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Gerd Kaiser: Katyn - Das Staatsverbrechen - das Staatsgeheimnis

Autor :  Wolfgang J. Mehlhausen
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 19.06.2002

Das Massaker von Katyn belastete jahrzehntelang das polnisch-russische Verhältnis. Neue Erkenntnisse über dieses Ereignis im Jahre 1943 stellt Gerd Kaiser in seinem Buch vor. Wolfgang J. Mehlhausen hat es gelesen


Am 13. April 1943 berichtete der Reichsdeutsche Rundfunk über die Entdeckung eines Massengrabs in der Nähe von Katyn im Distrikt Smolensk im heutigen Weißrussland, wo einige Tausende durch Genickschuss getötete polnischer Offiziere gefunden wurden. Die Nazipropaganda bezichtigte die "Bolschewiken" dieser grausamen Bluttat. Schon zwei Tage später erfolgte eine sowjetische Stellungnahme, in der die Deutschen für den Massenmord verantwortlich gemacht wurden. Über Jahrzehnte blieb Moskau bei dieser Version, obwohl die Fakten die Schuld des sowjetischen Geheimdienstes NKWD eindeutig belegten.

Spätes Bekenntnis

Am 14. Oktober 1992 übergab ein Sonderbotschafter Präsident Jelzins dem polnischen Präsidenten Lech Walesa Kopien von Schlüsseldokumenten zu diesem Staatsverbrechen, das der NKWD geplant und durchgeführt hatte. Über Jahrzehnte war "Katyn" und Massenmorde an anderen Orten in Polen ein Staatsgeheimnis. Als sich Stalins Eiserner Vorhang 1947 auch über Polen senkte, glaubte man in Moskau, daß diese unglaublichen Verbrechen totgeschwiegen werden können. Doch nahezu alle Polen kannten die Wahrheit, gaben ihr Wissen an Kinder und Enkel weiter. Sie belastete die Beziehungen zwischen den beiden "Bruderparteien" und Staaten latent, und selbst hohe Parteifunktionäre der PVAP hatten angesichts dieser "Staatslüge" Schwierigkeiten, die sowjetisch-polnische Freundschaft zur "Herzenssache der Menschen" zu machen.

Der Hintergrund des Massakers

Was seit Beginn des 2. Weltkriegs und nach dem Befehl Stalins zur Liquidierung der polnischen Offiziere, die bei der 4. Teilung Polens in sowjetische Gefangenschaft geraten waren, passierte, beschreibt Gerd Kaiser eindrucksvoll, anschaulich und wissenschaftlich hervorragend recherchiert. Einen groben Überblick erhält der Leser im "Einstieg". Im folgenden werden die Ereignisse vor und viele Jahre nach der Bluttat analysiert. Das fünfte Kapitel endet mit der Feststellung: "Macht ohne Moral triumphierte", im Osten wie im Westen wurde eines der grössten Kriegsverbrechen lange verschwiegen. Im folgenden Kapitel erfährt man etwas über die "Hintermänner" von 1939 - 2000. Unbekannte und bekannte Namen finden sich hier, wie Rudenko oder Mikojan. Bei letzterem, einem der Haupttäter, ist die Biographie sehr kurz und unvollständig, schließlich war er bis 1965 politisch aktiv.

Überzeugende Darstellung

In eindrucksvoller Weise versteht es der Verfasser, den Leser zu fesseln und anhand authentischer Dokumente, teilweise mit Abbildungen, von den Fakten zu überzeugen. Wer sich für die neuere Geschichte Polens, insbesondere aber die problembeladenen Beziehungen zwischen den damaligen Verbündeten VR Polen und UdSSR interessiert, muß die Fakten zu Katyn - ein politisches Synonym für ein Staatsverbrechen, das zwangsläufig zum Staatsgeheimnis wurde - unbedingt kennen. Zugleich vermag Kaiser dem Leser ein anschauliches Bild über den Stalinismus als verbrecherisches System zu vermitteln.

Es ist wohl das Schicksal von Vorworten, nicht oder erst nach Lektüre des eigentlichen Werkes gelesen zu werden, was jedoch beim vorliegenden Buch besonders schade wäre. Dies hat Professor Otto Prokop, der weltbekannte Gerichtsmediziner verfaßt. Er kannte seinen bulgarischen Kollegen Markow gut, der 1943 bei der Obduktion der Leichen in Katyn beteiligt war und alles wahrheitsgemäß protokollierte. Er wußte, wie sehr dieser Mann nach 1945 bedrängt wurde, seine fachlich begründeten Aussagen zurückzuziehen. Man kann sich der herzlichen Bitte und Empfehlung des Professors zu diesem Buch uneingeschränkt anschließen, wenn er schreibt: "Lest es aufmerksam".

Kaiser, Gerd: "Katyn - Das Staatsverbrechen - das Staatsgeheimnis"
Aufbau Taschenbuch-Verlag, 2002, 476 Seiten
12 Euro
ISBN 3-7466-8078-6


   

Weiterführende Links:
   Bericht vom Spiegel (1/2002)



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