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Dieter Hildebrandt

Dieter Hildebrandt - Gedächtnis auf Rädern

Autor :  Claus von Wagner
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 10.08.2001

Er solle nicht immer auf den selben Sachen herumhacken. "Was kann ich dafür", so Hildebrandt, "wenn die Säue, die durchs Dorf getrieben werden, immer wieder zur anderen Seite hereinkommen?" Claus von Wagner über den Kabarettisten auf Rädern.


Allen, oft zum Selbstzweck gewordenen Unkenrufen zum Trotz, präsentiert sich Dieter Hildebrandt in seinem Wohnzimmer, der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, in schlagkräftigster Form. Lebendig, charmant, unverfroren, angriffslustig. Man spürt den Ärger über die Ungereimtheiten in diesem Land, man spürt den Drang des Idealisten. Der geistige Erbe von Werner Finck und Erich Kästner gehört zu der Sorte Kabarettisten, die immer noch auf ihre eigene Arbeitslosigkeit hinarbeiten. Sie träumen von einer Utopie, in der sie selber überflüssig wären. Für einen Moment ist man versucht zu sagen: "Gott sei Dank ist die Welt wie sie ist - sonst müssten wir auf Abende wie diese verzichten." Nur für einen Moment...

Hildebrandt vergisst seinen eigenen Namen

Listig blickt Hildebrandt durch seine Brille in den Zuschauerraum, in dem - ein Stuckrad-Barre mag es kaum glauben - sich nicht nur Damen mit SPD-Buttons ins faltige Fäustchen lachen, sondern auch relativ viele junge Leute. Und dabei geht es in Hildebrandts Buch "Gedächtnis auf Rädern" vordergründig doch gerade um das Alter(n). "Kommt das Alter oder ist es schon da?", fragt Hildebrandt. Mit viel Selbstironie und Wärme beschreibt der inzwischen 74-jährige den täglichen Kampf um die Lesebrille und das Vergessen von Namen - auch des eigenen.

Nachträglicher Eintritt in die SS

Der Prolog zur Lesung ist traditionell aktuell. Mit einem Monolog, den er auch schon im jüngsten "Scheibenwischer" vortrug, zerlegt er den amerikanischen Präsidenten Bush mit seiner Umweltzerstörungslobby im Nacken ebenso, wie die deutsche Staatsanwaltschaft, die den "laufenden Leuna-Akten" einfach nicht mehr hinterherkommt. So schnell würden sie von einer Unzuständigkeit zur nächsten abgeschoben. Und wer Hildebrandt kennt, weiß, dass er für Abschiebung keinerlei Verständnis hat. Das musste im Juni 2000 auch die Wiesbadener Ausländerbehörde erfahren. Ihre Abschiebemethoden sah Hildebrandt im "Scheibenwischer" als geeignet an, einen nachträglichen Eintritt in die SS zu rechtfertigen. Die darauffolgende Klage wurde abgewiesen - Kunstfreiheit.

Sonniger Junge

Der passionierte Tennisspieler Hildebrandt kämpft. Seine Energie ist ansteckend, inspirierend. Er schreibt Bücher (bald erscheint sein neuestes Werk "Vater unser - gleich nach der Werbung"), hält Lesungen, und bis vor kurzem war er noch mal auf Theater-Tournee. Wie in alten Zeiten tingelte er mit seinem ehemaligen Partner und satirischem Korrektiv Werner Schneyder durch die Lande. "Sonny Boys" hieß das Stück - eine Boulevard-Komödie über zwei alternde Komiker, die eines am besten können: sich gegenseitig nicht mehr riechen. Doch im Unterschied zu den Figuren von Neil Simon haben sich Hildebrandt und Schneyder im echten Leben nicht müde gespielt. Sie haben sich nie hassen gelernt. Sie haben sich rechtzeitig getrennt, der großgewachsene Zyniker aus Österreich - und der kleine Zappelphilipp aus Niederschlesien.

Ein lebendiges Stück Zeitgeschichte

Was Dieter Hildebrandt oft zum Vorwurf gemacht wird - ist auch Teil seiner Faszination. Er ist ein Stück lebendige Zeitgeschichte. Der Beginn seiner Geschichte "Damals war gestern" etwa erzählt von einem kleinen Gemeinen der Deutschen Wehrmacht auf der Flucht vor einem abschussfreudigen amerikanischen Tiefflieger ("Heute ist mir klar, dass man die Geschichte der amerikanischen Befreier auch mal von anderen Seiten betrachten muss"). Der Name des Soldaten: Dieter Hildebrandt. Das ist "oral history", wie es die Historiker nennen. Auch wenn sie satirisch überspitzt ist, lohnt es sich diesen Geschichten aus erster Hand zu lauschen. Noch dazu, wenn sie so glänzend erzählt werden.

Aber Vorsicht. Dieter Hildebrandt ist kein Denkmal, sondern ein lebendiger weiser Mann. Auch wenn er das nach eigenen Worten eigentlich nicht mehr sein dürfte: "Man schreibt seine Lebenserinnerungen nur einmal. Und danach hat man die Aufgabe, unverzüglich zu sterben." Tja, inzwischen hat er diese Lebenserinnerungen bereits dreimal geschrieben. Ein Mann im Schwebezustand zwischen Leben und Tod. Wie das Kabarett. Mitten im Leben und doch ein Stückchen darüber.


Dieter Hildebrandts Buch "Gedächtnis auf Rädern" ist im Blessing Verlag erschienen (ISBN 3-89667-022-0). Die Lesung daraus ist auch als Audio Book auf CD erhältlich (HörVerlag ISBN 3-89584-138-2).

Die Termine von "Scheibenwischer" in der ARD:
29.08 | 26.09. | 24.10 | 05.12.
Wiederholungen jeweils wenige Tage später in 3Sat.


   


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