Seit dem Ende des Kalten Krieges mit Russland stehen die Vereinigten Staaten alleine im Ring: Der postkommunistische Osten hat die Boxhandschuhe an den Nagel gehängt, der Golfkrieg und Somalia können gerade mal als Sparringskämpfe angesehen werden, und Zentral- und Südamerika möchten sich nicht mehr von den USA bevormunden lassen. Da muss eben die eigene Mannschaft für ein paar Tiefschläge herhalten:
Europas Aufbau einer eigenen Sicherheits- und Verteidigungsidentität wird milde belächelt. Und über das Raketenabwehrprogramm NMD werde man zwar mit seinen Verbündeten sprechen, die politische Entscheidung zugunsten des Projekts sei in Washington aber bereits gefallen. Da wundert es fast nicht, dass der jüngste Kommentar von US-Außenminister Colin Powell zum israelischen Einmarsch in den Gaza-Streifen - milde gesprochen - heftig ausfiel. Lange ist es her, dass Washington so deutlich einen militärischen Einsatz Israels verurteilt hat.
Der Fall China, oder: wie startet man einen Kalten Krieg?
Der Zusammenstoß eines chinesischen Abfangjägers mit einem amerikanischen Spionageflugzeug am ersten April 2001 unweit der Küste von Hainan könnte jetzt eine Kettenreaktion auslösen. Bilder der in China festgehaltenen US-Besatzung - das Wort "Geisel" nahm man vorsichtshalber noch nicht in den Mund - gingen um die Welt. US-Militärs beurteilten auf Pressekonferenzen die fliegerischen Fähigkeiten der chinesischen Piloten als mangelhaft. Die amerikanische Presse veröffentlichte Statistiken über Wirtschaftskraft, Sozialstruktur und militärische Schlagkraft der beiden Nationen. Alles ist vorbereitet für den Titelkampf, die Kontrahenten sind bekannt - aber wer ist die treibende Kraft dahinter?
USA: Diplomatisch aggressiv und militärisch peinlich
Die ungewollte Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad, im Rahmen des Kosovo-Konflikts, läutete eine Serie von diplomatischen und militärischen Fehlschlägen der Vereinigten Staaten ein. Will sich da jemand die ganze Welt zum Feind machen? So versenkten die USA mal eben ein japanisches Fischerboot mit Hilfe eines Atom-U-Boots oder warfen drei 500kg Bomben auf eine kuwaitische Gruppe von Manöverbeobachtern.
Doch das ist nur die Spitze des Eisberges. Unlängst bezeichnete US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld auf der Münchener Sicherheitskonferenz den Iran als Feindstaat der USA - während Bundestagspräsident Thierse im Iran weilte, um eine Auflockerung des gespannten diplomatischen Verhältnisses zu erreichen. Noch ein Beispiel: Washington warf Russlands Präsident Putin die Destabilisierung der internationalen Sicherheitslage durch Waffenverkäufe an den Iran vor, während in Washington an großen Rüstungsexportpaketen für Taiwan geschnürt wurde - und wird.
Proud to be an American
Es war schon immer etwas besonderes Amerikas Feind zu sein. Da Powell vor kurzem klar gemacht hat, dass es aus seiner Sicht nur Freunde oder Feinde der USA geben kann - das Wort Neutralität scheint es in seinem Sprachgebrauch nicht zu geben - können sich Europäer und Chinesen nun auf einen heißen Kampf einstellen. Ob sie wollen oder nicht. Wenn Europa es nicht schafft den USA klar zu machen, dass eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mehr ist, als ein Sandkastenspiel im Garten der NATO, dann droht man erneut zum zweitklassigen Verbündeten zu werden.
Peking dagegen sollte sich auf eine Intensivierung der Spionagetätigkeit seitens der USA einstellen. Denn: Es scheint so, als wäre die Hypothese vom "Neuen Kalten Krieg" als hoffnungsfrohe Aussage gedacht gewesen. Die Militärs in Washington sind gerüstet, der nationale Stolz gepflegt. "Proud to be an American" dröhnte es aus den Lautsprechern, als die Crew des US-Flugzeuges nach Hause zurückkehrte. Der Gegner ist ausgemacht, der Ring steht bereit, die Welt sitzt auf der Zuschauertribüne: Boxen!
Foto: Copyright liegt bei www.pacom.mil
Weiterführende Links:
Link zur US-Airforce - Rumsfelds Bericht zur Kollision
Homepage des US Pacific Command mit Bildern der Crew
US Central Command: Bombardierung von Manöverbeobachtern