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50 Jahre Welthandel

Kommentar - Riskantes Desaster auf der WTO-Konferenz

Autor :  Stefan Rottmann
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 17.01.2000

Die Welthandelsorganisation WTO steht im Feuer der Kritik. Dabei wird oft vergessen, dass nur internationale Organsisationen einen fairen Ausgleich zwischen den Ländern garantieren können.


Nach dem Scheitern des Welthandelsgipfels in Seattle Anfang Dezember 1999 steht der Weltwirtschaft ein gefährliches Jahr bevor. Ohne Fortschritte beim freien Austausch von Waren und Dienstleistungen fehlen wichtige wirtschaftliche Wachstumsimpulse, von denen gerade auch Entwicklungsländer profitieren könnten. Ebenso wichtig: Die Schwächung der Welthandelsorganisation WTO bringt die internationale Zusammenarbeit in einem Moment in Gefahr, in dem wichtige Fortschritte möglich erscheinen.

Innenpolitik geht vor

In den Köpfen der Verhandlungsführer von Seattle scheint die Globalisierung noch nicht Einzug gehalten zu haben. Anders ist kaum zu verstehen, dass sie die Verhandlungen um eine Agenda für eine neue Liberalisierungsrunde scheitern ließen. Denn hinter Argumenten, die auf den ersten Blick eine Verbesserung des internationalen Umwelt- oder Arbeitsschutzes im Auge haben, versteckten sich oft kurzsichtige nationale politische Ziele.

Dies gilt besonders für die amerikanische Haltung mit ihrem Drängen auf Aufstellung internationaler Standards für den Arbeitsschutz. Deren Verletzung solle gar Handelssanktionen gegen den zuwiderhandelnden Staat rechtfertigen, erklärte US-Präsident Clinton gegenüber einer Seattler Zeitung - nur um kurze Zeit später wieder Abstand von seiner Maximalposition zu nehmen. Solche wenig diplomatischen Positionen rissen eine unüberbrückbare Kluft zu den Bedürfnissen der Entwicklungsländer auf. Doch sie erlaubten es der von Medien, Gewerkschaften und der Opposition belagerten US-Administration, der öffentlichen Meinung in die Hände zu spielen – denn die befürwortet derzeit mehr amerikanische Interessenpolitik und weniger Unterordnung unter die Regeln internationaler Organisationen. Ein verzögerter, wenn nicht gar verlorener Einstieg in eine neue Welthandelsrunde fügt Vizepräsident und Präsidentschaftskandidat Al Gore im Wahljahr 2000 mit Sicherheit weniger Schaden zu, als der Zwang, sich für eine weitere Liberalisierung und Globalisierung der Weltwirtschaft einzusetzen, die von den amerikanischen Wählern mit immer größeren Bedenken betrachtet wird.

So kann zum Beispiel die protektionistische Gewerkschaft AFL-CIO zufrieden sein, die Gores Bewerbung um die Präsidentschaft unterstützt und großen Einfluss in den für die Wahl wichtigen Bundesstaaten Illinois, Michigan, Ohio und Pennsylvania genießt. "No agreement is better than a bad agreement" - Kein Abkommen ist besser als ein schlechtes Abkommen, erklärte ihr Präsident John Sweeney. Sowohl auf den Straßen als auch auf ihrer Internetseite macht die Gewerkschaft sich unter dem Slogan "Make the global economy work for working families" (Sorgt dafür, dass die globale Wirtschaft für Arbeiter-Familien arbeitet) stark gegen die Welthandelsorganisation und wirft ihr die Missachtung von Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz vor. Nach dem Erfolg von Seattle liegt das nächste Ziel der Organisation bereits fest – den kürzlich ausgehandelten Eintritt Chinas in die WTO zu verhindern.

NGOs am längeren Hebel?

Das Engagement der AFL-CIO ist nur ein Beispiel von vielen für die neuen Hürden, die jede weitere Welthandelsrunde im Wege stehen. Der Freihandel trifft auf die gut organisierte und entschlossene Opposition von mehreren hundert non-governmental organisations (NGOs), die sich in Seattle mit dem Ziel zusammengetan hatten, den Start der Welthandelsrunde zu verhindern. Ihren Erfolg verdanken diese Gruppen nicht zuletzt dem Internet, das ihnen die Informations-Infrastruktur bereitstellt, von dem ihre Schlagkraft entscheidend abhängt. Die Zeiten sind vorbei, in denen Regierungen sich dem Druck entschlossener Aktivisten allein schon durch ihren Informationsvorsprung entziehen konnten.

Dennoch wirft das Ergebnis von Seattle die Frage auf, wer die Verlierer dieses Aufstiegs der NGOs sein werden. Mehr als die nationalen Regierungen geraten nämlich internationale Organisationen wie die WTO ins Hintertreffen, wenn es darum geht, politische Ziele gegen den Widerstand von NGOs durchzusetzen: Politiker und Regierungen haben ein weit offeneres Ohr für Zusammenschlüsse von Bürgern, von deren Wahlentscheidung sie abhängen, als für die Anliegen internationaler Organisationen wie der WTO. Darüber gerät leicht in Vergessenheit, dass diese einen kontinuierlichen Beitrag dazu leisten, internationale Politik durch ihre Regeln sicherer und gerechter zu gestalten.

Weitere Informationen zur WTO finden sie im Politischen Studium.

Grafik: Copyright liegt bei WTO


   

Weiterführende Links:
   Die Welthandelsorganisation (WTO) im Internet
   Die US-amerikanische Gewerkschaft AFL-CIO



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