Die umstrittene Zugehörigkeit des im südlichsten Teil Spaniens gelegenen "Affenfelsens" belastet schon seit langem das spanisch-britische Verhältnis. Am 20. November 2001 einigten sich der spanische Außenminister Josep Piqué und sein britischer Amtskollege Jack Straw in Barcelona darauf, die Gespräche über Gibraltar nach Jahren des Stillstandes wieder aufzunehmen. Und man hat es eilig: In nur sechs Monaten wollen die Vertreter beider Regierungen die Zukunft des "Affenfelsens" nun endgültig und einvernehmlich regeln.
Doch schon die Modalitäten der Verhandlungen sind umstritten. Spanien will seit jeher nur mit den Briten, nicht aber mit Gibraltar, das über eine eigene gewählte Regierung verfügt, verhandeln. Großbritannien hingegen forderte bis vor kurzem Dreiergespräche. Nun zeigen sich die Briten jedoch überraschend kompromissbereit und so wird in den nächsten Wochen und Monaten abwechselnd in Madrid und in London um den künftigen Status der Kolonie gerungen - ohne Repräsentanten aus Gibraltar.
Was ist geschehen? Es scheint, als ob José María Aznar und Tony Blair, die Ministerpräsidenten beider Länder, ihre auf Staatsbesuchen und europäischen Gipfeltreffen zur Schau gestellte Freundschaft endlich auch mit konkreten Inhalten füllen wollen. Nicht von ungefähr spricht man in Madrid und London seit einigen Wochen des öfteren von einer spanisch-britischen Achse in der Europäischen Union.
Zankapfel zweier Königreiche
Der Ursprung des Streits liegt nun schon fast drei Jahrhunderte zurück: Bereits 1704 annektierte England den Felsen. Der Utrechter Friedensvertrag aus dem Jahre 1713 schlug Gibraltar offiziell dem englischen Königreich zu.
Gleichzeitig wurde Spanien jedoch das erste Zugriffsrecht eingeräumt, sollten sich die Engländer jemals zurückziehen. Der spanische Staat seinerseits hat seine Ansprüche auf die kleine, aber strategisch interessante Halbinsel direkt gegenüber der nordafrikanischen Küste nie aufgegeben. Während der autoritären Herrschaft von Francisco Franco (1939-1975) kamen noch nicht einmal Gespräche zu Stande. 1969 eskalierten die Differenzen und Spanien blockierte den Landweg nach Gibraltar.
Das Ende der Blockade
Fortschritte waren erst möglich, als Spanien nach Francos Tod im November 1975 begann, zielsicher und rasch in Richtung Demokratie zu steuern. 1977 sprachen Briten und Spanier zum ersten Mal wieder miteinander, doch blieben die Fronten noch lange verhärtet. Die spanische Seite verurteilte insbesondere die Präsenz britischer Truppen auf dem Militärstützpunkt Gibraltar als Gefährdung der Sicherheit der neuen spanischen Demokratie.
1982 beendete die neugewählte sozialistische Regierung unter Felipe González die Blockade des Landzugangs, die Zukunft der Kronkolonie blieb jedoch ungeklärt. Auch hat Madrid seine Restriktionen bis heute nicht völlig aufgegeben: bis heute dürfen Flugzeuge mit Ziel Gibraltar spanisches Gebiet nicht überfliegen.
Geteilte Souveränität
Worum wird es in den Gesprächen der nächsten Wochen und Monate gehen? Vor allem die Frage des künftigen Status des "Affenfelsens" wird zu klären sein. In letzter Zeit kursieren in London Gerüchte über eine mit Spanien geteilte Souveränität - vor wenigen Jahren noch ein undenkbares Zugeständnis. Ob sich Madrid damit jedoch zufrieden gibt und auf die völlige Rückgabe Gibraltars an Spanien verzichtet, ist ungewiss. Vom Tisch sind indes frühere britische Drohungen, man könne der Kolonie auch den Weg in die Unabhängigkeit ebnen. Eine solche Lösung ist für Spanien schlichtweg inakzeptabel.
Protest in Gibraltar
Allerdings, nicht alle sind zufrieden über die neue britisch-spanische Freundschaft. So regt sich in Gibraltar seit Wochen heftiger Widerstand. Zwar haben die Einwohner der Kronkolonie das letzte Wort bei Veränderungen des Status quo, die 1969 verabschiedete Verfassung von Gibraltar schreibt für einen solchen Fall ein Referendum vor. Doch schon der Ausschluss aus den Verhandlungsrunden ist nach Worten des Chefs der Regierung von Gibraltar, Peter Caruana, ein "Verrat des Mutterlands Großbritannien".
In Wirklichkeit geht es den rund 30.000 Einwohnern des "Affenfelsens" wohl gar nicht so sehr um ihre nationale Identität, die ohnehin seit langem britisch und spanisch geprägt ist. Vielmehr sehen sie in einer britisch-spanischen Einigung die Gefahr, Steuerprivilegien und den Ruf als beliebter Handelsplatz zu verlieren. Heute sind etwa 25.000 Firmen in Gibraltar gemeldet. Die Kolonie ist zwar Mitglied der Europäischen Union, aber von der Zollunion ausgeschlossen.
Sorgenvolle Blicke
Doch auch Madrid blickt mit Sorge in Richtung Süden. Einen Volksentscheid wollen die Spanier unter allen Umständen verhindern, denn ein solcher war bereits 1967 zu Ungunsten Spaniens ausgegangen: damals entschieden sich nur 44 Einwohner für, aber rund 12.000 gegen den Anschluss an den nördlichen Nachbarn. Und ein ähnlich deutliches Ergebnis wäre wohl auch jetzt zu erwarten.
Vieles ist also noch offen. So muss sich erst noch zeigen, ob die Zeit bis zum Sommer nicht zu kurz sein wird, um endlich ein längst anachronistisches Problem aus der Welt zu schaffen oder ob es - wie schon so oft zuvor - bei bloßen Absichtserklärungen bleibt.
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Zu Gibraltar bei e-politik.de : Unruhe auf dem Affenfelsen