Schröders Sieg und Helmuts Abgang
Autor : Bert Große E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 24.04.2003
Die Bundestagswahl 1998 hatte für die Bundesrepublik wahrhaft historische Dimensionen. Erstmals wurde eine amtierende Regierung abgewählt, die Grünen wurden Regierungspartei und der Wahlkampf im Vorfeld erreichte neue Regionen. Von Bert Große.
Am Abend des 27. September 1998 war klar; Helmut Kohl, ‚ewiger Kanzler' der Bundesrepublik, würde das Land nach 5 Legislaturperioden nicht mehr regieren. Erstmals seit 1949 war es gelungen, eine amtierende Regierung abzulösen. Vorausgegangen war ein Wahlkampf, den das Land so noch nicht erlebt hatte. Das Tandem Schröder/Lafontaine, eine vorher nicht gekannte Mediatisierung und ein einmaliger finanzieller Aufwand waren für die Bundesrepublik Neuland im Wahlkampf. Knut Bergmann analysiert in seiner Darstellung Kandidaten, Wahlkampforganisationen, Strategien und die Vorgeschichte des Wahlkampfes.
Danke Helmut, es reicht
Der Autor arbeitet die Probleme der Union in der Kampagnengestaltung deutlich heraus, die Wahl war eine Abwahl. Helmut Kohl hatte das Schicksal der CDU gut 30 Jahre nicht nur maßgeblich geprägt, Helmut Kohl war die CDU. Angesichts der schlechten Umfragewerte für die Union traf es die Partei besonders hart, den Generationswechsel nicht rechtzeitig eingeleitet zu haben. Die Bürger waren 1998 jedoch nicht nur der bekannten Gesichter überdrüssig. Insbesondere in der Arbeitsmarktpolitik hatte die Regierung in den Augen der Wähler ihre Kompetenz verloren. Es gelang ihr auch nicht mehr, anders als noch vier Jahre zuvor, diesen Mangel auszugleichen. Hinzu kamen strukturelle Probleme bei der Abstimmung der Kampagne. Generalsekretär Peter Hintze wurde der Wahlkampf durch das Bundeskanzleramt diktiert. Außerdem liefen die Themen der Union ins Leere, besonders die Wiederaufnahme des ‚Rote Hände Motivs' von PDS und SPD aus dem Wahlkampf von 1994 stach nicht mehr.
Alles richtig gemacht?
Die Kampagne der SPD erreichte während des gesamten Wahlkampfs besondere Aufmerksamkeit. Allein die Debatte um die Kanzlerkandiatur beschäftigte die Medien fast ein Jahr lang, ohne dass die SPD dabei Schaden nahm. Die Neuorganisation der Wahlkampfzentrale, die konsequente mediale Inszenierung und nicht zuletzt die eloquente Persönlichkeit Gerhard Schröders machten die Partei attraktiv. Die SPD konnte dabei die Kohl-Müdigkeit der Wähler für sich nutzen. Das Verdienst der Wahlkampfleitung um Franz Müntefering und den späteren Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig bestand in einer kommunikativen Disziplinierung der SPD, die es zuvor wohl so noch nie gegeben hatte. Im programmatischen Kampf um die Mehrheit gelang es der Partei mit dem Slogan der ‚Neuen Mitte' viele CDU-Sympathisanten gewinnen.
Während PDS und Grüne Erfolg beim Wähler hatten, war die FDP der große Verlierer der Wahl. Erstmals seit 1969 musste die Partei den Gang in die parlamentarisch Opposition antreten. Ihre Position als Zünglein an der Waage hat sie 1998 wohl endgültig verloren.
Fleißarbeit
Bergmann bietet mit Sicherheit die detaillierteste Analyse zum Wahlkampf 1998. Die Quellensammlung ist riesig, allein 600 Artikel der Tagespresse wurden ausgewertet. Leider krankt der Band unter einem schlampigen Lektorat, immer wieder stolpert der Leser über vermeidbare Fehler. Fast 1300 Fußnoten und die gelegentlich holprige Stilistik lassen die Lektüre manchmal anstrengend werden. Außerdem hätte es dem Buch gut getan, die zitierten Statistiken, Graphiken oder Plakate auch zu dokumentieren. Der Text verkommt so unverdientermaßen zur Bleiwüste und beraubt sich breiterer Leserschaften. Trotz der Fehler sollte das Buch aber nicht nur bei den Kampagnenplanern der Parteien für Aufmerksamkeit sorgen.
Knut Bergmann
"Der Bundestagswahlkampf 1998, Vorgeschichte, Strategien, Ergebnis"
Westdeutscher Verlag, Wiesbaden (2002)
ISBN 3-531-13758-1, 377 S., 34,90 Euro
Das Copyright liegt beim Westdeutschen Verlag.
|
|
|
|