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e-politik.de - Home  Brennpunkt  Europa   Französische Präsidentschaftswahlen 2002


Jacques Chirac

Staatsmann oder Gauner?

Autor :  Maria Pinzger
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 19.04.2002

Die Franzosen lassen ihre Erfahrungen mit Jacques Chirac Revue passieren. Die Grande Nation ist mit Affären ihrer Staatsmänner bisher gnädig umgegangen. Die Chancen für eine Wiederwahl des "Bulldozer" stehen nicht schlecht, meint Maria Pinzger.


Die Trikolore ist allgegenwärtig. Die Bühnendekoration, die jubelnden Anhänger, die ihre Fähnchen schwenken, und auch die Krawatte des Redners leuchten in den französischen Nationalfarben.
Perfekt organisiert zeigt sich das Wahlkampfteam um Jacques Chirac zum Auftakt des Präsidentschaftswahlkampfes. Und der Kandidat? Routiniert und abgeklärt wie immer präsentiert er sich und sein Wahlprogramm. Die Routine kommt nicht von ungefähr: Jacques Chirac ist eines der politischen Urgesteine der Republik. Mit seinen 69 Jahren blickt er auf 18 Jahre als Bürgermeister von Paris, zwei Jahre als Premierminister und eine Amtszeit als Präsident zurück.

Urgestein und Bulldozer

Unter Georges Pompidou begann seine politische Karriere als Staatssekretär und späterer Minister. Sein politischer Ziehvater Pompidou nannte ihn liebe- und respektvoll "Bulldozer" - denn hartnäckig und kompromisslos verfolgte Jacques Chirac in einer vierzigjährigen politischen Karriere seine Pläne.
Und diese Pläne setzte er in jedem Amt immer wieder in Erfolge um. Als Chirac 1995 mit 52,6 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt wurde, war das eine kleine Sensation: Der Nachfolger von Übervater Francois Mitterand ein Gaullist! Ob bei der diesjährigen Wahl ähnliche Überraschungen auf die Grande Nation warten, sei dahingestellt. Zumindest lassen die Umfragen wieder auf eine Stichwahl schließen, was nicht ungewöhnlich ist: bisher wurde jeder französische Staatspräsident seit de Gaulle im zweiten Wahlgang ermittelt.

Immer das letzte Wort

Um sich aber möglichst gut gegenüber seinem Gegner Jospin profilieren zu können, formuliert Chirac exakte Wahlversprechungen. Genau 110 Zusagen gibt er dem Wahlvolk in seinem Programm "Engagement pour la France". In der Wirtschaftpolitik soll die Einkommenssteuer in fünf Jahren um ein Drittel gesenkt werden, insgesamt geht es um Steuervergünstigungen von 500 Millionen Euro. Gleichzeitig sollen aber die Ausgaben für Rüstung und innere Sicherheit erheblich ausgestockt werden. In der Außenpolitik steht Chirac für eine bessere staatliche Kontrolle der Globalisierung und eine internationale Friedenstruppe im Nahost-Konflikt.

Trumpf im Ärmel: die innere Sicherheit

Der Präsident reagiert schnell auf die aktuellen Vorkommnisse im Land. Nach dem Amoklauf in Nanterre rückte er die innere Sicherheit in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes. Ein Seitenhieb auf den Konkurrenten - schließlich sei es die Aufgabe der Regierung unter Lionel Jospin gewesen, das Ausbreiten der städtischen Kriminalität zu verhindern, erklärte der Präsident. Und auch als in Frankreich Synagogen brennen, ist Chirac als erster Politiker medienwirksam vor Ort. Die Verurteilung der Anschläge und die Feststellung, dass "Franzosen in Frankreich gegen Franzosen kämpfen", weil der Konflikt im Nahen Osten eskaliert, folgt gut durchdacht vor laufenden Kameras.

"Superlügner"

Doch manchmal, aber nur manchmal, windet er sich. Dann wird aus dem Bulldozer ein aalglatter Fisch, der um keine Ausflüchte verlegen ist, wenn es um die zahlreichen Affären und Betrügereien geht, in denen sein Name immer wieder auftaucht: Sei es, dass er in den Jahren als Pariser Bürgermeister täglich Gaumenfreuden im Wert von 150 Euro genoss und sich dafür aus der Stadtkasse bediente. Sei es, dass es um Korruption im großen Stil geht - Chirac gleitet geschickt durch die Seilschaften der Hauptstadt.
Gefährlich werden könnte ihm dabei Didier Schuller. Schuller, von 1986 bis 1994 Leiter der Behörde für sozialen Wohnungsbau, fungierte als Finanzier bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Nun kehrte er nach einer siebenjährigen Auszeit in der Karibik nach Frankreich zurück, stellte sich den Behörden und veröffentlichte eine erste Beichte in Buchform: "Je reviens" - "Ich komme zurück". Nicht gerne gesehen vom Präsidenten, denn ob und wie Jacques Chirac in die Korruptionsskandale involviert war, ist derzeit noch unbekannt. Sollte Schuller aber auspacken, hätte dies für den Präsidenten unangenehme Folgen.

Ein Fressen für die Gummipuppen

Und die Satiremagazine im Land, allen voran die populären Gummipuppen "Les Guignols de l'Info", gehen entsprechend hart mit Chirac ins Gericht. Dort wird er wegen seiner vielen gebrochenen Wahlversprechen als "Superlügner" bezeichnet. Den Präsident aber ficht das nicht an, er bleibt äußerlich ruhig und verweist darauf, dass er als Staatsoberhaupt keine Zeit habe, solche Sendungen anzusehen. Er respektiere allerdings die Meinungsfreiheit und damit auch die Sendung.
Sehr nett, Monsieur le Président, zumal die Mehrzahl der Franzosen in der Gummipuppe auch nicht das direkte Abbild Chiracs sieht. Und in Frankreich wird es Politikern seit jeher gerne nachgesehen, dass sie es ab und an mit der Wahrheit nicht ganz so genau halten. Entscheidend für den Wiedereinzug Jacques Chiracs in den Elysée-Palast wird das Zusammenspiel aus politischem Programm und Nichtaufklärung seiner Affären werden.

Foto: Copyright liegt bei www.diplomatie.fr

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