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Tagebuch einer Magisterkandidatin - Folge 4
Autor : Redaktion e-politik.de E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 13.08.2002
Wenn es nur das Schreiben wäre... Joyce Mariel über die Tücken der Technik, die ihr bei der Arbeit an ihrer Magisterarbeit begegnen.
Technik, die begeistert
Irgendwann musste es so weit kommen! Da habe ich nun seit einem halben Jahr einen todschicken Laptop und dann das! Programme ließen sich nicht mehr öffnen, die Maschine zu starten dauerte eine halbe Ewigkeit und der Task-Manager reagierte nur noch, wenn ich ihm die 35-Stunden Woche bei vollem Stromausgleich zusicherte.
Irgendwas lief schief und ich war mit meinem Computer-Latein am Ende, was immer dann eintritt, wenn ich beginne, mit der vor mir postierten Maschine zu reden. Insgeheim wünschte ich mir Laptops Vorgänger, einen alten 3/86er von 1991 zurück. Der hat mich wenigstens verstanden, wenn ich ihn anflehte. Und mit den Jahren haben wir uns so weit angenähert, dass er genau wusste, wann er mich im Stich lassen konnte und wann nicht. Aber "Alterchen", wie ich ihn immer zärtlich nannte, bekam nun sein Gnadenbrot in Einzelteile zerlegt bei einem IT-Autodidakten - meinem Kumpel Frank.
Der Computerspezialist an sich
Und so rief ich Frank an, nachdem der Laptop sogar für's notdürftige Speichern der wichtigen Dinge zu langsam war. Eine Stunde später stand er vor meiner Tür, um sich die ganze Sache mal anzusehen. Der homo communis hat ein ganz bestimmtes Klischee im Kopf, wenn er an Computerspezialisten denkt. Entweder es handelt sich um freundliche Ausländer, die alle relevanten Eliteuniversitäten von innen gesehen haben und bevorzugt in den Vereinigten Staaten von der US-amerikanischen Wirtschaft mit offenen Armen und nach oben offenen Gehaltsangeboten empfangen werden.
Der heimische Markt sieht da schon trostloser aus: Mit den Jahren hat sich ein Bild vom schlecht gekleideten, blassen Brillenträger in den Köpfen festgesetzt, der mädchenhaft kichert, sobald das weibliche Geschlecht nur in Sicht ist, und seine Freizeit auf seltsamen Conventions verbringt, wo er mit anderen blassen Brillenträgern Probleme in einer Geheimsprache erörtert, die kein anderer verstehen soll.
Gott sei Dank ist Frank anders: er ist nicht schüchtern und kleidet sich gut. Da saß nun mein Kumpel, der Computerflüsterer, mit der Gönnerhaftigkeit eines Chefarztes vor meinem Notebook und ließ sich von mir das bestehende Problem schildern. Und mit jedem Wort, das ich artikulierte, manövrierte ich mich weiter in eine infantile Ausdrucksweise, die sich auf Vorschulniveau bewegte.
Fremde Welten
Nun muss ich mich mit meinen "PC-für-Dummies"-Kenntnissen nicht verstecken. Ich weiß, was ein "Local Area Network" ist, wofür "http" bei Internetadressen steht, und dass man im "Photoshop" keine Fotografien kaufen kann. Nur warum mein Laptop so langsam war (Bummelstreik?) wusste ich nicht. Und worüber Frank gerade redete auch nicht. Er schien das Problem in Ansätzen erkannt zu haben und machte mir nun Vorschläge, wie er es beheben könnte. Klang alles sehr plausibel, wenn man bedenkt, dass ich seine Anregungen nur phonetisch beurteilen konnte. Ich brachte nur noch ein klägliches "Aber denk an meine Dateien!" heraus.
Was in den nächsten Stunden geschah, sprengte die Grenzen menschlicher Vorstellungskraft. Mein Freund Frank verwandelte sich! Schon als er vor meinem Computer Platz genommen hatte, begann die Metamorphose, die ich bis dahin nur für den Ausdruck von IT-Spezialwissen gehalten habe. Seine Sätze wurden immer kürzer, bis er schließlich nur noch Lautfragmente durch seine zusammengekniffenen Lippen presste. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und er atmete meditativ. Gleich würde er seinen Geist mit dem meines langsamen Laptops verschmolzen haben, um auf einer höheren Ebene, jenseits von Zeit und Raum, der Maschine den Willen des Menschen aufzuzwingen. Mir fiel dabei nur die Rolle eines Statisten zu, der dieses Schauspiel entgeistert mitverfolgen durfte.
Als ich mit einem Glas Wasser für den Sich-in-Trance-Befindlichen aus der Küche zurückkam, blieb mir vor Schreck fast das Herz stehen. Franks Körper löste sich auf! Statt seiner menschlichen Gestalt erschienen in seinen Umrissen nun endlose Binärcodes, die in der Dämmerung flimmerten. Und von meinem Laptop ging ein seltsames Leuchten aus. Die Verschmelzung war geglückt.
Remote
Übrigens, des Rätsels Lösung war letztendlich relativ einfach. Weder Frank noch ich wissen bis heute, was mein Notebook die Langsamkeit entdecken ließ. Wahrscheinlich wollte der Laptop nur ein neues Betriebssystem, was er auch bekam. Frank bekam die ausgelobte Flasche Wein, die wir zusammen leerten. Zu fortgeschrittener Stunde verabschiedete er sich schließlich mit den Worten: "Also, bis dann! Ich muss jetzt echt mal mein System runterfahren und meine Festplatte re-booten." Zu Hause angekommen, drückte er wahrscheinlich seinen Remote-Knopf und schlief ein.
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Weiterführende Links:
Tagebuch einer Magisterkandidatin Folge 3
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