Tony Blair vor seiner schwersten Prüfung
Von wegen Pruefung
von: Cornelia Schoeler
- C_Schoeler@hotmail.com
Datum: 10.06.2001
Ich studiere zur Zeit in England und habe den Wahlkampf hautnah verfolgt, war selbst als Aktivstin fuer die Socialist Alliance unterwegs. Das Bild von Tony Blair ist etwas verzerrt dargestellt. Das Problem der Tories mit New Labour und Tony Blair ist nicht nur, dass sie an den rechten Rand gedraengt wurden, sondern schlicht, dass New Labour die Tories ueberfluessig macht, weil vollstaendig ersetzt! Wenn sogar die Financial Times fuer Blair votieren, kann doch was nicht stimmen. Das ist diese unsaegliche Logik, die ja beispielsweise auch Stoiber in Bayern faehrt bezueglich der Rechten dort. Klar, wenn Stoiber die Politik der Rechten vertritt, freuen die sich und brauchen nicht NPD oder REPs zu waehlen, um ihre Interessen gewahrt zu sehen. Das Gesundheitssystem in Britannia ist kaputt gespart, die Schulen und Universitaeten sind in einem schlimmen Zustand (was ich ja auch hautnah miterleben darf). Wir hatten vor der Wahl Diskussionsforen, u.a. auch an der Uni. Die Strategie von Labour wurde mir nie so offen und direkt ins Gesicht geknallt wie von dem Labourkandidat vor Ort: die Schulen sind in einem schlechten Zustand, wieso sollten sie dann in die Unis investieren? Da kann doch nichts bei rauskommen, wenn die Leute vorher nicht genug gelernt haben. Und sowohl Labour als auch die Libdems sind im Wahlkampf sehr bewusst auf die Pensionaere eingegangen, wissen sie doch, dass dort die meisten Stimmen zu holen sind. Das ist blanker Opportunismus! Das hat mit alten Werten von Sozialdemokratie nichts mehr zu tun. Interessant sind hierzu die Parallelen zu Deutschland, wobei die Briten mit ihren Privat-Public-Partnerships (PPPs) bereits weiter vorangeschritten sind, sodass auch private Companies mittlerweile Schulen leiten. Was den leidigen Euro anbelangt - das war sicherlich ein klares Eigentor der Tories, sich darauf reduzieren zu lassen, und die Themen Education und Health scheinbar links liegenzulassen. Thatcher hat Hague hier ja noch den Baerendienst erwiesen, und hat sich hier, in Plymouth, generell und kompromisslos gegen einen Beitritt ausgesprochen. Die Tories waegten sich sicher, weil die Mehrheit der Briten tatsaechlich nicht den Beitritt wuenscht.
Das wirkliche Problem hier ist doch die Apathie der Waehler, die Gruppe der Nichtwaehler ist groesser als die Gruppe derer, die ueberhaupt fuer diese Regierung gestimmt haben. Das in diesem run-off Wahlsystem, das sowieso demokratische Defizite aufweist, gekoppelt mit Wahlregistern, wodurch wiederum Leute gehindert werden zu waehlen (wenn sie sich nicht rechtzeitig registriert haben).
New Labour legt eine Arroganz an den Tag, die ihresgleichen sucht. Moeglich war das, weil der "Glatzkopf" Hague von Anfang an eher als Witzfigur anstatt als ernst zu nehmender Gegner angesehen wurde.
Die UK Independence Party und die British Nationlist Party haben je nach Wahlkreis erschreckende Ergebnisse erzielt. In Oldham kam die BNP auf 11% und 16%!!
Tony Blair hat um das Mandat gebeten, weiter machen zu duerfen, um den Job fortzufueren, den er begonnen hat. Er hat in Interviews verkuendet, dass er kein Problem, keine Gefahr fuer die Demokratie sieht, selbt wenn seine Partei 60% oder mehr Sitze bekommt. Zwei Tage vor der Wahl hat er oeffentlich verkuendet "nicht alles von der Thatcher Aera sei schlecht gewesen". Die schwerste Pruefung steht dem Land bevor und der Bevoelkerung.
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