Die Sorge vor dem Rückzug
In Europa machen sich zwei Sorgen mit großer Regelmäßigkeit immer dann bemerkbar, wenn sich die Amerikaner einen neuen Präsidenten zugelegt haben. Hauptsächlich fürchtet man, der neue Präsident verstehe zu wenig von Weltpolitik generell und deshalb könnten sich die USA aus der Welt und besonders aus Europa zurückziehen.
Auch wenn es manchmal nicht so scheint, fürchtet man in den Hauptstädten Europas - inklusive Paris -, ohne die Amerikaner nicht auskommen zu können. Ohne die stabilisierende Hegemonialmacht Amerika, so die Argumentation, könne man seine großen und kleinen Sicherheitsprobleme nicht lösen und werde sich am Schluss gar selber wieder in die Haare bekommen.
Die Logik dieser Schlussfolgerung mal dahingestellt, ist die Sorge vor einem amerikanischen Rückzug unbegründet. Die Amerikaner, genauer das "foreign policy establishment", aus dem sich das außenpolitische Team von jedem Präsidenten zusammensetzt, haben diese vorgebliche "Lektion" der beiden letzten Weltkriege mindestens genauso tief verinnerlicht wie die Europäer. Sie werden sich weder aus der Welt, noch aus Europa verabschieden.
Weiterhin sorgt die Tendenz der Amerikaner, in Abwesenheit von großen weltpolitischen Ereignissenn außenpolitisch unbeleckte "Governors" zu ihren Präsidenten zu wählen, für Unbehagen. Auch dies ist kein Grund zur Panik.
Seit Richard Nixon war Bush Sr. der einzige Präsident, der nicht direkt aus einer "Governors Mansion" ins Weiße Haus kam. Gerade Clinton, den die Europäer nun so vermissen, war es schließlich, der Bush Sr. vor 8 Jahren veranschaulichte, dass man Wahlen daheim gewinnt. Auch der neue Präsident hat das Potential "am Amt zu wachsen".
"Learning on the Job - but fast"
Allerdings wird er das schneller tun müssen als Clinton. Wenn man ihm etwas vorwerfen kann, dann, dass er sich zu spät um die Außenpolitik gekümmert hat. Das war 1993/94 und das Resultat war das Desaster in Bosnien inklusive einem in der breiten Öffentlichkeit leichtfertig unterschätztem transatlantischem Hauskrach.
Heute ist mehr Eile geboten als 1993. Die wichtigstem anstehenden Entscheidungen sind:
- Das geplante "mini-SDI" oder auch "National Missile Defense" (NMD). Hier muss sehr bald eine folgenreiche Grundsatzentscheidung getroffen werden, wollen die Amerikaner NMD bis 2005 einsatzfähig haben. Dies ist der Zeitpunkt zu dem Nordkorea laut CIA fähig sein wird, das amerikanische Festland mit Nuklearwaffen zu erreichen.
- Die Zukunft der "Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität", besonders in Form der sich im Aufbau befindlichen Krisenreaktionskraft der EU.
- Die Krise der Welthandelsorganisation und der hiermit eng zusammenhängen Handelstreit zwischen den USA und der EU.
Hinzu kommen kleinere Konflikte, wie der sich anbahnende Krach um die vornehmlich von den Amerikanern verwendete Uranmunition. All dies sind schwere, aber meisterbare Aufgaben. Entscheidend für ihre Meisterung und damit für ein erfolgreiches erstes Jahr ist weniger die Person des Präsidenten als mehr sein Berater-Team.
Und bei eben jenen Beratern könnte das Problem liegen: Wie allgemein erwartet, hat Bush auf "alte Hasen" zurückgegriffen. Nur hatte keiner erwartet, dass er (teilweise) bis in die siebziger Jahre zurückgehen würde. Ob Verteidigungsminister Rumsfeld noch nah genug am Plus der Zeit liegt ist zumindest fraglich.
Bleibt zu hoffen, dass die junge Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice ihrer Aufgabe als "Nachhilfelehrerin" schnell nachkommt und so möglichst viel direkten Einfluss auf den neuen Präsidenten ausüben kann.
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