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e-politik.de - Home  Brennpunkt  Politik in Deutschland   Die Bundeswehr


ISAF

Anschlag gegen die Bundeswehr

Autor :  Thomas Bauer
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 10.06.2003

Nun hat es also auch die deutschen Soldaten getroffen. Mit dem Terroranschlag gegen eine Konvoi der Bundeswehr wird sich einiges in Kabul ändern - aber auch in Berlin? Thomas Bauer analysiert.


Auf dem Weg zum Flugplatz, in die Heimat

Es war 7.50 Uhr am Morgen als ein Konvoi der Bundeswehr Opfer eines Selbstmordanschlags in der afghanischen Hauptstadt Kabul wird. Ein mit 100 bis 500 Kilogramm Sprengstoff voll gepacktes Taxi hatte sich direkt neben einem Mannschaftsbus des deutschen ISAF-Kontingents gesetzt. Vermutlich durch eine Richtladung, die die gesamte Detonationsenergie gezielt auf den Bus leitete, wurden vier Soldaten getötet, weitere 29 zum Teil schwer verletzt. Keine drei Tage später werden Vorwürfe und Kritik an Verteidigungsminister Struck und der Bundesregierung laut. Sie hätten nicht ausreichend für den Schutz deutscher Soldaten gesorgt. Außerdem seien Warnungen vor Terrorattacken nicht Ernst genug genommen worden.

Sicherheitslage bedenklich

Der Einsatz deutscher Soldaten in Kabul ist seit seinem Beginn von Anschlägen gezeichnet. Die meisten davon waren jedoch harmlose Raketeneinschläge in der Nähe des deutschen Militärlagers "Camp Warehouse". Die ungenauen Einschläge führten schnell zu der Mutmaßung, dass die Täter die Bundeswehr lediglich aufschrecken wollten. Ein gezielte Attacke wurde ausgeschlossen, da die Bevölkerung mehrheitlich positiv gegenüber den deutschen Truppen eingestellt sei. Einige Mutmaßungen gingen sogar in die Richtung, dass man gezielt die Aufstockung des deutschen Kontingents im Rahmen der ISAF-Truppen vorantreiben wollte, da von hier die meiste Unterstützung für den Aufbau des Landes zu erwarten war. Im Gegensatz zu den USA wurde die Bundeswehr nie als Besatzer gesehen.

Was lief schief?

Dass einzelne Täter dieses System zunichte gebombt haben, dürfte deshalb auch in der afghanischen Bevölkerung betrauert werden. Es bleibt jedoch die Frage, wie dieser Anschlag überhaupt realisiert werden konnte. Auch wenn eine Untersuchung noch nicht abgeschlossen worden ist, so können doch bereits jetzt einige Fakten analysiert werden. Woher wussten die Attentäter von dem Konvoi, und woher kannten sie die Route?
Auf diese Frage kann man derzeit noch keine Antwort finden, Es scheint jedoch, als ob man in Kabul entweder locker mit Informationen umgeht, beziehungsweise ein Leck im Planungsablauf hat, über das Informationen wie Konvoistärke, -zusammensetzung und -strecke nach außen gelangen. Oder aber man hatte nicht die Möglichkeit Alternativrouten aufzubauen, die man in unregelmäßigen Abständen wechseln konnte. Dies wäre die normale Vorgehensweise.

Mangelhafter Minenschutz

Eine weitere Frage die man sich gefallen lassen muss ist die nach der Zusammensetzung des Konvois. Man kann von Glück reden, dass die Insassen des Mannschaftsbusses mit Splitterwesten ausgerüstet waren, ansonsten wären deutlich mehr Opfer zu beklagen gewesen. Aber wie konnte man bei der bekannten Bedrohungslage überhaupt auf den ungepanzerten Mannschaftsbus zurückgreifen? Für den Transport zum Flugplatz inklusive Gepäck wären sieben Fahrzeuge vom Typ DINGO ausreichend gewesen, die einen deutlich besseren Schutz gegen die Explosion geboten hätten. Vermutlich wären die Fahrzeuge zwar von der Wucht der Detonation von der Straße gesprengt worden, Opfer hätten jedoch höchstwahrscheinlich vermieden werden können.
Auch ist nicht nachvollziehbar, wie man einen geschlossenen Konvoi aus vier Fahrzeugen mit einem einfachen Taxi aufbrechen kann. Konvois sind dafür da, dass nichtzugehörige Fahrzeuge von empfindlichen Transporten ferngehalten werden. Dafür sind auch die beiden Sicherungsfahrzeuge an der Spitze und am Ende vorgesehen, deren Aufgabe in diesem Fall jedoch nur von Geländefahrzeugen vom Typ WOLF übernommen wurde.

Zu wenig Geld, zu viele Einsätze

Aber man kann den Soldaten vor Ort keinen Vorwurf machen, sind sie doch auf das Material angewiesen, dass ihnen vom Dienstherrn übergeben wird. Vor vier Tagen hat die Bundesregierung fünf weitere DINGOs aus Geldmangel abbestellt, eine geradezu groteske Entscheidung in Anbetracht der Ereignisse und der Aussagen Strucks, die Bundeswehr noch interventionsfähiger zu machen. Gepanzerte Truppentransporter sind in der Region allgemein Mangelware. Der Radpanzer FUCHS wäre eine Alternative, doch der wird in Kabul gar nicht eingesetzt, weil er in den betroffenen Einheiten nicht vorhanden ist. Dafür sind eine Handvoll Prototypen vor Ort, so z.B. der von Krauss Maffei Wegmann hergestellte MUNGO, der im Rahmen eines Truppenversuchs getestet wird, anscheinend zu spät. Der MUNGO wäre in der Lage zehn Soldaten unter Panzerschutz zu transportieren, eine Entscheidung über die Beschaffung dürfte aber erst im Frühjahr 2004 zu erwarten sein.

Der Vorfall hat zwei eklatante Mängel der deutsche Sicherheitspolitik deutlich gemacht. Erstens existiert anscheinend eine latente Gleichgültigkeit gegenüber den Bedrohungen und Risiken eines Auslandeinsatzes der Bundeswehr, die das Resultat einer finanziellen Bankrotterklärung des Dienstherrn und fehlendem Verständnis für die Belange der Truppe ist. Symbolische Beteiligungen zur Glättung der transatlantischen und europäischen Wogen werden auf Kosten der Sicherheit der eigenen Soldaten beschlossen.
Zweitens hat die Haushaltslage überlebenswichtige Rüstungsprojekte in den letzten Jahren soweit verzögert oder dezimiert, dass der gegenwärtige Ausrüstungsstand deutscher Streitkräfte im Ausland als ungenügend bezeichnet werden muss. Das Problem der gepanzerten Fahrzeuge für den Mannschaftstransport, auch auf Streife durch die Innenstädte Afghanistans, des Kosovo und Mazedoniens, war schon lange bekannt. Dennoch besitzt die Bundeswehr derzeit lediglich 120 DINGOs, die zum größten Teil auf dem Balkan eingesetzt werden. Zum Vergleich: Rechnet man alle Typen und Varianten des Fuchs-Radpanzers zusammen kommt man auf einem Gesamtbestand von 1.100 Fahrzeugen.

Die Regierung und der Verteidigungsminister müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie zwar aus haushaltspolitischer Sicht das möglichste getan haben um ihre Soldaten zu schützen, dass aber aus politischem Kalkül die sicherheitspolitischen Interessen über der Sicherheit der Truppe zu stehen scheinen. Jetzt noch eine Ausweitung des Einsatzgebietes zu fordern während die benötigte Ausstattung auf die lange Bank geschoben wird ist unverantwortlich.

Copyright des Bildes liegt beim Verteidigungsministerium


   


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