich dann endlich in Ruhe arbeiten.


   

Weiterführende Links:
   Tagebuch einer Magisterkandidatin Folge 2



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