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Kosovo-Flüchtlinge

Die neue italienische Asylgesetzgebung

Autor :  e-politik.de Gastautor
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 18.08.2003

Innenpolitisch scharf kritisiert, aber international akzeptiert ist die neue italienische Asylregelung. Da Italien immer noch kein eigenes Asylgesetz hat, regelt das neue Einwanderungsgesetz, wie Asylverfahren in Zukunft ablaufen. Von Bettina Oberhauser.


Asylrecht wird in Italien im Rahmen des Einwanderungsgesetzes geregelt, und auch das erst seit 1990, als das erste italienische Einwanderungsgesetz, die so genannte „Legge Martelli" in Kraft trat. Italien ist das einzige Land in der Europäischen Union ohne eigenes Asylgesetz. Im Unterschied zu klassischen Einwanderungsländern wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien hat Italien wenig Erfahrung mit Zuwanderung. Bis in die 70er Jahre war es noch ein Auswanderungsland, und erst Ende der 80er Jahre wurde die Einwanderung zu einem gesellschaftlichen Phänomen, das nach einem Gesetz verlangte.

Das im Juli 2002 verabschiedete Einwanderungsgesetz „Legge Bossi-Fini" baut in den Asylrechtsbestimmungen auf der „Legge Martelli" von 1990 auf, führt also nicht die Tradition der „Legge Turco-Napolitano“ von 1998 fort. Die „Legge Turco-Napolitano“ der damaligen Mitte-Links-Regierung hatte ein eigenes Asylgesetz vorgesehen; dies kam jedoch nie zustande. Die Mitte-Rechts-Regierung von Silvio Berlusconi löst mit der „Legge Bossi-Fini“ die jahrelange Forderung nach einer Reform des Asylrechts ein. Die Opposition, die Kirche und Hilfsorganisationen wie etwa die Caritas kritisieren jedoch, dass bei dieser Reform das wichtige demokratische Recht des Asylsuchenden vernachlässigt und sein Schicksal leichtfertig und menschenunwürdig verhandelt werde.

Ein neues Provisorium

Die neue Regelung ist ein Provisorium, denn die italienische Regierung rechnet mit einer baldigen Vergemeinschaftung der Asylpolitik. Dann wäre ohnehin eine weitere, umfassende Regelung nötig. So umstritten die neue Asylpolitik der Mitte-Rechts-Regierung auf nationaler Ebene ist, so akzeptiert ist sie auf internationaler Ebene. Im EU-Ministerrat findet Innenminister Giuseppe Pisanu damit inzwischen allgemeine Zustimmung. Und selbst der Uno-Hochkomissar für Flüchtlinge hält das neue italienische Asylrecht für gut. Vorlagen dafür sind zum einen die Asylrechtsartikel aus der „Legge Martelli“, zum anderen ein Richtlinienvorschlag des Europäischen Rats für kompatible Asylverfahren aller Mitgliedsstaaten. In Kraft getreten ist es erst mit der Verabschiedung der dazugehörigen Ausführungsbestimmung im Juli 2003. Fest steht, dass es rigider geworden ist, denn das Ziel der Regierung ist, Asylmissbrauch zu unterbinden. Bisher wurde allen Asylsuchenden eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt, damit sie bei der "Commissione Centrale per il diritto di asilo" in Rom Asyl beantragen können. Tatsächlich stellten allerdings nur etwa 20 Prozent einen Asylantrag; die übrigen, schätzt das Innenministerium, nutzten ihre vorläufigen Aufenthaltsgenehmigungen, um entweder illegal in Italien zu bleiben oder in ein anderes Schengen-Land weiterzureisen.

Verfahren in geschlossenen Zentren

In Zukunft wird der Antrag auf Asyl vor Ort von neu zu bildenden "Commissioni territoriali per il diritto di asilo" (territorialen Kommissionen) bearbeitet und die meisten Asylsuchenden werden in "Centri di identificazione" (Identifikationszentren) festgehalten. Das "trattenimento"(Festhalten) ist zwar nur für Ausnahmefälle vorgesehen, spiegelt aber die Realität wider. Besondere Maßnahmen gelten für Einwanderer, die erst dann Asyl beantragen, wenn sie einen Abschiebebescheid erhalten. Sie werden in einer anderen Art von Zentrum, den "Centri di permanenza temporanea" (Zentren für zeitweiligen Aufenthalt) festgehalten - also gemeinsam mit den anderen Abzuschiebenden. Solche Zentren gibt es bereits seit 1998. Sie waren in der „Legge Turco-Napolitano“ vorgesehen, um diejenigen festzuhalten, die zwangsweise abgeschoben werden sollen. Die Identifikationszentren für die Mehrheit der Asylbewerber müssen dagegen erst noch gebaut werden. Für die Asylbewerber in beiden Arten von Zentren gilt: Wer sich entfernt, dessen Asylantrag erlischt automatisch. Diese Regelung wird vor allem von italienischen Richterverbänden scharf kritisiert: Sie sehen darin eine unzulässige Einschränkung der persönlichen Freiheit, da die Aufenthaltsbeschränkung ohne vorangegangenes Delikt und ohne Hinzuziehen eines Richters erfolgt.

Für die Insassen der Zentren ist ein neues, vereinfachtes Asylverfahren vorgesehen, das maximal 20 Tage dauern darf. Lässt sich der Einzelfall bis dahin nicht abschließend klären, darf der Antragsteller das Zentrum verlassen, und sein Verfahren dauert bis zu 35 Tage. Die bearbeitende Kommission ist die "Commissione territoriale". Die bisher zuständige "Commissione centrale" ist nur noch für die Koordinierung der „Commissioni territoriali“ zuständig. Die Kommissionen setzen sich aus je einem Vertreter der „Prefettura“ (Kommunale Verwaltung), der Polizei und des UNHCR zusammen; bei Bedarf kann noch ein Vertreter des Außenministeriums hinzugezogen werden. Lehnt die Kommission einen Asylantrag ab, so kann der Antragsteller eine wiederholte Prüfung bei derselben Kommission verlangen oder vor Gericht Einspruch einlegen. Während der wiederholten Prüfung, die innerhalb von 10 Tagen abgeschlossen sein muss, verbleibt der Antragsteller im Zentrum, darf also nicht abgeschoben werden. Im Fall des gerichtlichen Einspruchsverfahrens darf er es schon. Ob er tatsächlich abgeschoben wird, liegt weniger in der Entscheidungskompetenz des zuständigen Richters als in der des „Prefetto“, des zuständigen Verwaltungsbeamten. Auch diese Regelung stößt auf Widerstand in der italienischen Justiz, denn sie beschneidet Kompetenzen der Judikative zu Gunsten der Exekutive.

Von den mehr als 260 Klagen, die an der „Corte di Cassazione“, dem italienischen Verfassungsgericht, gegen die „Legge Bossi-Fini“ eingegangen sind, betreffen auch einige die neue Asylgesetzgebung.

Neben dem Problem der Kompatibilität mit der italienischen Verfassung stellt sich auch das der Finanzierbarkeit, denn sowohl die Einrichtung der „Commissioni territoriali“ als auch Bau und laufende Kosten der neuen „Centri di identificazione“ bedeuten erhebliche Mehrausgaben. Nach Schätzungen des Senats (der zweiten Kammer in der italienischen Legislative) wird die neue Asylregelung den Staat rund 35 Millionen Euro im Jahr 2003 und an die 16 Millionen Euro im Jahr 2004 kosten.


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