Recht, Macht, Moral
Nicht die Augen verschliessen!
von: ThomasMehlhausen
- mehli_@hotmail.com
Datum: 07.04.2003
Replik auf den Kommentar von Martin Mueller: Ich bezweifle stark, dass die Anti-Kriegsbewegung mit "unverschuldete Unwissenheit aufgrund mangelnder Bildung" zu erklaeren ist, das ist sogar sehr arrogant. Diese Meinung wuerde die Kriegsbefuerworter also als die Weiseren darstellen, die die Lage besser ueberschauen koennen. Betrifft diese Einschaetzung nur einen Teil der Krieggegner, so glaube ich auch nicht, dass ein Verschliessen der Augen ist. Einen Krieg zu beginnen heisst nicht, das Unvermeidliche aus Vernunft in Angriff zu nehmen. Man muss Argumente bringen (dazu gleich). Die Medien sind im Zweifelsfall immer schuld und einfache Formeln koennte man auch den Kriegsbefuerwortern vorhalten, es ist ja schliesslich keine originelle Idee, einen Krieg zu fuehren. Doch nun weg von der Polemik: Welche Gruende sind ausreichend legitimierende Argumente fuer einen Krieg? Sind es die Massenvernichtungsmittel, so wurden Fortschritte erreicht. In Deutschland ist man als Angeklagter so lange unschuldig wie die Schuld nicht bewiesen wurde. Nur Verdacht reicht zur Verurteilung und Strafverhaengung nicht aus. Keiner stellt dies in Frage. Aber den Irak kann man ohne Beweise einfach "bestrafen" fuer die potentielle Gefahr eines Einsatzes von nicht gefundenen Massenvernichtungswaffen? Darf man nun auch Libyen, Weissrussland, Syrien, den Iran oder welche Laender auch immer, aus blossem Verdacht angreifen? Kann man diese Bedrohung nicht als Pauschallegitimation missbrauchen, wie es schon mit dem (Er-)Schlagwort Terrorismus geschieht (damit meine ich NICHT nur die USA, ein Blick nach Israel oder Russland reicht aus)? Es ist schlichtweg nicht schluessig. Oder nimmt die Diskussion normative Ausmasse an? Muss man den Irak angreifen, weil man die Diktatur Husseins verurteilt und den Menschen die Selbstbestimmung bringen moechte? Erstens ist das naiv, weil erstens die Amerikaner kaum einen gewaehlten Repraesentanten akzeptieren wuerden, die den Forderungen der USA nicht entsprechen wuerden, und zweitens weil man Demokratie nicht einfach einpflanzen, ja aufstuelpen kann. Ein Blick nach Afghanistan aber auch Belarus genuegt. Zweitens ist diese Forderung insofern inkonsequent, als dass (auch wenn es ein ausgetretenes Argument ist, behaelt es seine Ueberzeugungskraft) die demokratischen Laender in der Minderheit sind und konsequenterweise auch viele arabische oder afrikanische Staaten angegriffen werden muessten. Zu guter letzt sollte man auch nicht vergessen das Politik nicht das Spiel der Moral sondern der Macht ist. Auch wenn Selbstbestimmung erstrebenwert ist, so ist es sicherlich keine Handlungsmotivation der Politiker. In der Ignorierung der Entschluesse des UN-Sicherheitsrats koennte man aber auch ein Widerspruch zu der grundlegenden Einsicht von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sehen. Erstens da Rechtsstaatlichkeit der Erkenntnis Rechnung traegt, dass die Einhaltung von Institutionen, also festgelegten Regeln, dem Einzelnen zum Vorteil gereichen (durch Erwartungssicherheit und Transaktionskostenminimierung). Zweitens weil Demokratie auf Kooperation basiert, die so weit geht, dass man auch Entscheidungen akzeptiert, die fuer den einzelnen in der konkreten Situation NICHT vorteilhaft sind und trotzdem zugunsten der Beachtung der Institutionen akzeptiert werden. Das Recht des Staerkeren, wie er in Hobbes "Leviathan" beschrieben wird, kann kaum einen normativen Anspruch erheben wie die Demokratie-Kreuzritter propagieren. Ich wuenschte den Irakis auch Demokratie. Aber sie mit Bomben erst zu beschenken und Ihnen Munition dann in Oeleinheiten in Rechung zu stellen und sich obendrein noch als Heilsbringer und verantwortungsbewusster Weltpolizist (auch ausgetreten, dennoch treffend) verkaufen zu wollen, halte ich fuer ABSURD. Wie stellt denn der akademische Kriegsbefuerworter sich die Re-Institutionalisierung der Weltordnung vor? Oder brauchen wir nun nur noch eine "ordnungsschaffende Kraft"?Wer soll denn internationale Vereinbarungen dann noch ernstnehmen? Wo bleibt die Verantwortung und wer schaut weg?? Ein letzter Kommentar: Der Schluss des vorherigen Kommentars ist absurd. Sicher hat die US-Administration viele (wenn nicht alle) Szenarien in Erwaegung gezogen. Aber sie nun die geeigneten Richter sind, wag ich zu bezweifeln. Und dass Bush mehr mit einem Einsatz verlieren kann als bei Beibehaltung des status quo, kann kaum ueber die Lukrativitaet der moeglichen Gewinne (fuer den Bush, Cheney und Co.) hinwegtaeuschen. Wer der Weitsicht der Bush-Administration vertraut und selbst sich in Bescheidenheit uebt, DER verschliesst die Augen!
Ist Frieden die Antwort?
von: Martin Müller
- marty.mueller@t-online.de
Datum: 03.04.2003
Endlich lese ich mal eine Argumentation, die nicht versucht der sogenannten moralische, "humanitären" und überaus bequemen öffentlichen Meinung zu folgen. Diese weltweit so einstimmige Meinung ist nur scheinbar einstimmig. Wir, die wir im sicheren Wohlstand leben haben den Eindruck, es sei die Mehrheit der Menschen, die so denkt. In Wirklichkeit sehen wir nur die Meinung eines Bruchteils der Weltbevölkerung, die gegen diesen Krieg aufgrund der einfachen Formel "Lieber Frieden als Krieg" sind. Dieser Eindruck ergibt sich und verstärkt sich durch die Multiplikatoren der in größtem Wohlstand lebenden Meinungsbildner. Darunter zählen in der heutigen Zeit Schauspieler, Spitzenpolitiker und sonstige Prominente. Eine große Schuld daran trägt das Fernsehen. Hier werden in kürzester Form leicht verständliche Aussagen als Argumente vertrieben, welche dankend von den Demonstranten aufgenommen werden. Als Schlagworte wird dann auf die Banner geschrieben: "War is not the answer". Beachtlich ist bei diesem Spruch, dass zumindest eingeräumt wird, dass es eine ungeklärte Frage gibt, auf die zu antworten ist. Leider bleibt diese Frage bei den Demonstranten und Schauspielern und Politikern und Prominenten unbeantwortet. Es ist eben immer einfach gegen etwas zu sein, als für etwas einzustehen. Nun kann man argumentieren, dass die Kriegsgegner FÜR den Frieden sind. Dies wird auch immer gerne als Argument genommen um gegen den Krieg zu sein. In den Medien heißt es immer, es hätten wieder Hunderttausende für den Frieden demonstriert und es hätten Friedensdemonstrationen stattgefunden. Meiner Ansicht nach stellt sich diese Frage aber gar nicht. Ich denke, hier wird an der Realität vorbei demonstriert. Die Demonstranten gehen nämlich bei ihren Demonstrationen von einem Friedensbegriff aus, der nur für eine auf die Weltbevölkerung bezogene sehr kleine begünstigte Gruppe zutrifft. Ein Frieden im Irak, so wie es die Demonstranten fordern herrscht seit Jahrzehnten nicht vor und wird auch ohne eine Außeneinwirkung niemals eintreten. Paradoxerweise wird für den Irak nur dann ein akzeptabler Frieden bestehen, wenn Saddam Hussein und sein Regime verschwindet. "War is not the answer." Meine Frage daraufhin lautet: Und wie ist Frieden anders zu erreichen? Wegsehen? Herrscht Frieden auch dann, wenn wir einfach die Augen zu machen und diese Realität aus unserem Bewußtsein heraushalten?
Meiner Ansicht nach ist die gegenwärtige Anti-Kriegsbewegung auf mehrere Faktoren zurückzuführen: * unverschuldete Unwissenheit aufgrund mangelnder Bildung * verschuldeter Unwissenheit, indem die Augen vor der schmerzhaften Realität, die so wenig in unser Paradiesdenken hineinpaßt, bewußt verschlossen werden * die Medien und die Multipliktorwirkung einzelne Akteure (z.B. Konstantin Wecker oder linke Politiker, die nun endlich ihrem Anti-Amerikanismus frönen können) * Wunschdenken, nach dem die Probleme durch einfache Formeln gelöst werden könnten
Ich selber bin kein Kriegsbefürworter, aber die Situation ist sehr komplex und es müssen die Konsequenzen eines jeden Handelns je nach Schaden abgewogen werden. Ich selber bin leider nicht in der Lage die Situation umfassend unter Einfluß aller Szenarien zu beurteilen. Ich bin mir aber sicher, dass dies in der amerikanischen Administration geschehen ist. Schließlich hat ein G.W. Bush mit einem Krieg kurzfristig mehr zu verlieren, als wenn er den Status Quo belassen würde. Langfristig hingegen könnte es allerdings genau anders aussehen. Wir werden es wohl nie erfahren, da die Entscheidung getroffen wurde.
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