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Parteien in Belgien

Autor :  e-politik.de Gastautor
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 16.05.2003

Belgien wählt. Aber wen? Anläßlich der belgischen Parlamentswahlen am 18. Mai 2003 gibt Wolfgang Fischer für e-politik.de einen Überblick über das Parteiensystem Belgiens...


Schon im Jahr 1912 urteilte der wallonische Sozialist Jules Destrée in einem Brief an den den belgischen König Albert I. : "Sire, Ihr herrscht über zwei Völker. Es gibt in Belgien Wallonen und Flamen, aber es gibt keine Belgier." In der Tat bestimmt der Gegensatz zwischen niederländisch bzw. flämisch sprechenden Flamen im Norden und frankophonen Wallonen im Süden seit Bestehen des Königreichs die belgische Politik. Ergebnis dieses oft auch als Sprachenstreit bezeichneten Gegensatzes war eine konsequente Umgestaltung des ehemals zentralistischen Königreichs in einen föderalistischen Staat durch eine Reihe umfangreicher Staatsreformen seit 1970, die den beiden rivalisierenden Volksgruppen wie auch der zahlenmäßig geringen deutschsprachigen Minderheit im Osten des Landes tiefgreifende Autonomierechte einräumten.

Fragmentiertes Parteiensystem

Der Gegensatz zwischen Flandern und Wallonien hatte zur Folge, daß sich in beiden Landesteilen voneinander getrennte Parteiensysteme entwickelten. Eine gesamtbelgische Partei existiert nicht mehr, seit sich 1968 die konservativen Christdemokraten, 1972 die Liberalen und 1978 schließlich auch die Sozialisten in einen flämischen und einen wallonischen Flügel spalteten. Dazu entwickelten sich in Flandern wie in Wallonien seit den 1960er Jahren verschiedene nationalistische, teils rechtsextreme Regionalparteien, die in ihrer politischen Agitation zum Teil sogar den Fortbestand Belgiens in Frage stellten und statt dessen ein unabhängiges Flandern bzw. Wallonien forderten. Anfang der 1980er Jahre entwickelten sich auch in Belgien aus diversen ökologischen Listen zwei grüne Parteien, in Flandern unter dem Namen Agalev, in Wallonien als Ecolo.

Parteien in Flandern

Bei den Parlamentswahlen 2003 bewerben sich in Flandern die liberale VLD, Partei des Premiers Guy Verhofstadt, die Sozialisten Sp.a und die grüne Partei AGALEV um die Fortführung ihrer Regierungsarbeit in Brüssel. Die flämischen Christdemokraten CD&V - die Partei des früheren belgischen Premierministers Jean-Luc Dehaene, die jetzt vom ehemaligen Justizminister Stefaan Declerck geführt wird - bemühen sich um eine Rückkehr an die Macht.

Nach der Auflösung der gemäßigten flämischen Nationalisten Volksunie im vergangenen Jahr haben sich zwei neue nationaldemokratische Parteien in Flandern gegründet: Die NV-A, die Neue Flämische Allianz, fordert als streng flämisch-konservative Partei ganz klar eine flämische Eigenständigkeit, notfalls durch Auflösung Belgiens. Die gemäßigtere Bewegung Spirit, eine Neugründung durch den progressiveren Volksunie-Flügel verfolgt das Ziel eines dezentralisierten belgischen Staates mit möglichst viel Autonomie für Flandern und ist mit der sozialistischen Sp.a ein Wahlkartell für die Parlamentswahlen am 18. Mai eingegangen. Beide Parteien profitierten damit in den Umfragen deutlich. Weiterhin die stärkste Kraft im flämisch-nationalistischen Lager wird aber der rechtsradikale Vlaams Blok bleiben, der bei den vergangenen Wahlen seine Stimmanteile stetig steigern konnte und auf kommunaler Ebene in einigen Großstädten wie Antwerpen Stimmanteile von 20-25 % errreichte.

Parteien in Wallonien

In Wallonien könnte die Sozialistische Partei PS unter ihrem charismatischen Vorsitzenden Elio Di Rupo, bisher traditionell stärkste politische Kraft im französischen Sprachgebiet, nach bisherigen Umfragen ihre Führungsrolle an die liberale Reformbewegung MR von Außenminister Louis Michel verlieren. Das Kooperationsabkommen der PS mit Ecolo, der grünen Partei in Wallonien, und der Wille beider Parteien, auf jeden Fall zusammenzuarbeiten, macht den Fortbestand der momentan regierenden Regenbogenkoalition aus Liberalen, Sozialisten und Grünen auch vom Schicksal der wallonischen Grünen abhängig: Ecolo war 1999 durch enormen Stimmzuwachs zur drittstärksten Partei in Wallonien aufgestiegen, nun drohen aber infolge des Rücktritts der Ecolo-Ministerin kurz vor der Wahl große Verluste.

Aus der ursprünglich frankophonen konservativen Partei PSC haben sich zwei neue Gruppierungen gebildet: Der CDH entstand, nachdem sich die PSC entschieden hatte, das C für christlich aus dem Namen zu streichen und durch das H für humanistisch zu ersetzten. Darauf gründeten einige PSC-Hardliner die CDF als betont christliche Partei, von der erwartet wird, daß sie problemlos die 5%-Hürde überspringen wird. Die rechten frankophonen Parteien Front National und Forces Nouvelles blieben bisher bedeutungslose Splitterparteien, doch in der letzten Zeit werden den Rechten in Wallonien zunehmend Stimmgewinne vorausgesagt.


zum Artikel "Wahlen in Belgien"


   


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