NACKT
Autor : Susanne Schulz E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 01.08.2002
NACKT mit Heike Makatsch und Benno Fürmann ist ein Film, der nichts
versteckt. Doris Dörrie stellt ein liebenswertes, mit scharfsinnigen
Dialogen versehenes Werk vor. Susanne Schulz
hat ihn vorab schon gesehen.
Wer hat Angst vor Virginia Woolf...?
Drei seit langem befreundete Paare treffen sich im Hause des reich gewordenen
Paares Charlotte (Nina Hoss) und Dylan (Mehmet Kurtus) zum Abendessen. Die
unbeschwerte Atmosphäre ihrer damaligen Treffen ist dahin: Die einen haben
Geld, die anderen nicht - die einen sind getrennt, die anderen nicht. So sieht
sich jeder mit den Augen der anderen und kann nicht glücklich sein.
Emilia (Heike Makatsch) und Felix (Benno Fürmann) sind das getrennte Paar.
Beide leiden unter der Trennung, denn so schlagfertig und provokant beide auch
sein mögen - verletzlich sind sie doch. Annette (Alexandra Maria Lara) und
Boris (Jürgen Vogel) hingegen führen eine intakte Beziehung in der
eben hin und wieder völlig irrational gestritten wird. Charlotte und Dylan
sind unglücklich. Sie sind zum Stillstand gekommen. Es wird nicht mal mehr
gestritten, sondern der andere nur noch als selbstverständlich anwesendes
Möbelstück wahrgenommen - eine Sache, die man sich genauso gut auch
kaufen könnte. Geld ist ja genug da. Eine Paarkonstellation, die an Eward
Albee's Theaterstück Wer hat Angst vor Virginia Woolf...? erinnert.
Die Handlung macht die Parallele perfekt...
Gesellschaftsspiele
Die Paare entschließen sich ein Spiel zu spielen - eine Wette wird
abgeschlossen. Können sich die beiden Paare, die noch zusammen sind, mit
verbundenen Augen an ihren Körpern erkennen? Hier werden
sprichwörtlich die Hüllen fallen gelassen. Sie erkennen sich nicht.
Der Schmerz darüber ist sehr groß - doch durchbricht das Erlebnis,
sich nicht mehr versteckt zu haben, sämtliche Barrieren. Das, was in der
Liebe gesucht wird, ist, "vom anderen sichtbar gemacht zu werden", so
beschreibt es Charlotte. Charlotte und Dylan gelingt es durch diesen
Anstoß ihren Stillstand zu überwinden. Boris findet auf dem Heimweg
endlich den richtigen Moment Annette den Ring, den er schon lange mit
sich herum trägt, zu geben. Emilia und Felix beschließen daheim sich
nun so lange mit verbundenen Augen zu suchen, wie sie gebraucht hatten, sich zu
verlieren - in fünf Jahren Beziehung.
Echte Dialoge und daher witzig
NACKT ist eine gelungene Darstellung von Selbstentblößung und
der Aufdeckung von menschlichen Illusionen. Die Dialoge, die die Paare
miteinander führen, sind so, wie sie wirklich gesprochen werden könnten. Sie sind
intelligent und echt und daher auch überraschend witzig und sympathisch.
Man findet sich in jeder dieser Figuren selbst wieder, denn jede scheint eine
andere Art Reinform von Liebesverständnis zu vertreten. Die Gespräche
handeln beispielsweise davon, wer für den anderen den Vordergrund im Leben
bildet und wer den Hintergrund, und dass man sich in dieser Rollenverteilung
auch mal abwechseln sollte. Das Sich-gegenseitig-sehen wie man ist und das
Sich-verkleiden geben phantasievoll die Bilder wider. So sitzen Charlotte und
Dylan eine ganze Zeit lang mit Papiertüten auf dem Kopf da und führen
eine ganz normale Unterhaltung. Auch das luxuriös eingerichtete Haus von
den beiden, in dem sich alle treffen, wirkt mehr wie eine Theaterfassade, als
wie eine bewohnte Wohnung. Dadurch entsteht ein individuelles Theaterflair.
Einzig gewöhnungsbedürftig ist, dass es kaum eine Minute im Film gibt,
in der keine poppige Hintergrundmusik läuft. Das zwischenzeitliche Absingen
von Chansons durch die Schauspieler hält sich dagegen glücklicherweise
in Grenzen.
Im Ganzen gesehen, ist NACKT ein Film, den man lieb gewinnen kann.
"NACKT" (D 2002)
Kinostart: 19. September 2002
Drehbuch und Regie: Doris Dörrie (nach ihrem Roman "Happy")
Produzent: Norbert Preuss
Mit:
Heike Makatsch
Benno Fürmann
Alexandra Maria Lara
Foto: Copyright liegt bei Constantin Film
Weiterführende Links:
NACKT - Der Film
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