Tagebuch einer Magisterkandidatin - Folge 20
Autor : e-politik.de Gastautor E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 28.01.2003
In der neuen Folge der Tagebücher einer Magisterkandidatin sitz Joyce Mariel ein kleines Teufelchen auf der Schulter - nicht nur beim Schreiben.
Der Teufel im hohlen Kürbis
Wisst Ihr was? Manchmal bin ich wirklich froh, dass das Leben kein Comic ist. Denn in einem Comic sieht man sowohl das, was man spricht, als auch das, was man denkt. Und das wäre bei mir in den letzten Tagen wirklich fatal gewesen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass ich viel zu gut erzogen wurde. Kunststück, ich war nämlich dummerweise auf einer katholischen Mädchenschule. Und ich sage euch, aus dieser Gehirnwäschemaschinerie kommt man nicht ohne bleibende Schäden heraus. Nur, meine bösen Gedanken konnten sie schon während meiner Schulzeit nicht austreiben. Und ich bin darüber verdammt froh. Denn, sind wir doch mal ehrlich, solche kleinen Bosheiten können das Leben doch unendlich spaßiger machen. Man muss nur aufpassen, dass sie nicht durch den Mund das Licht der Welt erblicken. Ich schaffe das viel öfter als meine Freundin Carmen. Denn ich wurde ja zu gut erzogen - siehe oben.
Wenn man beim Flirten ehrlich wäre
Was wäre jetzt, wenn man meine Gedanken sehen könnte? Ich hätte sicher eine Menge mehr Feinde, beginnen wir mal beim vermeintlich starken Geschlecht.
Jungs, könnt Ihr mir und den anderen drei Milliarden Frauen auf dieser Welt mal eine Frage beantworten? Warum müsst Ihr so angeben, wenn Ihr uns anmachen wollt? Und warum endet diese Angeberei nicht, wenn Ihr schon längst in die Kategorie "Ex" gerutscht seid?
So, das musste mal gefragt werden. Denn wenn´s drauf ankommt, bin ich meistens viel zu feige, mal ungeschminkt Klartext zu reden. Trotzdem sitzt da das altbekannte Teufelchen auf meiner Schulter und sagt so Sachen wie "Hmm, süß aber ein bisschen dämlich!" Meine irischen Mitbewohnerinnen in Prag hatten dafür die Kategorie "I won´t put him out of bed for eating crisps." Trifft es irgendwie finde ich.
Aber diese Zeiten sind für mich erstmal passé. Ich bin weg vom Markt und bleibe brav daheim, um mich auf meine Abschlussprüfungen vorzubereiten. Aber das kleine Teufelchen ist immer noch da. Und ich hatte es diese Woche auch in der Uni bei mir, als ich in Amerikanistik mündlich geprüft wurde.
Prüfung mit alter ego
Es ist unvorstellbar, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Da büffelt man wie ein Bekloppter. Exzerpiert 1.500 Seiten amerikanischer Geschichte und kann sie sich auch irgendwie merken. Kurz vor der Prüfung lassen die Knie nach, der Magen streikt und man zündet sich eine Zigarette nach der anderen an. Und wer ergreift als erster das Wort, als ich dann schließlich im Büro meines Amerikanistik-Prüfers stehe? Ihr habt es erraten - das Teufelchen. Mein Prof sah mich, als ich meine Jacke aufhänge und sagte: "Wenn ich gewusst hätte, dass Sie so schick gekleidet sind, hätte ich mir auch eine Krawatte umgebunden." Einsatz Teufel: "Tja, ich wollte eben Eindruck schinden." Zugegeben, das ist jetzt weniger schlimm. Aber ich hatte bald darauf wirklich viel Mühe, meinen Schulterbewohner in Zaum zu halten.
Die erste Prüfungsfrage war, welche politischen Erfahrungen der spätere US-Präsident Richard Nixon vor seiner Amtsübernahme gesammelt hat. Richie war Vize unter Eisenhower und Mitglied im "House Comittee on Un-American Activities". Besagter Senatsausschuss mit dem sperrigen Namen hat vermeintliche Kommunisten ab 1938 verfolgt. Nixon hat sich einen Namen gemacht, als er als Ausschussmitglied den ehemaligen Regierungsbeamten Alger Hiss verhörte und seine Anschuldigungen auf obskure Beweismittel stützte, die unter anderem in einem hohlen Kürbis versteckt waren.
Mein Prüfer nahm die eben gelesenen Informationen ohne mit der Wimper zu zucken auf und fragte mich weiter, was denn in dem Kürbis war. Filmrollen waren drin. Wieder keine Reaktion meines Prüfers. Die nächste Frage haute mich fast um. "Und was konnte man auf den Filmrollen sehen?" Ich saß nur da und blickte auf meine Stoffhose. Währenddessen wurde mein kleiner Teufel aktiv und flüsterte mir zu: "James Bond, sag James Bond!" Schließlich wurde das Rätsel gelöst - es waren fotografierte Dokumente.
Die nächste Frage streifte die amerikanische Unabhängigkeit. Der Prüfer leitete die Frage mit Blick auf eine Kopie der "Declaration of Independence" ein, die an der Wand seines Büros hing. "So, Frau Mariel, jetzt kommen wir mal zur Unabhängigkeitserklärung. Ich hab hier ja das Exemplar, um das es geht, an der Wand hängen. Das hab ich nämlich aus dem Nationalarchiv in Washington geklaut." Mein Teufel verschränkte die Arme. "Aha, krieg ich jetzt 1,0, wenn ich Sie nicht verpfeife?"
Wie es in den Wald witzelt, so schallt es heraus. Und ich kriegte nur ein schiefes Grinsen zustande. Und am Ende meine Bemühungen mit einer 1,3 versüßt.
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