Am Freitag wird gefeiert: zum 58. Mal jährt sich die Unterzeichnung der Charta der Vereinten Nationen. Die Informationszentren der Weltorganisation nutzen das Datum für Bürgerfeste und Aktionen, internationale Schulen zelebrieren an diesem Tag die globale Verständigung mit bunten Feiern, die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen lädt ein zu einer Fachtagung. Kofi Annan's Presseleute werden ihm einen Apell für eine gerechtere, friedlichere Welt in den Mund legen. Schon zwei Jahre nach der Unterzeichnung beschloss die UNO-Vollversammlung, den 24. Oktober zum Tag der Vereinten Nationen auszurufen. Übrigens, man glaubt es kaum, auf Initiative der USA.
Schwachpunkte
Gerade dort, aber auch in vielen anderen Ländern, fragt sich so mancher, was es denn da zu feiern gibt. Abgesehen davon, dass sich diese Frage auch bei anderen Gedenktagen stellt, gibt es im Falle der Vereinten Nationen durchaus Anlass zur Skepsis. Ist die UN nicht ein machtloser Debattierklub, in dem Libyen einem Menschenrechts-Ausschuß vorsitzen darf? In dem sich korrupte Diktatoren gegen die Ungerechtigkeit der globalen Wirtschaft ereifern?
Den Krieg im Irak konnte die UNO nicht verhindern, trotz aller Rhetorik vom Gewaltmonopol des Sicherheitsrates. In Ruanda und Bosnien mussten UN-Soldaten hilflos Massenmorden zusehen. Und Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates hängen von der Zustimmung Russlands und Chinas ab. Beides nicht gerade Vorblider in Sachen liberaler Demokratie.
Solche Kritik ist berechtigt, doch auch etwas billig. Denn was die Vereinten Nationen zum Ziel haben, nämlich den Weltfrieden herzustellen und zu sichern und die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen zu befördern, ist eine Aufgabe, die der des Sisyphos durchaus nahe kommt. Doch rollen die Mitarbeiter der UNO und ihrer Sonderorganisationen (z.B. UNICEF, UNHCR, WHO) keine Steine, sondern arbeiten in kleinen Schritten für eine friedlichere und menschlichere Welt.
Positive Tätigkeiten
Wie das in der Praxis aussieht, verrät ein Blick auf die UN-Nachrichten (UN Daily News Digest) eines einziges Tages:
Am 17. Oktober dieses Jahres etwa sammelten Blauhelm-Soldaten der UNMIL (UN Mission in Liberia) in der Hauptstadt dieses bürgerkriegsmüden Landes Munition, Kalashnikovs und Granaten von Rebellen ein.
Das Internationale Tribunal für das ehemalige Jugoslawien verurteilte drei bosnische Serbenführer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
UNO-Menschenrechtsexperten mahnten die bolivianischen Sicherheitskräfte zur Zurückhaltung im Umgang mit den demonstrierenden Bergleuten und Arbeitern.
in Malaysia forderten sie die Rücknahme eines Urteils gegen eine Menschenrechtsaktivistin, die Mißhandlungen von Wanderarbeitern angeprangert hatte.
Bei einem Treffen in Kapstadt veröffentlichten UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die "Cape Town Measles Declaration", die eine weltweite Kampagne zur Bekämpfung der Masern aufruft, an denen noch heute jedes Jahr 745.000 Kinder sterben.
Und Kofi Annan teilte dem Sicherheitsrat wieder einmal mit, dass die Internationale Atomenergiebehörde IAEA immer noch keine Hinweise auf ein irakisches Nuklearprogramm gefunden habe.
Weitreichendes Aufgabenfeld
Wozu also ist die UNO gut? Sie bemüht sich um die Beilegung von Konflikten, die sonst kaum einen interessieren, wie Liberia, Kongo oder Eritrea. Sie setzt Normen, gerade im Bereich der Menschenrechte, zu denen sich ihre Mitglieder mehrheitlich, zumindest rhetorisch bekennen. Und obgleich die Vereinten Nationen diese nicht direkt durchsetzen kann, erhalten Menschenrechtsaktivisten damit eines ihrer mächtigsten Werkzeuge. Staaten, die sich zu bestimmten Normen bekennen, geraten in Erklärungsnöte gegenüber ihren eigenen Bürgern und anderen Staaten, wenn sie eben diese Normen nicht einhalten. Darüber hinaus können Aktivisten in Drittstaaten häufig ihre jeweiligen Regierungen zu Sanktionsmaßnahmen gegen die Verletzer dieser internationalen Regeln bewegen.
Die UN bietet ferner eine Plattform für die Diskussion globaler Probleme, sei es Klima, Gesundheit, Kriminalität, oder wirtschaftliche Entwicklung. Durch ihre Existenz werden auch die mächtigen, reichen Staaten gezwungen, den kleineren zumindest zuzuhören und deren Perspektiven zur Kenntnis zu nehmen.
Und, last but not least, die UN ist die Grundlage einer internationalen Rechtsordnung: Die ist zwar fragil und im Zweifel nicht durchsetzbar, wie der Irakkrieg jüngst so anschaulich bewies. Aber allein die Tatsache, dass sich Amerika so sehr um eine zweite Resolution für den Krieg bemühte, zeigt, wie wichtig internationale Rechtsnormen dank der UN geworden sind. Allen gegenteiligen Behauptungen von Cheny, Perle und deren Brüdern im Geiste zum Trotz.
Natürlich könnte die UN manches sicher effizienter oder besser angehen. Doch sie kann nicht stärker sein, als ihre Mitglieder es ihr erlauben. Und die sind nun einmal souveräne Staaten, mit oft gegensätzlichen Interessen, Bedürfnissen und Profilneurosen. Die zu koordinieren bedarf eines kleinsten gemeinsamen Nenners. Und der ist oft gar nicht so klein.
Das darf gefeiert werden. Diesen Freitag.
Das Copyright des Fotos liegt bei www.un.org.