Hubertus Knabe: '17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand'
Autor : Michael Kolkmann E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 18.06.2003
An Literatur und narrativen Schilderungen regionaler Ereignisse des 17. Juni 1953 herrschte bisher kein Mangel. Doch erst jetzt, zum 50. Jahrestag, sind solide Gesamtdarstellungen erschienen. Von Michael Kolkmann.
Dem Berliner Wissenschaftler und Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen im ehemaligen zentralen Untersuchungsgefängnis des DDR-Staatssicherheitsdienstes, Hubertus Knabe, kommt das Verdienst zu, das wohl umfassendste Werk zum 17. Juni 1953 verfasst zu haben. Knabe beschreibt ausführlicher als Volker Koop die lange Vorgeschichte des Aufstandes und beleuchtet detailliert die Konsequenzen, einschließlich der Perzeption des Aufstandes im Westen. Knabe geht in seiner Darstellung auch auf die Rolle der Intellektuellen, der Bauern oder der Kirchen ein - Themen, die Koop lediglich am Rande streift. Beide Bücher erheben den Anspruch, Gesamtdarstellungen zu sein, und beide Bücher lösen diesen Anspruch im Großen und Ganzen auch ein.
Lange Vorgeschichte
Knabe berichtet ebenso wie Koop von Unmutsbekundungen an der Basis von SED, Blockparteien und Massenorganisationen lange vor dem Juni 1953 und beruft sich dabei auf die umfangreiche Dokumentation in den ostdeutschen Archiven. Trotzdem wurden die politischen Führungen in Ost und West gleichermaßen von den Ereignissen des 17. Juni überrascht, wie Koop schreibt: "Die Leidensfähigkeit der Bevölkerung Ost-Berlins und der DDR war am Ende. Die Zeichen waren jedoch sowohl in Ost-Berlin wie in Bonn - möglicherweise sogar bewusst - ignoriert worden. Ruhe schien, wenn schon nicht die oberste Bürgerpflicht, dann doch die der Regierungen zu sein".
Konsequenzen
Nach der Niederschlagung des Aufstandes am 17. Juni durch sowjetische Panzer reagierte die politische Führung der DDR mit (weiteren) Repressalien gegen die eigene Bevölkerung. Die Zahl der hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter wurde von 1500 auf 5000 erhöht. Die Bevölkerung selbst zeigte sich vor allem enttäuscht von der Reaktion des Westens, wie Knabe schreibt: "Zu den enttäuschendsten Erfahrungen der Aufständischen gehörte es, dass der Westen, der sie in ihrem Widerstand gegen den Kommunismus immer ermutigt hatte, sie im entscheidenden Augenblick nicht unterstützte. Die Zuversicht, die die starken Töne des Westens gegenüber dem SED-Regime und der Sowjetunion ausgelöst hatten, schlug um in Bitterkeit und Resignation, als den Worten keine Taten folgten". Eine weitere Enttäuschung sollte im August 1961 folgen, als die Westmächte nach dem Bau der Berliner Mauer sehr zurückhaltend reagierten.
Im Westen dagegen wurde der 17. Juni bereits wenige Wochen nach dem Aufstand zum Feiertag erklärt. Beide Autoren, Koop und Knabe, beschreiben ausführlich die Wahrnehmung des Feiertags in der Bundesrepublik: Hier wurde der Feiertag zum Badengehen und Ausspannen genutzt. Über die Ursprünge des Feiertags wusste eine Mehrheit der (vor allem jüngeren) Westdeutschen kaum Bescheid, einige Bundesbürger zeigten sich nach Medienberichten sogar fest davon überzeugt, dass der Gedenktag mit dem Dritten Reich zusammenhänge.
Prädikat empfehlenswert
Beide Autoren ziehen - mit aller Vorsicht - Parallelen vom 17. Juni 1953 zum November 1989, bis zum Fall der Berliner Mauer und der Öffnung der Grenzen und reihen den 17. Juni 1953 in die "Freiheitsgeschichte Deutschlands" (Bundespräsident Rau) ein. Beide Autoren haben zudem gründlich recherchiert und umfangreiche Quellen zur Berichterstattung und Analyse herangezogen. Durch die weitgehend narrative Darstellung der Ereignisse - auch und gerade in den einzelnen Bezirken der DDR - lassen sich die Bücher leicht und mit Gewinn lesen.
Hubertus Knabe:
"17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand",
Propyläen-Verlag, München 2003,
490 Seiten, 25 Euro,
ISBN: 3-549-07182-5.
Das Copyright des Bildes liegt beim Propyläen-Verlag
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