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( Artikel-Nr: 1810 )
Tagebuch einer Magisterkandidatin
Tagebuch eines Magisterkandidaten - Folge 3
Autor : Redaktion e-politik.de
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Joyce Mariel erzählt in einer weiteren Episode welchen Tücken sie als Magisterarbeit-Schreibende begegnet - auch im Schwimmbad
Kühles Nass und heiße Flirts
Neulich unter der Dusche habe ich einen Blick auf meinen Bauch gewagt und wurde
schneeblind. Zurück aus der Augenklinik beschloss ich, etwas für meine
gesunde Hautfarbe zu tun. Das Wetter war traumhaft und so machte ich mich auf
ins nächste Schwimmbad, um dort Texte für meine Magisterarbeit zu
exzerpieren. "Irgendwo werde ich schon ein ruhiges Plätzchen finden",
dachte ich mir - naiv wie ich war. Denn was jetzt begann, war eine Reise nach
Jerusalem mit meinem Badehandtuch.
Vielleicht ist der Deutsche an sich heikel, wenn es darum geht, seine
Sommerfestung mit Handtuch, Sonnenschirm und Kühltasche zu besetzen. Ob
Strand, Hotelpool oder Liegewiese im Schwimmbad um die Ecke; sein Refugium zu
finden und abzustecken besitzt für den gemeinen Germanen ungefähr so
viel Tragweite wie seinerzeit die Kultivierung des Wilden Westens für
amerikanische Siedler.
Ruhige Lektüre?
Also ließ ich mich nach sorgfältiger
Überlegung neben einer Frau nieder, die dort alleine in einem Buch las. Ich
meinerseits packte "Parteien in Osteuropa" aus und begann mit meiner Arbeit.
Wenig später stellte sich heraus, dass die lesende Frau nur die Vorhut
einer Armee von jungen Müttern war. Ungefähr 15 Minuten später
stießen 4 weitere Frauen mit ihren Kleinen dazu und der Trubel begann: im
nu war mein ruhiges Plätzchen voll von Kinderwagen, Sonnenschirmen, Keksen,
Bananen, Ratgeberbüchern, Batiktüchern, Schwimmflügeln und
unterschiedlichen Kinderklamotten. Die Kleinen begannen, fröhlich zu
brabbeln und ebenso fröhlich mit ihrem mitgebrachten Spielzeug aufeinander
einzuschlagen. Aber daraufhin schlug eine viel heftigere Macht zurück: das
Klischee!
Doppelnamen
Seit einigen Jahren gilt das Viertel, in dem ich wohne als trendy. Normalerweise
wirkt sich das äußerst positiv durch die hohe Kneipendichte aus. Aber
so wie es scheint, haben auch junge Familien den Wert dieser Gegend entdeckt.
Und so ließen sich einigermaßen vermögende Eltern vom Typ "Ich
möchte meinem Leben einen Sinn geben und dabei meine natürliche
Bestimmung nicht vergessen" in der Nachbarschaft meiner Wohnung und meines
Handtuchs nieder. Woher ich das weiß? Ausnahmslos alle Kleinkinder um mich
herum trugen komische Doppelnamen. Die circa zweijährige Marie-Sophie hatte
dabei noch verdammtes Glück gehabt, obwohl sich der gleichaltrige
Frederick-Valentin gerade én detail für ihre Anatomie zu
interessieren begann. Als zuständiger Standesbeamter hätte ich bei der
Ausstellung der Geburtsurkunde Karl-Valentin vorgeschlagen; schließlich
sind wir hier in München!
Nach einer Weile machten sich die Kleinen unter
der Aufsicht einer Mutter auf den Weg zum Baby-Becken und das Ticken der
biologischen Uhren um mich herum wurde leiser. Drei Mütter blieben
zurück und begannen, sich angeregt über das gesundheitliche Befinden
ihrer Lieblinge zu unterhalten. Als das Gespräch bei den Farbschattierungen
der Windelvermächtnisse angekommen war, beschloss ich angewidert zu gehen.
Das Phänomen Liebe
Außer Hörweite der Super-Glucken waren die Bedingungen für
konzentrierte Fachliteratur-Lektüre wieder optimal - bis die Schulglocken
in der Nähe läuteten und das Schwimmbad noch voller wurde.
Pubertierende Mittelstufler zu beobachten gehört zu meinen
Lieblingsbeschäftigungen, seitdem Wachstumshormon-schwankungen mein Gesicht
nicht mehr in eine Mondlandschaft verwandeln.
Und die nun folgenden Szenen
ließen mich wieder meiner Leidenschaft frönen.
Da erörterten zwei Dreizehnjährige das Phänomen Liebe mit einer
Ernsthaftigkeit, die mich schon fast als Spätzünder dastehen
ließen. Aufatmen konnte ich allerdings, als ich folgenden Satzfetzen
aufschnappte: "Letztes Mal hat er mich so süß gegrüßt, ich
glaube, er liebt mich." Und bald ließen auch gleichaltrige Adonisse mit
erstem Bartflaum und Ghettoblaster nicht auf sich warten. Dumm nur, dass sie
sich bald für meine Anatomie zu interessieren begannen, wie ich an ihren
Äußerungen bemerkte. Das nächste Mal packe ich mir den
praktischen Ratgeber "Kastration für Anfänger" in meine Badetasche.
Vielleicht kann ich dann endlich in Ruhe arbeiten.
Weiterführende Links:
Tagebuch einer Magisterkandidatin Folge 2: beitrag.cfm?beitrag_ID=1753
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