Tagebuch einer Magisterkandidatin Folge 15
Autor : e-politik.de Gastautor E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 15.11.2002
Alles verändert sich. Das muss Joyce Mariel in den verschiedensten Situationen bemerken.
Seit geraumer Zeit schlage ich mich mit den philosophischen Konzepten eines Herrn Machiavelli herum. Ein zentraler Punkt seiner Thesen ist die Frage nach Konstanz und Veränderung. Vielleicht habe ich mich etwas zu intensiv mit ihm beschäftigt, denn überall wo ich jetzt hingehe, bemerke ich, wie tiefgreifende Wechsel geschehen, die mir vorher noch nie aufgefallen waren.
Im Teeladen
Alles begann, als ich in meinem Teeladen stand und mir eine neue Fuhre Tee kaufen wollte. Ich schreibe hier bewusst "Fuhre", weil ich Tees langsam wirklich in Großhandelspackungen kaufen muss. Mein Schrank platzt aus allen Nähten. Ich bin verrückt nach Tee. Jeder, der mich schon mal besucht hat, weiss, was ich meine.
Wenn meine Gäste nach einer Tasse Tee fragen, bin ich verloren. Vor allem, wenn man mich dann auch noch entscheiden lässt, welchen Tee ich kochen soll. Absolut unmöglich. Vielleicht sollte ich den Inhaber des Teeladens fragen, ob ich mich nicht für die Vorbereitung meiner Abschlussprüfungen in eine Ecke seines Geschäfts setzen könnte. Denn allein von der Teemenge her, die momentan in meiner Wohnung lagert, würde es fast keinen Unterschied mehr machen, ob ich jetzt zu Hause oder in besagtem Laden lerne. Doch zurück zum Thema.
Der "Kuschel" in mir"
Da stehe ich also bei meinem Tee-Dealer und plötzlich fällt mir auf, dass er die Marketingfirma gewechselt haben muss. Dem Wetter angemessen wurde das neue Herbsttee-Sortiment beworben. Stutzig wurde ich, als auf einer Packung stand "diese Mischung weckt den Kuschel in Dir". Wow, ich wusste nicht, dass ich einen inneren Kuschel habe. Wie der wohl aussieht? Sicher so ähnlich wie eine Kreuzung aus Charmin-Bär und Krümelmonster. Ich muss wirklich in Zukunft mehr auf meinen inneren Kuschel achten und mich nicht nur mit der Überwindung meines inneren Schweinehunds beschäftigen. Ich entschloss mich trotzdem, gerade diesen Tee nicht zur Kasse zu tragen. Stattdessen kaufte ich zwei andere Tees, die einen angenehmen Nebeneffekt haben. Ich habe nämlich bei meinen Nachtlern-Sitzungen gleich noch nette Gesprächspartner bei mir. Vor allem Tante Tilda (Hibiskusblüten, Lemongras, Pfefferminze und Orangenschalen) ist eine kompetente Person. Ihr Vetter Karl-Heinz (Schwarzer Tee mit Anis, Fenchel, Nelken, Orangen- und Zitronenschalen) hingegen ist eher schweigsam. Das ist vielleicht ganz gut so, denn wie es scheint, leidet unter dem beständig steigenden Lernpensum meine Sprachfähigkeit beträchtlich. Und das geht allen anderen Prüfungskandidaten aus meinem Bekanntenkreis genauso.
Sprachschwierigkeiten
Da saß ich letztens mit meiner Freundin Carmen zusammen in der Uni und unterhielt mich. Oder wollte es zumindest. Denn Carmen, die mir dringend etwas erzählen wollte, war dazu nicht fähig. Und wenn sie dann mal einen halbwegs sinnvollen Satz zustande brachte, habe ich ihn nicht verstanden. Nicht etwa, weil es so furchtbar laut war, sondern weil ich wohl einen Defekt in meinem Sprachverarbeitungszentrum hatte. Carmen hat eine Schwester, die Psychologie studiert. Diese sollte unbedingt mal das Phänomen der prüfungsbedingten Sprachlosigkeit erforschen. Aber auch andere Veränderungen kann man in einer so wichtigen Zeit bemerken. Denn jetzt, wo ich dabei bin, mein Studium zu beenden, hört man von allen Seiten einen ganz bestimmten Satz, der immer mit den Worten "Jetzt, wo Du bald fertig wirst, solltest Du langsam …" beginnt. Und dabei fühlt man sich alt. Vielleicht älter, als ich mit meinen zarten 24 Jahren eigentlich bin.
Das Ende in Sicht
Das beginnt schon mit der Tatsache, dass Erstsemester langsam anfangen, mich zu siezen. Manche gleichaltrige Jungs fangen an zu klagen, dass ihnen die Haare ausgehen. Die neuen Freunde meiner Freundinnen werden immer älter. Und das Publikum in meinen Lieblingsclubs immer jünger. Die Kosmetikindustrie beginnt, mir Produkte aufzuschwatzen, die den Beginn der Hautalterung hinauszögern. Und schlaue Ratschläge fangen öfter mit den Worten "Als ich in Deinem Alter war …" an. Dumm ist nur, dass ich selbst diese Ratschläge gebe.
C´est la vie! Wie Machiavelli schon sagte: die Zeiten verändern sich, aber die Natur des Menschen bleibt konstant. Man darf also gespannt sein und der Dinge harren, die da kommen. Einstweilen kann ich meinen Kuschel suchen.
P.S.: Reinhold, sei nicht traurig! Sean Connery hat schon ein Toupet getragen, als er das erste Mal als James Bond vor der Kamera stand.
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