Tagebuch einer Magisterkandidatin Folge 21
Autor : e-politik.de Gastautor E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 04.02.2003
Joyce Mariel lädt ein: Und zwar zum interaktiven Kolumnenlesen. Was
sich dahinter wohl verbergen mag?
Edel sei der Mensch, hilfreich und gut
Ich bin doch wirklich ein guter Mensch. Wenn mich ein Penner um Kleingeld
anschnorrt, kriegt er von mir eine Zigarette mit dem Vermerk "Geld hab ich
selber keins." Letztens bin ich einem rotzbesoffenen Obdachlosen begegnet,
der mich dafür mit dem Münchner Obdachlosensegen über drei
Generationen bedacht hat. Cool, oder? Jetzt können sogar meine Enkel
davon profitieren, dass ich Zigaretten verschenkt habe.
Mit dem neuen Pfandsystem für Einwegflaschen komme ich zwar immer
noch nicht klar, aber dafür landet alles fein säuberlich getrennt
in der Recyclingtonne. Und weil ich so furchtbar nett bin, erkläre ich
meinen zwei kleinen Nachbarskindern gleich noch, wie das mit dem Recycling
eigentlich so funktioniert. Nicht vergessen, dass ich für die beiden
gleich noch ein pädagogisches Abenteuer aus unserem Trip zum Container
gemacht habe. Und so war Magdalena, die ältere von den beiden,
glücklich, als sie grüne Flaschen den gleichfarbigen Aufklebern
auf den Tonnen zuordnen konnte.
Aus reiner Güte widme ich also diese Folge allen Studenten, die auf
irgendeine Weise während ihren Vorbereitungen zur Diplom-, Magister-
und ähnlichen Abschlussprüfungen vor lauter Stress erkrankt sind.
Und ich finde, da hört der Spaß auf.
Wie kann es sein?
Wie kann es sein, frage ich euch, dass Leute in unserem Alter
Magengeschwüre haben oder Psychopharmaka verschrieben kriegen? Wie kann
es sein, dass eine Bekannte von mir drei Nächte vor der Abgabe ihrer
Magisterarbeit nicht geschlafen hat, weil die Betreuung, die sie bekam,
bescheiden war? Wie kommt es, dass Jurastudenten bei der Vorbereitung zum
ersten Staatsexamen einen Nervenzusammenbruch bekommen? Was geht hier bitte
vor?
Klar kann man jetzt anbringen, dass es eben belastbarere und weniger
belastbare Charaktere unter uns Studenten gibt. Dass es für den einen
eben mehr Druck bedeutet, sich ein Jahr oder länger auf Prüfungen
vorzubereiten als für andere. Aber ich finde, dass das nicht die ganze
Wahrheit ist.
Um beim Psychopharmaka-Beispiel zu bleiben, das sich gerade in meinem
Bekanntenkreis abspielt, sind es sicher auch die Eltern, die ihre
Wünsche auf ihre Kinder projizieren. Und auch der Arbeitsmarkt
trägt seinen Teil dazu bei. Denn, hey, wer von uns hier hat mit 23
Jahren seinen Abschluss in der Tasche, war im Ausland, spricht sechs
Fremdsprachen und hat nebenbei noch so obskure Sachen wie einen MBA-Titel
vorzuweisen? Eins, zwei - keiner mehr? Eben. Trotzdem habe nicht nur ich den
Eindruck gewonnen, dass manche Firmenchefs gerade solche Kandidaten wollen.
Und da wird natürlich die Vorbereitung auf die Abschlussprüfung
für manche unter uns ein Ritt durch die Hölle. Dann nämlich,
wenn der eigene Wert nur vom Wert für den Arbeitsmarkt abhängt.
Dann, wenn Ehrgeiz zur Krankheit wird.
Übrigens, am Ende dieser Kolumne ist ein kleines Feld für
Kommentare. Würde mich mal interessieren, wie ihr das seht. Tragt euch
ein.
Interaktives Kolumnenlesen
Ich weiss, heute fordere ich euch richtig. Aber ich, der gute Mensch aus dem
Glockenbachviertel, muss noch eine Sache loswerden.
Ihr lest doch alle gerne die Artikel, die die e-politik.de-Crew
für euch Woche für Woche im Schweiße ihres Angesichts
recherchiert, oder? Und das alles für lau, neben Uni, Hausarbeiten,
Prüfung und Nebenjob. Ihr habt doch sicher alle schon mal Skripten von
dieser Seite runtergezogen, oder? Habt euch über meine Kolumnen
kaputtgelacht (jetzt sagt bloß nichts Falsches!), oder?
Tja, um euch hochgeschätzten Lesern diesen Service anbieten zu
können, schuften die Jungs und Mädels, die diese Seite machen.
Zusätzlich fällt auch noch eine dicke Server-Rechnung an. Deshalb
würden sie sich über eine kleine Spende von eurer Seite riesig
freuen.
Wie? Ihr habt selbst kein Geld? Nein, jetzt bitte keine Zigaretten
schicken! Ich kann euch nämlich nicht segnen, das können nur
Obdachlose oder Pfarrer. Es muss ja nicht euer Erbe oder eure Haushaltskasse
sein. Aber schon wenn zwanzig Leute fünf Euro springen lassen
könnten, wäre das ein kleiner Schritt zur Begleichung einer
großen Rechnung. Überlegt es euch mal. Und schickt dann fünf
Euro an folgende Bankverbindung.
e-politik.de e.V.
Bank für Sozialwirtschaft
Konto 8878200
BLZ 700 205 00
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