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e-politik.de - Home  Forschung & Lehre  Für Studenten   Tagebuch einer Magisterkandidatin


Tagebuch

Tagebuch einer Magisterkandidatin - Folge 10

Autor :  e-politik.de Gastautor
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 13.10.2002

Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf - hofft Joyce Mariel.


Der Herbst ist eine schöne Jahreszeit. Die Blätter an den Bäumen färben sich bunt, man hat gerade das letzte Oktoberfest irgendwie überlebt und es macht Spaß, bei Sonnenschein spazieren zu gehen. Als Bleichgesicht muss man sich keine Sorgen mehr über seine gesunde Gesichtsfarbe machen und es ist lustig, mit dem Auto auf nassen Blättern eine Vollbremsung hinzulegen. Manche Mit-Münchner bekommen rote Schnupfennasen und meine zwei kleinen Nachbarinnen bauen Türmchen aus gesammelten Kastanien vor meiner Tür. Dumm nur, dass die Tage immer kürzer werden. Denn Licht schüttet ja bekanntlich Wachmacherhormone aus und wenn die fehlen, kann es zu tragischen Szenen kommen.

Leucht-markierte Sofakissen

Mir tut meine Nase weh. Nicht, weil ich etwa Schnupfen hätte oder mich für einen Kung-Fu Kurs angemeldet habe. Nein, meine Nase schmerzt vom Schlafen. Zur Prüfungsvorbereitung muss ich nämlich gerade viel lesen. Und weil ich mir für mein Nebenfach Amerikanische Kulturgeschichte detaillierte Kenntnisse über die Geschichte der USA aneignen muss, habe ich es mir eines Tages auf meinem Sofa bequem gemacht, um dort in meinem Geschichtsbuch zu lesen. Besagtes Buch hat DIN A4 – Format und 1.100 eng bedruckte Seiten. Als ich zu lesen anfing, lag das Buch auf meinen Knien. Irgendwo bei den Sozialrechtstheorien des späten 19. Jahrhunderts muss ich eingeschlafen sein. Als ich wieder hochschreckte, hatte ich bunte Leuchtmarkerflecken auf meinem Sofakissen und Druckerschwärze im Gesicht. Das Buch lag quer über meinem Gesicht und eine Ecke stieß an mein Riechorgan.

Kennt jemand die Super-Learning Methode? Ich habe mal versucht, so mein Spanisch zu verbessern. Eines Tages, einige Wochen vor dem Hispanistik-Einstufungsexamen habe ich mir in der Stadtbibliothek ein paar Kassetten ausgeliehen. Zu Hause angekommen, befolgte ich streng die Anweisungen auf der Hülle: ich machte es mir bequem, legte die erste Kassette ein, schloss die Augen, entspannte mich wie vorgeschrieben und lauschte andächtig der meditativen Stimme, die aus meiner Stereoanlage ertönte. „El casa – das Haus – el casa“. „El alma – die Seele – el alma“. Selig schlief ich kurz darauf ein. Das Einstufungsexamen habe ich schließlich versiebt und habe mich wenig später für „Recht für Sozialwissenschaftler“ eingetragen. Adios Hispanistik; ich hab´s wohl verpennt.

Träume von Oberschenkelmuskeln

Und dabei heißt es doch, entspannt sei der Mensch besonders lernfähig. Wahrscheinlich kann ich mich deshalb noch so gut an alles erinnern, was mit der Geschichte der USA als Einwanderungsstaat zu tun hat. Ich habe mal eine Vorlesung zum Thema „US Immigration“ belegt, die ich einmal schwänzen musste, weil ich eine Freundin besucht hatte, die in New York als Au Pair Mädchen arbeitete. Jetlag sei Dank saß ich nach meinem Besuch mit schweren Lidern wieder in besagter Vorlesung und übertönte schließlich die leise, monotone Stimme des Professors, als ich immer wieder mit meinem verschlafenen Kopf gegen die Wand, vor der ich saß, donnerte.

Jetzt hoffe ich nur, dass ich wenigstens den Lernstoff im Schlaf verarbeite. So wie eine Bekannte von mir, die Medizin studiert hat und kurz vor einer wichtigen Prüfung einen Raum betrat, in dem alle wichtigen Muskelstränge des Menschen aufgespannt waren. Der Oberschenkelmuskel reichte vom Tisch zum einzigen Stuhl in der Mitte des Raumes auf dem wiederum ein Teller mit kleinen Muskeln lag. Eklig, oder? Fand sie auch, als sie kurz darauf aus ihrem Traum hoch schreckte. In ihrer Prüfung am anderen Morgen wurden die menschlichen Muskeln abgefragt und sie schnitt glänzend ab. Mittlerweile ist sie praktizierende Ärztin und arbeitet vielleicht sogar im Fachbereich Orthopädie.

Tagebuch einer Magisterkandidatin – Folge 9


   


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