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Staatssymbole Adler und Gockel

Weder Freunde noch Feinde

Autor :  Christian Peters
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 21.01.2003

Am 22. Januar 2003 wird der Elysée-Vertrag 40 Jahre alt. Endlich muss der Mythos von der deutsch-französischen Freundschaft abgeschafft werden, meint Christian Peters.


Wer hätte schon davon gehört, dass Adler und Hahn Freunde sein könnten? Zumindest im Tierreich ein eher abwegiger Gedanke. Nicht so auf der Bühne der europäischen Politik. Gerade jetzt, zum Geburtstag des Elysée-Vertrags, ist das Wort von der deutsch-französischen Freundschaft wieder in aller Munde und wird zur Frage von Krieg und Frieden hochstilisiert. Ein echtes Phänomen, wie es diese Fata Morgana geschafft hat, gegen jede Evidenz so lange zu überleben.

Schließlich war das Abkommen, das Charles de Gaulle und Konrad Adenauer 1963 unterzeichneten, alles andere als ein Freundschaftspfand. Jenseits des Rheins hoffte man mit seiner Hilfe den Hegemonialtendenzen der aufstrebenden Supermacht USA entgegenzutreten und die Träume von alter Grandeur eine Weile weiterträumen zu können.
Vor allem wollten die Franzosen aber Deutschland in feste politische Strukturen einbinden, um den wieder erstarkenden Nachbarn unter machtpolitischer Kontrolle zu halten. Das geschah ganz im Sinne der jungen Bundesrepublik, die bemüht war, durch das Eingehen vertraglicher Bindungen das Stigma des Parias der Völkergemeinschaft loszuwerden. So schufen die beiden Nationen die Grundlage der sogenannten deutsch-französischen Freundschaft: Deutschland überließ Frankreich die politische Führung in Europa und übernahm die Rolle des Juniorpartners und Zahlmeisters.

Wie hältst du's mit der Macht?

Dieses stillschweigende Übereinkommen schien 1989 in Gefahr zu geraten: Nach dem Fall der Mauer wuchs bei den Franzosen die Furcht, dass sich der Freund im Osten der eigenen Stärke besinnen und die selbst auferlegte Zurückhaltung aufgeben könnte.
Helmut Kohl bekam dies bei den Verhandlungen zum Zwei-Plus-Vier-Vertrag zu spüren, als er alle Hände voll zu tun hatte, Zweifel an der Harmlosigkeit eines wiedervereinten Deutschlands zu zerstreuen. Das Gerücht will allerdings wissen, dass die deutschen Lippenbekenntnisse den Franzosen nicht reichten: Der Preis für die Zustimmung Frankreichs zu dem historischen Akt sei die Aufgabe der D-Mark gewesen.

Wie dem auch sei. Dass es bei der Währungsunion nicht nur um den europäischen Einigungsprozess ging, illustriert der Ausruf eines französischen Diplomaten, die Entscheidung der Deutschen, auf die D-Mark als europäische Leitwährung zu verzichten, sei "wie Versailles ohne Krieg".
Hingegen zeigte die politische Führung Deutschlands auch nach der Wiedervereinigung großes Widerstreben, die Stärke des Landes in die Waagschale der internationalen Politik zu werfen. Noch bei der Konstruktion des neuen Kanzleramtes als Wahrzeichen der Berliner Republik war man krampfhaft bemüht, die Architektur möglichst bar aller Machtsymbolik zu halten. "Le Monde" wunderte sich anlässlich der Einweihung, dass die Deutschen beim Umgang mit der Macht immer noch "die Schüchternheit einer Jungfrau" an den Tag legten.

Beim Geld hört die Freundschaft auf

Dennoch sah sich Frankreich in zunehmendem Maße mit einem Deutschland konfrontiert, das immer weniger bereit war, auf die nationalen Empfindlichkeiten des linksrheinischen Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Dies hatte weniger damit zu tun, dass Deutschland tatsächlich eine eigene machtpolitische Vision oder Strategie formuliert hätte - schließlich kultivierte man hierzulande den Eiertanz als außenpolitisches Programm. Vielmehr war mit der wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands das Ende der traditionell gepflegten Scheckbuch-Diplomatie gekommen.

Frankreich und die anderen EU-Mitglieder sahen sich auf den letzten EU-Gipfeln plötzlich mit deutschen Unterhändlern konfrontiert, die beim Gefeilsche ums Geld kräftig mitmischten. So kam es auf dem EU-Gipfel 1999 in Berlin zum ersten großen Zusammenprall, als mit der "Agenda 2000" der Finanzrahmen der zukünftig erweiterten Union festgelegt wurde. Hier lehnte Frankreich es kategorisch ab, dem deutschen Vorschlag zur Kofinanzierung in der Landwirtschaftspolitik zuzustimmen. Immerhin ist Paris größter Nutznießer der horrenden Agrarausgaben der EU.
Die zweite Kollision folgte knapp zwei Jahre später, auf dem EU-Gipfel in Nizza, der die EU institutionell auf die Osterweiterung vorbereiten sollte, und auf dem sich Deutschland und Frankreich über die Frage der Stimmengewichtung im Rat entzweiten. Mit einem Male wurde offenbar, was bisher nach Kräften verschleiert worden war: Die beiden "Schwungräder" der europäischen Einigung liefen asynchron. Die vielbeschworene Freundschaft von Adler und Hahn erwies sich als leere Floskel.

Weder Freundschaft noch Erbfeindschaft

Insofern kommt Gerhard Schröder das Verdienst zu, durch einen Kurs gegenüber Frankreich, der sich nicht wie bisher in vorauseilendem Gehorsam erschöpfte, den tatsächlichen Stand der Dinge ins rechte Licht gerückt zu haben. Davon ist die Welt nicht untergegangen. Es gilt, offensiv die Differenzen auszutragen. Dafür muss sich Deutschland von seinem Komplex verabschieden, es den sogenannten Freunden immer recht machen zu wollen. Dazu braucht es noch viel Übung.
Der Vergleich zwischen dem peinlichen Lavieren Deutschlands und der souveränen Diplomatie Frankreis in der Irak-Krise zeigt, wie weit der Weg zu einer Poltik selbstbewusster Partnerschaftlichkeit noch ist. Er muss nichtsdestoweniger gegangen werden.
Deshalb ist die Lüge von der deutsch-französischen Freundschaft genauso unsinnig wie der Mythos von der Erbfeindschaft - beide Konzepte spielen mit irrationalen Tendenzen, die in der Politik nichts zu suchen haben. Es bleibt zu hoffen, dass die beiden Länder der Versuchung widerstehen, die Feierlichkeiten zum Jahrestag des Elysée-Vertrags dafür zu nutzen, den alten hohlen Pathos wiederzubeleben statt an die Arbeit zu gehen.


   

Weiterführende Links:
   bundesregierung.de zum Elysée-Vertrag
   Der Elyséevertrag im Wortlaut



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