Ettore Tolomei lässt auch fünfzig Jahre nach seinem Tod die Südtiroler nicht in Frieden. Der fanatische Expansionist italianisierte im Auftrag Mussolinis ab 1923 den Südteil Tirols. Wie phantasielos Tolomei dabei vorgegangen ist, lässt sich an seiner Übersetzung der Ortsnamen ins Italienische belegen: Franzensfeste beispielsweise sollte von damals an Fortezza (=Festung) heißen.
Ein Referendum, das alte Wunden aufreißt
Ja-Stimmen: 61,94%; Nein-Stimmen: 38,06%. Das ist das Ergebnis des Referendums vom 6. Oktober 2002 in der Landeshauptstadt Bozen, ob der Friedensplatz nahe der Bozener Altstadt wieder Siegesplatz heißen soll. Eine Belanglosigkeit? Bei weitem nicht. Erst Ende 2001 hatte der Gemeinderat die Umbenennung im Rahmen eines städtebaulichen Projektes beschlossen.
Siegesplatz, der Name, den ihm die Faschisten aufgrund der Niederlage Österreichs im Ersten Weltkrieg und dem Verlust Südtirols an Italien gaben, sollte als Ort der Versöhnung zwischen den Nationalitäten zum Friedensplatz werden.
Die eher die Interessen rechtsgerichteter und zentralistisch denkender Italiener bedienende Partei Alleanza Nazionale strengte ein Referendum an und gewann. Zwar bindet der Entscheid den Gemeinderat nicht, aber dennoch: Der basisdemokratische Druck ist da.
Was war passiert im mehrheitlich deutschsprachigen Südtirol? In Bozen ist das Verhältnis der Italiener zu den Deutschsprachigen im Gegensatz zum Umland umgekehrt. Zudem blieben viele Deutschstämmige der Wahl fern, während die Italiener das Referendum unterstützten.
Scharfe Reaktionen
Der ehemalige italienische Staatspräsident Francesco Cossiga entschuldigte sich in der Zeitung Die Dolomiten umgehend bei den Südtirolern: Das Abstimmungsergebnis sei "Ausdruck eines nationalistischen Revanchismus und eines authentischen, nicht mehr Post- sondern Neofaschismus." Cossiga stellte außerdem fest, "dass die föderalistische Politik der Regierung Berlusconi etwas zwischen kraftlosem Willen und Betrug ist." Zudem sieht Cossiga auch die Autonomieregelungen für seine Heimat Sardinien in Gefahr: "Das Ergebnis bringt Italien in Misskredit auf europäischer Ebene."
Landeshauptmann Luis Durnwalder von der Südtiroler Volkspartei (SVP) betrachtet den Ausgang des Referendums als "Votum, das in die Vergangenheit blickt und nicht nach dem Europa, das wir aufbauen müssen."
Die einflussreichen Südtiroler Schützen, eine Mischung aus Traditionsverband und Interessensgruppe, rufen zur Abschaffung der während des Faschismus eingeführten italienischen Ortsnamen auf, organisieren eine Demonstration und kündigten für den Fall einer Regierungsbeteiligung der Alleanza Nazionale an der nächsten Landesregierung Widerstand an.
Allianz zwischen SVP und Mitte-Links
Bereits vor 18 Monaten, dem Zeitpunkt der jüngsten nationalen Wahlen in Italien, gab es erste Anzeichen einer veränderten Situation in Südtirol: Die traditionell eher konservativ-christdemokratisch orientierte SVP ging, wohl auch in der Hoffnung auf eine bessere Wahrung von Föderalismus und Autonomie, eine Wahlallianz mit dem Mitte-Links-Bündnis Ulivo ein. Dabei stießt dieses SVP-Ulivo-Bündnis zum ersten Mal auch in das nahezu rein italienische Trentino vor. Die Provinzen Trento und Südtirol bilden zusammen die Region Trentino-Alto Adige (Südtirol).
Die politische Recht war verärgert, aber aus der heutigen Perspektive ist die Entscheidung der SVP nur vernünftig gewesen, denn die Scharfmacher um Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale sitzen in der Regierung Berlusconi in Rom und diese erweist sich als unfähig für eine echte föderale Reform Italiens und für eine auf Ausgleich beruhende Minderheitenpolitik.