Vom rechten Rand zum Staatsmann
Autor : e-politik.de Gastautor E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 23.10.2003
Italiens Vize-Premier Gianfranco Fini gab in München Antwort auf die Frage "Quo vadis Europa?" - was auch einiges über die
Entwicklung des ehemals neofaschistischen Politikers verriet. Von Sebastian Mahner.
Am Ende bekommt Gianfranco Fini von den Zuhörern im Festsaal des Münchner Edel-Hotels "Bayerischer Hof" stehende Ovationen. Gerade hat er auf einem Treffen der "Jungen Europäer" (eine überparteiliche Jugendorganisation) Italiens Idee vom Europa der Zukunft und die Position zum EU-Verfassungsentwurf nochmals erläutert:
Er verstehe, dass einzelne Staaten ihre nationale Identität verteidigen, doch gebe es ein "Risiko der Paralyse", wenn nicht durch Mehrheitsentscheide "die Sicherheit eines Europas, das entscheiden kann", garantiert werde. Der Entwurf dürfe nicht in einem Kompromiss auf niedrigem Niveau enden, weil er "der EU eine politische Identität geben" solle. Aus diesem Grund wünsche Italien auch einen "expliziten Bezug zu den christlichen Werten" in der Verfassung, da die religiöse Identität Europa zusammenhalte.
Vergangenheit am rechten Rand
Nun wäre großer Applaus für eine solche Rede Finis nichts Besonderes - zumindest nicht in Italien. Doch in Deutschland stand man ihm aufgrund seiner Vergangenheit lange skeptisch gegenüber. Denn Fini ist Vorsitzender der Alleanza Nazionale, die 1995 aus einer Partei treuer Mussolini-Anhänger hervorging. Einer Partei, die Jahrzehnte lang am rechten Rand des italienischen Parteiensystems von jeder Beteiligung an der Macht ausgeschlossen war. Noch 1997 musste der Berliner Parlamentspräsident abtreten, weil er ein Treffen mit Fini geplant hatte. Und auch als Fini 2002 zum Unterhändler Italiens beim EU-Konvent ernannt wurde, sorgte dies noch für Stirnrunzeln in Deutschland.
Auf dem Weg zum neuen Image
In München beklatschen ihn nun aber alle. Finis Auftritt ist zweifellos staatsmännisch. Während Berlusconi bei seinen Auftritten oft plump und anmaßend wirkt, macht der hoch gewachsene, braunhaarige Mann mit der randlosen Brille einen sehr seriösen Eindruck, spricht mit leiser, aber fester Stimme davon, dass man jetzt die Zukunft Europas gestalten müsse: "Für uns, aber vor allem für unsere Kinder".
So zeigt der Auftritt in München in München einmal mehr, dass Gianfranco Finis Kalkül aufgegangen ist: Schritt für Schritt hat er sich von seiner dunklen Vergangenheit gelöst und nun als italienischer Unterhändler die Chance genutzt, auch auf europäischer Ebene salonfähig zu werden. Denn nur so wird er sich vielleicht seinen Traum erfüllen können, selbst einmal Italiens Premier zu werden. Allerdings muss Fini dafür abgesehen von seinem eigenen Image auch das seiner Partei verbessern. Nach wie vor neigen vor allem Alleanza- Politiker aus der zweiten und dritten Reihe zu zweifelhaften Aussagen über Italiens faschistische Vergangenheit. Und zur aktuellen Regierungskoalition hat die Alleanza Nazionale als heute rechtskonservative Partei nach wie vor keine Bündnis-Alternative.
In die Mitte rücken, um an die Macht zu kommen
Wohl auch um seine Partei zur politischen Mitte zu öffnen, hat Fini kürzlich absichtlich einen heftigen Streit in der italienischen Regierungskoalition ausgelöst. Fini schlug überraschend vor, den legal in Italien lebenden Einwanderern das Kommunalwahlrecht zu geben. Für europäische Verhältnisse nichts Revolutionäres, doch die fremdenfeindlichen Koalitionspartner von der Lega Nord versetzte das erwartungsgemäß so sehr in Wut, dass sie mit Neuwahlen drohte. Worauf Berlusconi schon Ängste vor einem Kabinett parteiloser Technokraten äußerte. Am Ende blieb die Koalition zusammen und Berlusconi gab Fini freie Bahn zum Alleingang:
Es ändert sich nichts am Zusammenhalt der Koalition, selbst wenn Fini seinen Wahlrechtsentwurf nur mit den Stimmen der Opposition durchsetzen kann. So hat Fini seine Partei ein gutes Stück weiter in die Mitte des politischen Spektrums gerückt. Zugleich konnte er Lega-Nord-Chef Umberto Bossi, aber auch Berlusconi, der Bossi bisher jeden verbalen Ausfall nachsieht, die eigene Macht demonstrieren.
"Grüß' mir Silvio!"
Kein Wunder, dass ihm in München nicht anzumerken ist, dass sich durch die Koalition daheim inzwischen tiefe Risse ziehen. Fini wirkt geradezu fröhlich. Als er vom Bayerischen Hof zum Flughafen aufbricht, ruft ihm jemand halb scherzhaft durch den Saal zu: "Grüß mir Silvio!"
Sieht es nur so aus, als ob Gianfranco Fini verschmitzt lächelt?
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Weiterführende Links:
Die Regierung Italiens im Internet
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