Gesinnungswandel muss eingeläutet werden
e-politik.de: Seit dem 15. August läuft die Aktion "Z" gegen Rechtsextremismus. Warum entschloss sich die taz neben bereits existierenden Kampagnen – wie etwa die Aktion "Netz gegen Rechts" – eine eigene zu lancieren?
Mika: Die Aktion "Z" hat einen anderen Charakter als die Aktion "Netz gegen Rechts". "Z" steht für Zivilcourage. Ziel unserer Initiative ist es, das Bewusstsein der Gesellschaft mittel- und langfristig zu ändern. Wir müssen uns bewusst werden, was in unserem Staat passiert. Ein Gesinnungswandel muss eingeläutet werden.
e-politik.de: Soll dieser Gesinnungswandel dadurch erreicht werden, dass man eine ganze Titelseite mit Fotos von Rechtsradikalen macht?
Mika: "Z" beinhaltet zwei Aspekte: Zum einen den Aufruf zu Zivilcourage und zum anderen die Auseinandersetzung mit Rechts. Natürlich wurden nur Personen der Zeitgeschichte abgebildet. Gezeigt werden soll die Art und Weise, wie sich diese Personen politisch betätigen. Die Aktion "Z" gibt die Möglichkeit, diese Personen direkt anzusprechen und sie mit Ihren Aktivitäten zu konfrontieren. Die Abbildung fördert die Auseinandersetzung mit dem Thema, von Pranger-Methode kann keine Rede sein.
Ausgrenzung ist nicht das Ziel
e-politik.de: Die taz wirbt mit der Zahl von zehn Prozent weniger Rechten in Schweden, nach einer ähnlichen Aktion schwedischer Tageszeitungen. Wie valide ist diese Zahl überhaupt?
Mika: Zum einen möchte ich betonen, dass die taz keine Werbung mit dieser Zahl macht, sondern lediglich darüber berichtet. Das ist aber auch nicht der entscheidende Punkt. Niemand weiß mit Sicherheit, wie viele sich von einer derartigen Aktion beeinflussen lassen. Zahlen sind aber nicht entscheidend, sondern vielmehr die Aufmerksamkeit, die durch eine solche Aktion erregt wird. Die Attraktivität der Rechten in der Gesellschaft kann dadurch sinken. Durch die Aktion in Schweden haben die Rechten deutlich gespürt, dass es eine Gegenbewegung in der Bevölkerung gibt. Um Ausgrenzung geht es dabei allerdings nicht. Ausgrenzung ist nicht das Ziel, wie einige deutsche Politiker - zum Beispiel Herr Koch - behaupten.
Geistige Brandstifter in der CDU
e-politik.de: Sie erwähnten gerade den hessischen Ministerpräsidenten Koch. Dieser sprach vor kurzem von einer "Medienhysterie" bezüglich der Thematik Rechtsextremismus. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Mika: Eine derartige Aussage von Herrn Koch wundert mich überhaupt nicht. Verbal hat sich die CDU Aktionen gegen Rechts angeschlossen. Jetzt geht es aber um die geistigen Brandstifter, gegen die vorgegangen werden muss, über solche Leute berichten wir. Und geistige Brandstifter sind auch in der CDU zu finden.
e-politik.de: Sie betonen immer wieder, dass die Bürger nicht selbst zum Baseballschläger greifen sollen. Sollte es jedoch zu Aktionen von Selbstjustiz kommen, sind Sie dann auch bereit Verantwortung zu übernehmen?
Mika: Von derartigen Horrorszenarien halte ich überhaupt nichts. Derjenige, der schlägt, hat die Verantwortung. Bereits Anfang der 90er gab es eine Diskussion darüber, ob es aufgrund der namentlichen Veröffentlichung von Stasi-Mitarbeitern zu derartigen Szenen kommen könnte. Passiert ist nichts. Was zählt ist der Bewusstseinswechsel in der Bevölkerung.
Debatte führt zum Wechsel
e-politik.de: Aber kann eine Kampagne zum Bewusstseinswechsel führen?
Mika: Sie kann ihn unterstützen. Nicht die Initiative an sich führt zu diesem Wechsel, sondern die Debatte. Viele hielten auch die Diskussion um das Holocaust-Mahnmal in Berlin für überflüssig, sie war aber wichtig in der Gesellschaft, ebenso wie die Diskussion um die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern jetzt gerade wichtig ist. Es muss ein Konsens darüber gefunden werden, was wir an politischer Willensbildung in Deutschland wollen. Es ist die Aufgabe des Journalisten darüber zu berichten. Auf die Gefahr hin, dass es romantisch klingt - aber ich glaube, dass Aufklärung etwas bewirken kann.
e-politik.de: Der taz wird ein Gesamtverlust von 1,2 Millionen DM für das Jahr 2000 prognostiziert. Vor diesem Hintergrund wird in der Presse – wie in der Frankfurter Rundschau – von Ihrer Kampagne als danebengegangener Marketingversuch gesprochen. Was sagen Sie dazu?
Mika: Das ist Unsinn. Wir sind die Zeitung, die sich seit vielen Jahren mit neofaschistischen und rechtsradikalen Themen auseinandersetzt. Wir haben über diese Tendenzen in der Gesellschaft selbst zu einer Zeit berichtet, als es kaum jemanden interessierte. Deshalb trifft uns dieser Vorwurf nicht im geringsten.
e-politik.de: Wie sehen Sie die Zukunft der taz?
Mika: Strahlend ... Im Ernst, die Krise ist nicht einfach zu bewältigen. Wir haben mit unseren Krisen nie gescherzt. Es geht wieder einmal um die Existenz der taz. Dabei gibt es viele inhaltliche Gründe, die taz zu erhalten. Wir setzen dabei ganz auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser.